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Ein Mann namens Folcwin schreibt Geschichte

Urkunden als Erinnerung an das 1.200-Jahre-Jubiläum.
Urkunden als Erinnerung an das 1.200-Jahre-Jubiläum. ©Elke Kager Meyer
Festabends zur urkundlichen Erwähnung von Walgau-Gemeinden vor 1.200 Jahren
Folcwin

Escliene, Nanciengos, Nezudene, Purie und Senobio – was diese Begriffe bedeuten? Vor 1.200 Jahren wurden die Gemeinden Schlins, Nenzing, Nüziders, Bürs und Schnifis erstmals urkundlich erwähnt. Und zwar durch den damaligen Verwalter des Walgaus, einem Beamten – früher „Schultheiß“ genannt – namens Folcwin, der 27 Schenkungs- und Verkaufsurkunden verfassen ließ. „Wir feiern heute also nicht den Geburtstag der Walgaugemeinden, sondern vielmehr den Namenstag der Walgau-Gemeinden“, stellte Landtagspräsident Harald Sonderegger beim offiziellen Festabend im Nenzinger Ramschwagsaal fest.

Martina Ess führte dabei durch den Abend, die musikalische Begleitung wurde von einem Flöten-Ensemble der Musikschule Walgau, sowie einem gregorianischen Chor und einem Lied von Laurentius von Schnifis – gesungen von den „Walgauer Stimmen“- übernommen. Doch zurück zu den historischen Schriften: „Streng genommen sind die Gemeinden, die in den Urkunden erwähnt werden, deutlich älter – das wissen wir unter anderem aus archäologischen Funden. Es ist aber etwas ganz Besonderes, dass die tatsächliche Existenz dieser fünf Walgau-Gemeinden schon so früh urkundlich belegt ist und diese Urkunden im Original erhalten geblieben sind.“ Mit historischen Vergleichen machte er die Bedeutung dieser Schriften greifbar: „Die erste Namensnennung von Österreich erfolgte erst im Jahr 996, also deutlich später. Auch Amerika wurde erst 1492, also auch wesentlich später, entdeckt.“

Der Walgau – das Drusental

Bereits 2009 wurde die Geschichte des Walgaus in einem Buch „Das Drusental. Der Walgau und das Vorderland im frühen Mittelalter“ für die breite Öffentlichkeit aufgearbeitet. „Wenn wir als Menschen, die heute im Walgau leben und arbeiten, auf unsere Geschichte zurückblicken, dann betrachten wir immer auch ein Stück weit uns selbst.

So stellen die Urkunden des Folcwin nicht nur eine spannende historische Quelle dar. Sie bilden auch eine Quelle unseres Walgauer Selbstbewusstseins und unseres Selbstverständnisses.“ Regionales Identitätsbewusstsein wiederum sei eine hervorragende Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung einer Region. Dass dieses laut Archivar Peter Erhart vom Stiftsarchiv St. Gallen „umfangreichste im Original vorhandene Laienarchiv“ so gut erhalten geblieben ist, liegt „am glücklichen Umstand, dass im richtigen Moment das richtige Kloster zur Aufbewahrung ausgesucht wurde“.

Schurke oder korrekter Beamter?

Detail am Rande: In den 27 Urkunden sind auch immer wieder Frauennamen als Besitzerinnen von Grundstücken genannt. In seinem Festvortrag unterstrich Peter Erhart die Bedeutung der historischen Schriften. Die Aufzeichnungen, die übrigens Weltkulturerbe sind, lassen auch vermuten, dass sich „Schultheiß Folcwin“ durch die Grundgeschäfte großteils selbst bereichert hat.

Interessierte haben übrigens die Gelegenheit, bei drei Führungen am Mittwoch, 25. März, am Freitag, 27. März und am Samstag, 28. März, jeweils nachmittags das Stiftsarchiv St. Gallen kennenzulernen und die Urkunden zu besichtigen. Es werden Busse mit Zustiegsstellen in Bürs, Nüziders, Schlins und Nenzing organisiert. Anmeldungen nimmt der Nenzinger Gemeindearchivar Thomas Gamon (thomas.gamon@nenzing.at) entgegen.

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