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Als eine Harderin wegen ein paar Kartoffeln einen Monat ins Gefängnis musste

©Canva/VOL.AT
Pascal Pletsch (VOL.AT) pascal.pletsch@russmedia.com
Nazi-Diktatur in Vorarlberg: Ein Monat Arrest lautet das Urteil gegen Maria Dörler aus Hard.

Viele Dokumente, die die Unrechtsjustiz der NS Zeit belegen, sind in Vorarlberg nicht mehr zu finden. Beispielhaft, haben wir uns einen Fall aus Hard angesehen. Ein aus heutiger Sicht harmloses Vergehen, endete in einem Urteil von einem Monat Arrest für eine Harderin.

Die Meldung bringt das Verfahren ins Rollen

Am 31. August 1942 wurde eine Meldung durch einen Feldwebel Deutsch vom Kriegsgefangenenlager Hard an seine vorgesetzten Dienststellen in Innsbruck verfasst. Inhalt: Der vermeintlich rechtswidrige Umgang mit russischen Kriegsgefangenen durch die Harder Bevölkerung.

Die Handvoll Kartoffeln

Der Obergefreite Hey bringt mit seiner Meldung den Vorfall ins Rollen. ©VOL.AT

Am 28. August 1942 gegen 20 Uhr befanden sich zwei russische Kriegsgefangene unter Bewachung des Kommandoführers, dem Obergefreiten Oskar Hey, auf dem Rückweg von einem Arbeitseinsatz. Die beiden russischen Gefangenen hatten bei einem Bauern eine Fuhre Kraut abholen müssen. Dabei habe sich Folgendes ereignet: Hey sei einige Meter hinter den Gefangenen gelaufen, als er bemerkte, wie Maria Dörler, welche in ihrem Garten stand, den vorbeilaufenden Kriegsgefangenen zuwinkte. Die beiden Russen trauten sich allerdings offensichtlich nicht zu Maria Dörler zu gehen, da ihr Bewacher unmittelbar hinter ihnen lief. Als Dörler ein zweites Mal versuchte, die Gefangenen zu sich zu winken, fragte Hey "was sie denn Schönes habe". Dörler antwortete daraufhin, er solle nur weitergehen, sie habe nur den Gefangenen etwas geben wollen. Am darauffolgenden Tag erhielt Dörler Besuch von Hey in Begleitung des Gendarmeriebeamten. Befragt, was sie denn den Kriegsgefangenen habe geben wollen, antwortete Dörler: "Aus christlicher Nächstenliebe wollte ich ihnen die Kartoffeln geben. Die armen Kerle haben ja niemanden."

Hard in den 40er Jahren.

Die Vernehmung

Damit war es allerdings nicht getan. Nachdem die Meldung des Lagers nach Innsbruck erfolgt war, musste die Beschuldigte bereits einen Tag später, am ersten September 1942 zur offiziellen Vernehmung auf dem Gendarmerieposten Hard erscheinen. Der Obergefreite Oskar Hey war bei den Vernehmungen ebenfalls anwesend. Weitergeleitet wurden die Vernehmungsprotokolle anschließend an das Amtsgericht Bregenz, den Landrat des Kreises Bregenz, sowie die Geheime Staatspolizei in Bregenz.

Die Abschrift der Vernehmung ging auch an die Gestapo in Bregenz. ©VOL.AT

Aus dem Vernehmungsprotokoll:

Tatvorwurf: Maria Dörler hat sich einem versuchten Umgang mit Kriegsgefangenen schuldig gemacht, indem sie vor ihrem Vaterhause in Hard, durch Abgabe von Zeichen mit der Hand zwei russische Kriegsgefangene vom Arbeitskommando 27497 in Hard zu ihr rufen und etwas Kartoffeln verabreichen wollte.

Beweismittel: die Aussage des Obergefreiten Hey, Führer des Arb. Kommandolagers 27497 in Hard.

Aussage von Maria Dörler: "Als ich am 28. August gegen 20 Uhr im Garten vor unserem Haus in Hard arbeitete, passierten zwei Kriegsgefangene die Straße, die bei unserem Haus vorbeiführt. Durch Winken mit der Hand wollte ich die zwei Gefangenen zu mir rufen und ihnen einige Kartoffeln verabreichen. Dies aus dem Grunde, weil ich dachte, dass die Gefangenen gewiss Hunger haben. Dass ich durch Übergabe von Kartoffeln eine gesetzwidrige Handlung begangen hätte, hätte ich nicht gewusst. Ich werde in Zukunft auf Grund der Belehrung eine solche Handlungsweise sein lassen."

Bemerkung des Gendarmeriebeamten am Ende des Protokolls: "Bemerkt wird, dass Maria Dörler nicht als dem Nationalsozialismus gesinnt bezeichnet wird. Sie ist angeblich eine fleißige Kirchenbesucherin und politisch schwarz eingestellt. Ansonsten ist sie straflos und wurde in krimineller und politischer Sicht über sie nichts Nachteiliges bekannt."

Ein Monat Arrest für die versuchte Übergabe von Kartoffeln

Ob danach noch weitere Einvernahmen stattgefunden haben, oder wann schlussendlich das Urteil gefällt worden ist, ist aus den noch vorhandenen Akten nicht ersichtlich. Am 21. November 1942 erhielt der Landrat des Kreises Bregenz allerdings ein Schreiben der Harder Gendarmerie, in dem es heißt: "Wie hier zur Kenntnis gebracht wurde, wurde Maria Dörler wegen dem Umgang mit Kriegsgefangenen vom Amtsgericht Bregenz zu einem Monat Arrest verurteilt."

Bürokratie unter dem Hakenkreuz - selbst die Gauleitung wurde über die Kartoffelaffäre informiert. ©VOL.AT

Auch der Gauleiter wird informiert

Selbst die Gauleitung in Innsbruck schien sich für den Kartoffelfall zu interessieren - hier Gauleiter Franz Hofer unterwegs in Vorarlberg. ©Erwin Hefel Vorarlberger Landesbibliothek

Selbst die Gauleitung in Innsbruck interessierte sich offenbar für den Fall. Zumindest meldet der Gendarmerieposten Hard am 27. November in einem Schreiben an die Kanzlei des Gauleiters: "Im Gegenstande habe ich eingehende Erhebungen empfohlen und gebe ihnen nachstehend das Erhebungsergebnis des Gendarmeriepostens in Hard bekannt." Dann folgt nochmals die ausführliche Schilderung der versuchten Kartoffelübergabe, bevor am Ende der "erfolgreiche" Abschluß - die Verurteilung von Maria Dörler - gemeldet wird.

(VOL.AT)

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