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Zigeuner, Schmuggler und Sticker

Dr. Wolfgang Scheffknecht, Mag. Manfred Hagen (vl)
Dr. Wolfgang Scheffknecht, Mag. Manfred Hagen (vl) ©Edith Rhomberg
 In der größten Marktgemeinde Österreichs sind hartnäckige Klischees Teil der Identität geworden. 
Kiwanis-Club Dornbirn

 

Dornbirn/Lustenau. Der Respekt gegenüber der Obrigkeit war wohl nicht sonderlich ausgeprägt. So hatten die Lustenauer früher eine durchaus rebellische Einstellung zur Grenze, die sie mehr oder weniger missachteten. Da war zum Beispiel die Sache mit der „Pressefreiheit“ im Jahr 1848. Irrtümlich oder bewusst: Die Lustenauer legten sie als „Pressfreiheit“ aus und zogen daraus den Schluss, dass man jetzt diejenigen „pressen“ dürfe, die vorher gepresst haben. So verloren die Grenzwächter an Autorität, sie wurden sogar provoziert.

Das und einiges mehr wusste Wolfgang Scheffknecht (geb. 1959), über das umtriebige Völkchen am Rhein zu berichten. Schon sehr früh, als Erstklässler in der Dornbirner Realschule, heute BGD, war der Lustenauer Schüler von den anderen mit besonderer Aufmerksamkeit konfrontiert worden. Anlass dafür waren alte Klischees, denen nicht nur er außerhalb der Heimatgemeinde begegnete. „Ich kann ein Lied davon singen“, sagte Wolfgang Scheffknecht, der in seinen Vortrag beim Kiwanis-Club Dornbirn auch ein paar persönliche Erinnerungen einfließen ließ. Eingeladen hatte den Historiker der diesjährige Clubpräsident Manfred Hagen. „In der Reihe des Lustenau-Schwerpunktes darf auch die Geschichte nicht fehlen“, sagte Hagen bei der Begrüßung. „Es gibt für das Thema keinen auch nur annähernd so kompetenten wie ihn“, stellte er Wolfgang Scheffknecht den Clubmitgliedern vor. Scheffknecht unterrichtet an einem Gymnasium Geschichte und Latein, ist Lehrer an der Pädagogischen Hochschule und seit einigen Monaten an der Uni Innsbruck habilitiert. Seit dem Jahr 1996 ist er Leiter des Historischen Archivs Lustenau.

Lustenau und die Zigeuner

Eines vorweg: Positive oder negative Klischees geben der Bevölkerung viel Spielraum für deren Auslegung. Das erklärt vielleicht, dass sie, wie im Fall der Zigeuner, sogar liebevoll gepflegt und Teil der Identität werden. Die Rhinzigünar Faschingszunft, die „Zigünarli“ als Wurstspezialität einer Metzgerei, der Zigeunersenf des lokalen Produzenten oder die Hundezucht „vom Zigeunerdorf“, zeugen davon.

Der Historiker hingegen erforscht die Fakten und findet heraus, was tatsächlich dahinter steckt. Für vagierende Leute, also nicht Sesshafte, gehörte auch Lustenau zu den Aufenthaltsorten. Die Fahrenden zogen vom Bodenseeraum bis nach Graubünden und folgten bestimmten Wanderrhythmen, geprägt durch Märkte sowie andere Orte und Möglichkeiten, ihre mitgeführten Waren abzusetzen. Scheffknecht informierte über seine Forschungsergebnisse, die ausführlich im Historischen Archiv der Marktgemeinde Lustenau unter „Zigeuner im Reichshof Lustenau“ dokumentiert sind.

Die Lustenauer Sticker

Ab 1750 wurde in Lustenau für Verleger, wie damals die Schweizer Fabrikanten genannt wurden, gewoben und gestickt. Später wuchs die Stickerei bekanntlich zum wichtigsten Wirtschaftszweig der Marktgemeinde, und auch das ist bereits Großteils wieder Geschichte. Der informative und unterhaltsame Vortrag des Historikers über Lustenau erweckte außerdem Interesse für die kommende Ausstellung des Historischen Archivs Lustenau. „Eine Gemeinde im Nationalsozialismus“ wird am 25. Mai in der Galerie Hollenstein eröffnet.

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