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Die vier unbekannten Helden von Nenzing

Die vier Helden von Nenzing verhinderten noch schlimmeres.
Die vier Helden von Nenzing verhinderten noch schlimmeres.
Nenzing - Sie trieben den Amokläufer Gregor S. in die Ecke und redeten auf ihn ein. Anschließend nahm sich der 27-Jährige das Leben. Wir fragten Notfallpsychologen Gernot Brauchle, was Menschen zu solcher Zivilcourage antreibt.
Biker gedenken Opfer
"Er lag da und zwei reanimierten ihn"
"Hatte wirklich alle Schutzengel dabei"
Täter mit rechtsextremer Vergangenheit
Täter umging bestehendes Waffenverbot
Drei Tote in Nenzing

Sie sind die unbekannten Helden des tragischen Amoklaufs in Nenzing bei dem zwei Festbesucher und der Todesschütze ihr Leben lassen mussten. Auf Facebook (das Posting wurde in der Zwischenzeit gelöscht und liegt VOL.AT vor) schreibt einer der Veranstalter sinngemäß: "Das sind Lebensretter. Ihnen gehört ein Orden verliehen." Ohne Schusswesten und unbewaffnet stellten sie sich dem Amokschützen entgegen. In diesem Moment dachten sie ganz offensichtlich nicht an ihr eigenes Leben, sie wollte nur noch Schlimmeres verhindern.

nenzing-facebook

Nach den Schüssen aus dem ersten Magazin blieben die vier Unbekannten offensichtlich im Umfeld des Täters und redeten auf den 27-Jährigen ein. Der Mann feuert mit seinem vollautomatischen Sturmgewehr eine letzte Salve ab, dann ist sein Magazin leer.Während der Schütze die Waffe nachlädt, sollen sich die vier Männer im entgegen gestellt haben.

Eingreifen habe schlimmeres verhindert

Zuerst habe der 27-Jährige gedroht, den Wortführer der vier Männer als nächstes zu erschießen. Dieser habe sich von der Drohung unbeeindruckt gezeigt, worauf sich Gregor S. die Waffe in den Mund steckt und selbst tötet. Gegenüber WANN&WO bestätigt der Präsident des Motorradclubs "Lords", Dietmar Halbeisen, die Darstellung. Demnach gingen mehrere, zu diesem Zeitpunkt war noch von drei die Rede, auf den wild um sich Schießenden zu und konnten ihn daran hindern, weiter in die Menge zu feuern. Die vier Männer befänden sich nun in psychologischer Betreuung.

Polizei bestätigt verbalen Kontakt

Aus Sicht Halbeisens hat das Eingreifen der Clubmitglieder noch Schlimmeres auf dem rege besuchten und beliebten Fest verhindert. Vonseiten der Polizei wird nur die ihr vorliegende Aussage bestätigt, dass es verbalen Kontakt zwischen dem Schützen und Konzertbesuchern gab. Eine Idolisierung der vier Unbekannten sieht die Polizei aufgrund der Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens eher problematisch.

Zivilcourage als Zeichen starker Wertüberzeugungen

"Aus der Forschung weiß man, dass solche Menschen über starke soziale Wertüberzeugungen – wie soziale Verantwortung, Empathie und Toleranz – verfügen und sich selbst als autonome Personen einschätzen, die also in schwierigen Situationen immer die Kontrolle behalten", weiß Gernot Brauchle. Der Rektor der PH Vorarlberg ist Notfallpsychologe und ehemaliger Leiter des Instituts für angewandte Psychologie an einer privaten Universität in Tirol. "Mutiges Handeln wird zudem gesteigert, wenn man sich als Gruppe – und nicht als Einzelperson - gegen eine Bedrohung richtet. Dennoch muss man auch sagen, dass Menschen die mutig andere schützen, manchmal die Gefahr schlicht unterschätzen und dann selbst zu Opfern werden."

Hofmeister
Hofmeister

Gefahr könnte unterschätzt worden sein

Ein solches Beispiel sei Studentin Tugce Albayrak, die getötet wurde, weil sie zwei Mädchen helfen wollte. Auch in diesem Fall sei es denkbar, dass die Männer die reale Lebensgefahr, die vom Schützen ausging, unterschätzt haben und erst als die Opferzahlen bekannt wurden, sich ihrer eigenen Gefahr bewusst wurden. "Jedenfalls ist diesen Personen sehr zu danken und es wäre wünschenswert, wenn ihnen dafür öffentlich gedankt werden würde, denn Zivilcourage braucht jede Gesellschaft", schließt Brauchle.

Ein Verletzter weiter in kritischem Zustand

Keine Entwarnung gab es am Mittwoch laut Polizei hinsichtlich der Situation jenes 1962 geborenen Mannes, der beim Amoklauf des 27-jährigen Vorarlbergers angeschossen und schwerst verletzt worden war. Er befand sich weiter in kritischem Zustand. Der Mann ist eines von 14 Opfern des Amokläufers. Im Kugelhagel starben am Sonntag zwei Vorarlberger Männer im Alter von 33 und 48 Jahren, zwölf weitere wurden verletzt, einige davon schwer. Zwei Personen konnten das Krankenhaus noch am Sonntag wieder verlassen, ein Mann nahm keine ärztliche Behandlung in Anspruch.

Rechtsextremer Hintergrund des Täters

Der acht Mal vorbestrafte 27-Jährige aus dem Raum Bludenz, der der rechtsextremen Szene zuzuordnen ist, hatte am Sonntag gegen 3.00 Uhr nach einem Beziehungsstreit mit einem Kalaschnikow-Nachbau das Feuer auf die Festgäste eröffnet. Nachdem er das Magazin seines vollautomatischen Sturmgewehrs - rund 30 Patronen - leer geschossen hatte, legte er ein weiteres Magazin ein und tötete sich selbst durch einen Schuss in den Mund.

Gedenken der Opfer am Freitagabend

Die Vorarlberger Biker Union will am Freitag ein Zeichen der Solidarität setzen und mit einer Ausfahrt zum Ort des Konzertes den Opfern ihren Respekt erweisen.

(red/APA)

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