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Mediengipfel Lech: Medienfreiheit in Ungarn in kritischer Lage

Mediengipfel wurde am Donnerstag in Lech eröffnet.
Mediengipfel wurde am Donnerstag in Lech eröffnet. ©VOL.at/Paulitsch
Lech - Eine höchst kritische Zwischenbilanz des Umgangs der ungarischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban mit der Medienfreiheit im Lande wurde am Freitag beim diesjährigen "Mediengipfel am Arlberg" in Lech gezogen.
Europa als gewichtige Thematik
Eröffnung des Mediengipfels in Lech

Beim öffentlich-rechtlichen Radio und TV würden renommierte und mit Preisen dekorierte Journalisten, die der Partei Orbans unbequem geworden seien, oft ohne Angaben von Gründen oder unter dem Vorwand notwendiger wirtschaftlicher Einsparungen abgebaut, so der Tenor der Diskussion, an der Journalisten und Medien-Experten teilnahmen. Das Problem dabei sei nicht nur die neue ungarische Medienbehörde, sondern das gesamte verfassungsrechtliche und juristische Umfeld, mit dem es gefeuerte Journalisten und Journalistinnen zu tun bekämen.Die Gesetzeslage in Ungarn führe beispielsweise “zu der zynischen Situation”, dass Journalisten, die sich gegen derartige Maßnahmen zur Wehr setzten und die vor Gericht politische Gründe für ihre Kündigung angeben, dann der Illoyalität bezichtigt würden. Und das wiederum sei ein anerkannter Kündigungsgrund, merkte der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Michael Frank, an.

Hoffnung auf Internetgeneration

Der frühere Auslandschef des staatlichen Fernsehens, Laszlo Benda, schilderte seine eigene Zwangspensionierung. Er sei ohne Vorwarnung aufgefordert worden, ein entsprechendes Papier zu unterschreiben. Es wurden ihm keine Gründe genannt. Es sei ihm nicht einmal gesagt worden, wer genau die Entscheidung getroffen habe. Das Dokument habe er nicht einmal zur Prüfung mitnehmen können. Sein Schicksal sei aber kein Einzelfall. Man habe sich vieler erfahrener Journalisten entledigt, die sich nicht steuern und manipulieren ließen.

Unter der Leitung der Generalsekretärin des Presseclub Concordia, Astrid Zimmermann, diskutierten neben Benda und Frank der ungarische Politikwissenschaftler Zoltan Kiszelly, der Wiener NZZ-Korrespondent Charles Ritterband sowie “Falter”-Redakteur Joseph Gepp. Gepp setzt Hoffnungen auf die bloggende Internetgeneration in Ungarn, die sich der Gleichschaltung der Medien entziehe.

Krise der Europäischen Institutionen

Bei der Eröffnung des Medientreffens hatte sich der Schriftsteller Robert Menasse Donnerstagabend als “Fan der gegenwärtigen Krise der Europäischen Union” geoutet. Hinter der derzeitigen Schuldenkrise stecke letztlich eine Krise der Europäischen Institutionen. Die Krise berge jedoch die Chance, diese Systemkrise zu überwinden, sagte Menasse in seinem Eröffnungsprolog unter dem Titel “Grüße aus Auschwitz”.

Europa gründe sich auf der Erkenntnis, dass es die Grauen von Auschwitz nie wieder geben dürfe. In Auschwitz sei “der Wahnsinn des Nationalismus in verbrecherischer Weise kulminiert”. Die Zielsetzung der Europäischen Integration bestehe in dem Motto “Nie wieder”. Deshalb führe eine der ersten Reisen jedes neuen EU-Kommissionspräsidenten in die Gedenkstätte des ehemaligen NS-Vernichtungslagers.

Er weigere sich, führte Menasse aus, von einer Finanzkrise zu sprechen, die “aktuelle Bredouille der EU” sei eine politische Krise und letztlich eine Krise der Institutionen. Insbesondere der Europäische Rat erweise sich auf dem Weg zum vereinten Europa als “kontraproduktive Institution”, weil die Staats- und Regierungschefs nur nationalstaatliche Interessen verfolgten.

Menasse: “Man müsste allen, die heute das Europäische Projekt blockieren, die sogar versuchen, uns auf dem eingeschlagenen Weg zurückzudrängen, Ansichtskarten aus Auschwitz schicken, um ihnen vor Augen zu führen, was eine nationalistische Geisteshaltung schon einmal angerichtet hat.”

Gemeinsames Europa und seine Irrtümer

Nach dem Prolog diskutierten Menasse, die Grüne EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger, der Direktor des Aspen Institute Deutschland, Charles King Mallory, der Reuters-Korrespondent in Berlin, Erik Kirschbaum, NZZ-Chefredakteur Markus Spillmann, Zeit-Österreich-Chef Joachim Riedl und der Philosoph Konrad Paul Liessmann unter der Leitung von “Standard”-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid über das Thema “das gemeinsame Europa und seine Irrtümer”.

In der Debatte ging es um die Standortbestimmung Europas im Spannungsbogen zwischen Nationalstaaten und Vereinigten Staaten. Liessmann nahm einen Gedanken von Menasse auf und brachte Europa schließlich so auf den Punkt: “Die EU oszilliert zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht”. Europa habe große Fortschritte gegenüber der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht. Europa sei aber noch nicht dort angekommen, wo es die Visionäre der Integration gerne sehen würden. Und Mallory merkte an: Europa sei ein Staatengebilde sui generis. Man müsse die EU aus ihrer Geschichte verstehen. Mit ähnlichen Gebilden lasse sie sich schwer vergleichen.

Hoffnung setzte die Diskussionsrunde in die heutige Erasmus-Generation, die Generation jener Studierenden, die mit Hilfe des EU-Austauschprogramms im Ausland studieren. Sie könnten nationales Denken überwinden; für sie sei es selbstverständlich, sich grenzüberschreitend auszutauschen und transnational zu agieren.

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