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Transsexualität - Sommerszene mit Liquid Loft und Jin Xing

"Sich jährlich neu erfinden", das ist ein Leitmotiv der Szene Salzburg. Bei der Eröffnung des Sommerfestivals 2009 am Donnerstagabend ist dieser Anspruch fulminant geglückt.
Der österreichische Choreograph Chris Haring und seine Gruppe Liquid Loft haben zusammen mit dem Jin Xing dance theatre aus China “Lovely liquid lounge”, eine in Modulen konstruierte, dreistündige Performance präsentiert, die durch eine nicht weniger überzeugende und formal gekonnte Videoinstallation von Astrid Endruweit aus Berlin ergänzt wurde: Der rote Themen-Faden am Beginn der Sommerszene: Transsexualität.

Das Republic ist in eine Lounge verwandelt, mit Sofas, Bar und gedämpftem Licht. Die gerade einmal 140 Besucher des Eröffnungsabends im Republic sitzen in tiefen Leder-Fauteuils oder auf Barhockern. Talk ist angesagt. Modedesignerin Lisa D., Kunstprofessor Hans Scheirl oder Performerin Jakob Lena Knebl reden über Identität und Geschlecht. Nahtlos überlappend werden Modells in skurrile Fetzen-Kostüme gepackt, und man ist mitten drin in “Neufundland”. Es ist wie eine Show nach Feierabend, nur die Drinks muss man sich selber holen.

Dann kommt Stephanie Cummings auf die Bühne und gibt ein Solo. “Ah Poetry” heißt das kokette Stück mit rosa Ukulele, schrägen Klanginstallationen und einer Portion abgründigem Blümchensex – poetisch und gnadenlos zugleich.

Davor aber, und das könnte leicht vergessen werden, hat Astrid Endruweit eine Videoinstallation im Gewölbe der benachbarten Kavernen präsentiert. “Gefühl bricht aus” heißt diese Arbeit, und das spürte man wirklich. Urbanes Leben, Gewalt, Sex, Verzweiflung und der dramatische Tod einer Fliege auf sechs Leinwänden – Astrid Endruweit hat mit dieser Form, die technisch so viele Möglichkeiten hat, aber auch so leicht zum Verzetteln ins Abstrakt-Belanglose verführt, eine packende Geschichte erzählt – endlich. “Gefühl bricht aus” ist bis zum Ende der Sommerszene am 18. Juli täglich von 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr im Halbstundentakt zu erleben.

Dann das Zentrum von “Lovely liquid lounge”. “Das China Projekt” heißt die 90-minütige Performance, die Chris Haring zusammen mit Jin Xing in Shanghai entwickelt und gestern Abend uraufgeführt hat. Jin Xing ist – so wie einige andere Performer dieses Abends – eine Frau, die in einem männlichen Körper geboren wurde. Sie war Mitglied der chinesischen Armee und hat später das eigenständige chinesische Bewegungstheater mitentwickelt und geprägt. In “Das China Projekt” wird gemodelt, gelitten, geblödelt, in die Performance aus dem Off hineingeredet, getanzt und gespielt. Und doch gelingt es Haring und Xing, einen formalen Bogen zu spannen und inhaltlich stringent zu erzählen von Unterdrückung der Frauen, Sehnsucht von Männern und der Freude über Körper und Geschlecht. “Mode francaise” von Jakob Lena Klebl, die ihren (nur nach den Maßstäben aktueller Schönheitsideale) hässlichen Körper nackt zur Diskussion stellt ist spätnachts noch das Tüpfelchen auf dem i eines insgesamt sowohl formal wie inhaltlich vielversprechenden Festival-Auftaktes.

(Von Christoph Lindenbauer/APA)

Liquid Loft und Jin Xing dance theatre mit “Lovely liquid lounge”. Uraufführung in der Salzburger Sommerszene. Die “Lounge-Gäste” Astrid Endruweit mit “Gefühl bricht aus” in den Kavernen, sowie “Ah Poetry” im Republic, präsentiert von Stephanie Cummings. Die Sommerszene geht weiter mit südindischer Gesangskunst von Aruna Sairam, heute, Freitag, und der nordindischen Sitar von Shujaat Husain Khan, morgen, Samstag. Der nächste Tanz- und Theater-Performer ist Davis Freeman und sein Random Scream mit “Wo beginnt die Wirklichkeit” am kommenden Sonntag. Szene Salzburg: 0662 / 84 34 48 oder http://www.sommerszene.net.

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