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Internationale Pressestimmen zu den Panzerlieferungen an die Ukraine

©Canva
Die ganze Welt beobachtet gespannt das Einschreiten des Westens in den Krieg. Doch wie ist die allgemeine Sichtweise zum Thema Panzerlieferungen?

Die Meinungen verschiedener Länder zu den Panzerlieferungen an die Ukraine lassen sich wohl am besten anhand der verschiedenen Weisen der Berichterstattung beurteilen. Eine Auswahl an diversen internationalen Medienauszügen über die Panzerlieferungen:

"Le Figaro" (Paris):

"Diese strategische Entscheidung stellt einen Wendepunkt im Krieg dar. Es muss aber festgehalten werden, dass sie im Durcheinander getroffen wurde, unter der Triebfeder Polens und anderer, die bereit waren, auf das normalerweise notwendige grüne Licht aus Berlin zu verzichten. Die Europäer gehen wie Pinguine voran, die sich im Packeis anrempeln: Jeder will in der Mitte der Truppe sein und nicht vorne oder an der Seite. Wird Frankreich, das sich noch nicht zur Entsendung von Leclerc-Panzern geäußert hat, der Herdenwanderung von Panzern unbeirrt zusehen?

Ein Auszug der Berichterstattung der französischen Zeitung "Le Figaro".
©Screenshot/lefigaro.fr

Man muss hoffen, dass die Wette mit den Panzern aufgeht. Wenn sie an der Front keinen Unterschied machen, sieht jeder genau die nächste Stufe: die Langstreckenraketen, die in der ukrainischen Sammlung noch fehlen. Es wird der Tag kommen, an dem Kiew erklärt, dass Schläge in Russland geschehen müssten, um den Kreml an den Verhandlungstisch zu bringen. Wir werden keine Überraschung vortäuschen können."

"Lidove noviny" (Prag):

"Deutschland ist in einer Lage, die für Außenstehende schwer verständlich ist. Einerseits sieht es sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass deutsche Panzer dort töten werden, wo sie vor 80 Jahren getötet haben. Doch wenn die Regierung entschieden hätte, keine Panzer an Kiew zu liefern, wäre ihr vorgeworfen worden, mit ihrem Pazifismus zu ermöglichen, dass Russen in der Ukraine töten. Es hat lange gedauert, bis für Bundeskanzler Olaf Scholz die Argumente für Panzerlieferungen, um die russische Aggression zu bremsen, überwogen haben. (...)

Ein Auszug der Berichterstattung aus der Prager Zeitung "Lidove noviny".
Ein Auszug der Berichterstattung aus der Prager Zeitung "Lidove noviny". ©Screenshot/lidovky.cz

Wie sehr das lange Zögern dem Ruf Berlins unter den westlichen Verbündeten geschadet hat, wird sich erst noch zeigen. Vielleicht haben die Deutschen ihre Führungsrolle in Europa bereits verloren. Denn wer weiß, wie das Ganze ohne den Druck der USA, Polens und der skandinavischen Länder überhaupt ausgegangen wäre."

"Rzeczpospolita" (Warschau):

"Die deutsche Regierung wird Leopard-Panzer in die Ukraine schicken und vor allem anderen Ländern die Möglichkeit geben, ihre Bestände an Panzern aus deutscher Produktion - bis zu hundert Stück - für das angegriffene Kiew zu spenden. Das ist eine sehr gute Nachricht. Erstens für die Ukrainer, denn mit den besten westlichen Fahrzeugen können sie sich besser auf die Abwehr der nächsten russischen Offensive vorbereiten. Es ist auch eine gute Entscheidung für unsere Region. Die Unfähigkeit Deutschlands, mutige Entscheidungen zu treffen, hat zur Schwächung der Einheit Mitteleuropas beigetragen.

Ein Auszug aus der Warschauer Zeitung "Rzeczpospolita" vom Donnerstag.
Ein Auszug aus der Warschauer Zeitung "Rzeczpospolita" vom Donnerstag. ©Screenshot/rp.pl

Woher kommt dieser Widerstand? Die Jahrzehnte des Aufbaus eines Nachkriegsdeutschlands, dessen Doktrin die Abkehr vom Militarismus und die Konzentration auf die Wirtschaft war, und auch die Erinnerung an den Krieg des Dritten Reichs gegen die UdSSR führten dazu, dass die Vision von deutschen Panzern, die gegen die russische Armee in die Schlacht zogen, an der Spree Gänsehaut verursachte. Auch hat die Bundesregierung erst nicht verstanden, dass innenpolitische Überlegungen zum Ukraine-Krieg bei den Alliierten verhängnisvoll ankommen würden. Als sie dies endlich begriffen hatte, traf sie eine richtungsweisende Entscheidung."

"De Tijd" (Brüssel):

"Wenn alles nach Plan läuft, werden sich mehrere Länder zusammentun, um die Streitkräfte von Wolodymyr Selenskyj mit modernen Kampfpanzern westlicher Produktion auszustatten. Nachdem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nun offiziell grünes Licht für die Lieferung von Panzern des Typs Leopard 2 gab, hat der Aufbau einer 'Panzerkoalition' begonnen. Neben Deutschland haben bereits Polen, Finnland, Norwegen, die Niederlande, Spanien und Dänemark ihre Absicht bekundet, ihren Beitrag zu leisten, um eine beträchtliche Anzahl von Panzern aus deutscher Produktion an die Front zu bringen. (...)

Ein Auszug aus der Berichterstattung der belgischen Zeitung "De Tijd" vom Donnerstag.
Ein Auszug aus der Berichterstattung der belgischen Zeitung "De Tijd". ©Screenshot/tijd.be

Mit der Panzerlieferung fällt ein weiteres westliches Waffentabu. Experten überrascht das nicht. 'Die Entsendung dieses Geräts war ein logischer nächster Schritt in einem größeren Strom von Waffenlieferungen an die Ukraine', sagt Camille Grand vom Think Tank European Council on Foreign Relations (ECFR). Dabei war Deutschlands Zustimmung vor allem aus militärischer Sicht bedeutsam."

"de Volkskrant" (Amsterdam):

"Bundeskanzler Olaf Scholz traf seine Entscheidung unter starkem inneren und äußerem Druck - zehn Monate nach dem ursprünglichen Ersuchen aus Kiew. Der Beschluss entspricht dem Muster westlicher Waffenunterstützung für die Ukraine, die zwar ständig zunimmt, aber bisher nur ausgereicht hat, um die Ukraine über Wasser zu halten, und nicht, um Russland wirklich zurückzudrängen. Die Frage, ob die von den Vereinigten Staaten und den europäischen Ländern in den letzten Wochen angebotene Unterstützung mehr bewirkt als die Aufrechterhaltung einer blutigen Pattsituation, kann jetzt nicht beantwortet werden. Diese Antwort wird in den kommenden Monaten auf dem Schlachtfeld gegeben werden.

Auszug aus der Berichterstattung der niederländischen Zeitung "de Volkskrant".
Ein Auszug aus der Berichterstattung der niederländischen Zeitung "de Volkskrant". ©Screenshot/volkskrant.nl

Es gibt Hoffnungszeichen, dass in den westlichen Hauptstädten das Verständnis für den Ernst der Lage wächst. Die kombinierte Unterstützung durch Flugabwehr, Artillerie und mobile Kampfkraft (insbesondere die Hunderten von gepanzerten Fahrzeuge für die Infanterie), die in letzter Zeit angeboten wurde, ist wirklich beachtlich. Ergänzt durch Dutzende von Leopard-Panzern könnte dies einen Unterschied machen."

"Público" (Lissabon):

"Auf Druck europäischer Partner und der USA hat Deutschland seine Unentschlossenheit überwunden. Es wird Leopard-2-Panzer in die Ukraine schicken und dies auch anderen Ländern gestatten. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat diesem Druck so lange widerstanden, wie er konnte. Die Beziehungen zu Russland, die Traumata der Vergangenheit, die Geschichte der SPD und die deutsche Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte können vieles erklären. Es wird sich zeigen ob Deutschland seiner historischen Verantwortung gerecht wurde oder ob der europäische Zusammenhalt einen Riss bekommen hat.

Auszug aus der portugiesischen Zeitung "Público".
Ein Auszug aus der portugiesischen Zeitung "Público". ©Screenshot/publico.pt

Für den Kreml ist die Entscheidung Deutschlands keine gute Nachricht, da die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine vor einer neuen russischen Offensive erhöht wird. Die Panzer sind zwar keine Garantie dafür, dass die Ukraine verlorenes Territorium befreien und diesen Krieg gewinnen könnte, aber sie gewährleisten eine geschlossene Front, um dem Angriff Wladimir Putins zu widerstehen. Die Panzer haben einen Zweck: zu verhindern, dass Putin gewinnt. Das ist keine Kleinigkeit."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich durchgerungen. Deutschland liefert Kampfpanzer des Typs Leopard 2 in die Ukraine. Scholz hat gerade noch einmal die Kurve gekriegt, in letzter Minute sozusagen, sein Zaudern und Zögern war zuletzt nur noch grotesk. Jahrzehntelang hat Deutschland von der Solidarität in der Nato profitiert, doch sein Regierungschef erweckte monatelang nicht den Eindruck, ebenso rückhaltlos zur Verteidigung Osteuropas beitragen zu wollen. (...)

Ein Auszug aus der Berichterstattung der "Neuen Züricher Zeitung".
Ein Auszug aus der Berichterstattung der "Neuen Züricher Zeitung". ©Screenshot/nzz.ch

Doch es waren vor allem Scholz und das linke Spektrum in seiner sozialdemokratischen Partei, die sich weniger Sorgen darüber machten, wie die Ukraine ihre Existenz verteidigen kann, als vielmehr darüber, wie die Beziehungen zu Moskau nach Friedensgesprächen wiederhergestellt werden könnten. Solche Instinkte sind in der SPD tief verwurzelt. Mit der Entscheidung, nun sogar moderne Leopard 2A6 in die Ukraine zu schicken, scheint Olaf Scholz diesen inneren Impuls überwunden zu haben. Er hat sich festgelegt. Deutschland will nicht weiter der Bremsklotz in Europa sein. Endlich, muss man sagen."

"Wall Street Journal" (New York):

"Die verspätete Entscheidung überwindet das, was ein wachsender Riss in der NATO-Koalition bei der Unterstützung der Ukraine wurde. Polen beantragte eine Exportgenehmigung und drohte, einige seiner Leopard-Panzer ohne Zustimmung Berlins zu schicken. Großbritannien hatte bereits angekündigt, 14 Challenger-Panzer zu schicken, und andere europäische Länder sind bestrebt, dasselbe zu tun. Deutschland riskierte, ein pazifistischer europäischer Ausreißer zu werden. (...) In dieser Situation forderte er (Kanzler Olaf Scholz) die USA auf, ihre erstklassigen Abrams-Panzer zu liefern, damit es nicht so aussähe, als würde Deutschland einen Alleingang machen.(...)

Auszug aus der Berichterstattung des US-amerikanischen "Wall Street Journal".
Ein Auszug aus der Berichterstattung des US-amerikanischen "Wall Street Journal". ©Screenshot/wsj.com

Aber die US-Ankündigung ist weniger hilfreich, als es die Schlagzeile vermuten lässt, weil die Panzer nicht aus Lagerbeständen in (Transportflugzeuge vom Typ Boeing) C-17 gefahren werden. Stattdessen werden sie durch den militärischen Beschaffungsprozess geliefert, der Monate oder länger dauern wird. Diese Verzögerung ist schwer zu verstehen, wenn man bedenkt, dass die Marines ihre Abrams-Panzer ausmustern, um eine mobilere (...) Streitmacht zu werden. Warum nicht die schicken? Zumindest können die Leoparden früher eingesetzt werden, was der Ukraine in diesem Frühjahr helfen wird."

"The Times" (London):

"Die Zustimmung Deutschlands zur Entsendung von Leopard-Panzern hat, wenngleich sie spät kam, ein schädliches langwieriges Gezerre innerhalb der NATO vermieden. Die Solidarität des Westens mit der Ukraine ist auch nach fast einem Jahr Krieg weiterhin groß. Trotz Zweifel der republikanischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Regierung Biden, die bereits mehr als 18 Milliarden Dollar für die Ukraine-Hilfe ausgegeben hat, ihre Unterstützung verringern wird.

Auszug der Berichterstattung der britischen "The Times".
Ein Auszug der Berichterstattung der britischen "The Times". ©Screenshot/thetimes.co.uk

Die nächste Debatte wird sich um die Frage drehen, ob die Panzer durch Luftstreitkräfte geschützt werden müssen. Berlin hat die Entsendung westlicher Kampfflugzeuge ausgeschlossen, doch könnte dies dringend notwendig werden, wenn die neuen Panzer aus der Luft beschossen werden. (...) Eine glaubwürdige Drohung gegen jede russische Offensive ist die einzige Möglichkeit, einen russischen Rückzug oder Verhandlungen zu erzwingen."

(APA/dpa)

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