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Wirrwarr mit viel Theaterblut…

Die virtuose Christiane von Poelnitz in einer makabren Szene.
Die virtuose Christiane von Poelnitz in einer makabren Szene. ©Burgtheater, Reinhard Werner

Gastspiel des Wiener Burgtheaters mit “Der goldene Drache” von Roland Schimmelpfennig.

Schaan. Eines muss man der umtriebigen und sehr innovativen TAK-Intendantin Barbara Ellenberger ohne Zweifel lassen – sie sorgt mit ihrer Programmwahl auf dem Schauspielsektor sehr oft für fruchtbare Unruhe beim Publikum (der kürzlich aufgeführte “Woyzeck” soll pars pro toto stehen). Nun, vor ein paar Tagen war das immer noch legendäre Wiener Burgtheater für zwei Aufführungen auf der weiträumigen Bühne des neuen Schaaner SAL zu Gast – mit dem neuen Stück des derzeit meistdiskutierten deutschen Dramatikers Roland Schimmelpfennig (geb. 1967 in Göttingen, auch Regisseur, Librettist, Hörspielautor etc., Nestroy-Theaterpreisträger 2002 und 2009).
In 40 Ländern der Welt werden seine meist surrealistischen Textmontagen gespielt. Schimmelpfennig inszenierte seinen mehrfach ausgezeichneten “Goldenen Drachen” (UA 2009 im Wiener Akademietheater) selbst. Dieses jüngste Opus wurde auf der SAL-Bühne zum faszinierenden Fest bedeutender, vielseitiger Burgschauspieler. Der Plot hingegen ist “in filmischer Short-Cut-Dramaturgie mit rasendem Szenen- und permanentem Rollenwechsel für fünf Schauspieler, die 20 Figuren unterschiedlichen Alters und Geschlechts verkörpern” (so der deutsche “Tagesspiegel”), gedanklich kaum nachzuvollziehen.

Zahnweh mit viel Blut

Das Thai-China-Vietnam-Schnellrestaurant “Der goldene Drache” ist irgendwo in Europa. Fünf Asiaten werken in der engen Küche, einer davon ein junger Chinese (ohne Aufenthaltsbewilligung), der das ganze Stück hindurch vor Zahnschmerzen brüllt; seine Kollegen befreien ihn schließlich bei hohem Theaterblutverlust mit Beißzange (ein viel zu oft zelebrierter Gag in banaler Comedy-Manier) vom Zahn, der dann in der Thai-Suppe einer Stewardess landet… Daneben u. a. Miniszenen wie: Ein alter Mann steht auf einem Balkon über dem Lokal und hat einen Wunsch; eine Ameise und eine Grille lieben sich. Diverse Betrunkene (viel zu lange Episoden!) brüllen sich gegenseitig an Eine ungewollt schwangere Frau in der Dachwohnung lamentiert…Eine Chiffre für die alltäglichen Schattenseiten des Lebens? Typische Momentaufnahmen?

Rasantes Bühnentempo

Freilich, Schimmelpfennig bietet in seiner rasanten Collage genug Material, um die tragikomischen Szenensplitter weiterzudenken, doch er lässt dem Zuschauer keine Zeit dazu, und so verpufft sehr viel Doppelbödiges. Erst zum Schluss, als der verblutende Chinese in einem Fluss entsorgt wird (mit berührendem Monolog!), spürt man nach etlichem seichtem Wirrwarr die bislang versteckte Theaterpranke Schimmelpfennigs. Das Quintett hochkarätiger Burgmimen veredelte fast selbstredend den qualitätsmäßig gewiss nicht “goldenen” Drachen: Christiane von Poelnitz als u. a. entfesselt heulender Zahnschmerz-Chinese, Philipp Hauß als u. a. köstliche Grille; Johann Adam Oest (Nestroy-Preisträger), Barbara Petritsch und Falk Rockstroh als präzis gestaltende “Typen”. Die Ausstattung von Johannes Schütz beschränkte sich auf die helle Riesenbühne mit ein paar Requisiten. Wieder einmal gab´s genug Diskussionsstoff für Theaterfans.

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