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Heimat ist ein Raum aus Zeit - Kritik und Trailer zum Film

Regisseur Thomas Heise hat sich für seinen Film auf die Spuren seiner zerrissenen Familie vom 19. bis ins 20. Jahrhundert hinweggemacht. Es geht um Verluste, Vertreibung, Desorientierung in den Wirren der Welt.

Ein Filmemacher, der aus dem Off zu scheinbar arbiträren Schwarz-Weiß-Aufnahmen über dreidreiviertel Stunden persönliche Dokumente aus dem Privatbestand seiner Familie rezitiert, könnte die Hölle für Zuschauer sein. Ist es im Falle von Thomas Heises "Heimat ist ein Raum aus Zeit" aber nicht - zumindest nicht für die ersten zwei Stunden. Am Freitag läuft das Werk im Kino an.

Heimat ist ein Raum aus Zeit - Kurzinhalt zum Film

Beginnend bei der vorvorigen Jahrhundertwende, zeichnet Heise in dieser deutsch-österreichischen Koproduktion eine Geschichte seiner Familie über vier Generationen nach. Dafür verquickt er Briefe und Fotografien, Aufsätze und Tagebucheinträge, Stasiberichte wie Deportationslisten miteinander.

Die Erzählung geht vom Großvater aus, dessen Antikriegsschulaufsatz den Auftakt darstellt, während die Kamera Fotografien des ernst dreinblickenden jungen Mannes abfährt. Auf die Zwischenkriegszeit, in der man als Lehrer 80 Mrd. Reichsmark pro Stunde am Höhepunkt der Hyperinflation verdiente, folgen die teils verzweifelten Briefe der jüdischen Verwandten aus Wien während der sich zuspitzenden Verfolgung. Diese werden untermalt von den schier unendlichen Deportationslisten.

Zugleich sind die Schwarz-Weiß-Bilder, mit denen Heise seine Stimme unterlegt, selten so eindeutig in einen Konnex zu bringen. Durch die Originaldokumente rattert das Kopfkino, dem die Bilder mal gegenläufig, mal im Paartanz begegnen, oftmals in eine dezidierte Bild- und Tonschere gehen. Ein Brief über einen Tirolaufenthalt wird mit Bildern einer Hüttengaudi im Heute untermalt, der Brief der künftigen Schwiegereltern aus Wien an den Geliebten in Berlin mit einem Liebespaar am U-Bahnhof, und wenn Edith Heise, geborene Hirschhorn, von ihrer Jugend in Wien erzählt, fährt man mit einer regennass undurchsichtigen Tram durch Hernals.

Züge sind für den Filmemacher Heise überhaupt eine zentrale Bildmetapher, die sich auch im Soundtrack in oftmals wahrnehmbaren Rattern bemerkbar macht. Die Trams und Ausflugszüge werden zu Deportationsmitteln und später zum Gütertransport mit westlichen Luxusartikeln wie Geländewagen, nachdem die DDR kollabiert ist.

Heimat ist ein Raum aus Zeit - Die Kritik

Diese sehr eigenständige und auch etwas eigenartige Art der Erzählung funktioniert über lange Zeit und entfaltet für die, die sich darauf einlassen, eine eigene Poesie. Es entsteht ein deutsch-österreichisches Geschichtspanorama, eine Geschichte von unten, die Oral History erlebbar macht - bis zum Ende des Krieges. Markanterweise versagt der 64-Jährige just in der Zeit, die er selbst miterlebt hat. Die Nachkriegspassagen über das Leben in der DDR fallen filmisch gegen das zuvor Gezeigte radikal ab, werden banal, langatmig. Dieser Raum aus Zeit hätte 1945 enden sollen.

Alle Spielzeiten auf einen Blick

(APA/Red)

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