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Können wir Israel verstehen?

Ben Segenreich sprach vor den Lustenauer Schülern über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Staates Israel.
Ben Segenreich sprach vor den Lustenauer Schülern über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Staates Israel. ©Laurence Feider
Buchautor und ORF-Korrespondent Ben Segenreich war zu Besuch an der HAK Lustenau.
Ben Segenreich an der HAK Lustenau

Lustenau. „Israel kann man nicht in zwei Stunden verstehen. Stellt man eine Frage, wirft sie gleich fünf weitere Fragen auf“, meinte Ben Segenreich gleich zu Beginn. Dass er damit Recht behalten sollte, zeigte sich im Laufe des Vortrags mit anschließender Diskussionsrunde. Dennoch schaffte es der Buchautor und Israel-Korrespondent einen Einblick in den israelischen Alltag zu geben und möglichst treffende Antworten auf die vielen Fragen der Lustenauer Schüler zu finden.

Land voller Gegensätze

Ben Segenreich war auf Einladung der Buchhandlung Bücherwurm zu Gast an der HAK Lustenau. Neben den Handelsschülern waren auch Schüler des Bundesgymnasiums Lustenau gekommen, um den Ausführungen des gebürtigen Wieners zu lauschen. Ben Segenreich, der seit 35 Jahren in Israel lebt, blickte in einem kurzen Impulsreferat zurück auf die Entstehung des Staates Israel und präsentierte seine wichtigsten Eckdaten. Die gegenwärtige Situation bezeichnete Segenreich als so gut wie nie zuvor. Militärexperten sprechen von einer stabilen Sicherheitslage, die Arbeitslosigkeit ist sehr gering und beim „World Happiness Report“ der UNO liegt Israel im Spitzenfeld, noch knapp vor Österreich. „Israel hat sich zu einer Konsumgesellschaft westlichen Zuschnitts entwickelt. Dennoch bleibt da dieses ambivalente Gefühl der Israelis, die selber nie so genau wissen, wie es ihnen geht. Sind sie als Minderheit wirklich die stärkere Macht im Konflikt mit den Palästinensern?“, meinte Ben Segenreich. Gleichzeitig kritisierte er das von den Medien gezeichnete Bild Israels, das sich auf den Palästina-Konflikt reduziere: „Die Medien zeigen nur das Abnormale und vermitteln damit ein falsches Bild. Es ist nicht so, dass einem die Kugeln um die Ohren fliegen, sobald man in Israel aus dem Flieger steigt.“ Mit diesen Vorurteilen räumt Ben Segenreich auch in seinem Buch „Fast ganz normal – unser Leben in Israel“ auf, das er gemeinsam mit seiner Frau Daniela Segenreich geschrieben hat.

Keine Lösung in Sicht

Die Fragen der Schüler drehten sich einerseits um dieses normale Leben aber auch um politische Fragen wie die Feindschaft mit dem Iran, Anti-Terror-Maßnahmen, die Sicherheitsbarriere zum Westjordanland und die Taktik der gezielten Tötungen. Zum Palästinenser-Konflikt meinte Segenreich: „Meiner Abschätzung nach kann es in naher Zukunft keine Lösung für dieses Problem geben. In der Theorie wäre ich auch für eine von vielen befürwortete Zwei-Staaten-Lösung, halte sie aber gleichzeitig nicht für möglich. Das, was jetzt ist, nämlich keine Lösung, ist das Zweitbeste.“ Man müsse die Erwartungen herunterschrauben um aus einer beruhigten Situation heraus eine politische Lösung zu finden. „Man sollte diesen Konflikt aber auch auf die richtige Dimension heruntersetzen – es ist nicht der zentrale Konflikt auf der Welt.“

Alltag in Israel

Ben Segenreich sprach weiter über die Bedeutung der Shoah im heutigen Israel, die Minderheit der streng religiösen Juden, den Wehrdienst, aber genauso über die Erziehung seiner Töchter und den Gewinn des Europäischen Songcontests. Auf die Frage, ob er sich eher als israelischer Europäer oder europäischer Israeli sehe, meinte er: „Diese Frage kann man jedem stellen, der Migrant ist. Ist mein Zuhause dort, wo mein Bett und meine Bücher sind? Durch meine Familie, bin ich stark mit Wien verbunden. Auch wird Deutsch immer meine Muttersprache bleiben, obwohl ich gut Hebräisch spreche.“

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