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Eine Art Jugend-Kompass

Bregenz (VN) -  Irgendwie geriet hier alles jung. Es mag an den orangefarbenen Schalensesseln liegen und an den Schriftzügen der Wände. Unzählige bunte Prospekte preisen Auslandsaufenthalte für junge Leute mit kleinen Brieftaschen an, und all das übertitelt die Zahl „360“.

Es gibt den 360-Kalender, den 360-Tipp und 360 Ermäßigungen. Das Bregenzer Reich der Vorarlberger Jugendkarte „threesixty“ ist bunt und Andrea Fercher ist seit sechs Jahren hier zu Hause.

Noch immer Ferialjobs offen

Sie berät Jugendliche. Und manchmal auch Eltern. Die Wünsche, die in den Tagen nach Schulschluss an sie herangetragen werden, kann Andrea mit wenig Fantasie aus der Erfahrung erahnen. Da wären zunächst einmal die Jugendlichen, die noch immer keinen Ferialjob ergattert haben. Aber keimt da nicht jede Hoffnung vergebens? „Gar nicht“, kontert Andrea Fercher, „ ich hab grad gestern sieben Jobs freigeschaltet.“ Noch immer suchen Firmen Ferialkräfte. „Das mag daran liegen, dass Jugendliche zwei- und dreigleisig fahren.“ Haben sich bei mehreren Stellen beworben und sich im letzten Augenblick für eine entschieden. So werden die anderen wieder frei. Zahlreiche Jugendliche sind, sagen wir’s nett, ziemlich flexibel.

Einfachste Handreichungen

Manche suchen auch eine Lehrstelle. „Wir bekommen in letzter Zeit immer mehr mit dem Thema Arbeit zu tun“, hat Andrea Fercher wahrgenommen. Klar, das Jugendinformationszentrum „aha“ betreibt auch eine Lehrstellenbörse. Aber das allein zieht die Jugendlichen nicht an. Oft kommen denen die nächstliegenden Lösungen gar nicht in den Sinn. „Frag doch mal im Verwandtenkreis“, sag ich dann und ernte ein erstauntes: „Was, echt?“ Bewerbungsmuster liegen in Andreas Schublade. Wenn’s gar nicht klappt, „setzen wir uns mit den Jugendlichen zusammen“. Allerdings, schränkt Andrea ein, „schreiben wir ihnen die Bewerbung nicht“. Das müssen sie schon selber tun.

Wie bring ich den Sommer rum?

Wenn Eltern dieser Tage ins „aha“ kommen, tragen sie meist sorgenvolle Gesichtszüge zur Schau und stöhnen: „Mein Gott, mein Kind hat zwei Monate Ferien. Was soll ich nur mit ihm anfangen?“ Dann kramt Andrea Fercher, die eigentlich Werbefachfrau ist, aus einer Unzahl von Möglichkeiten Vorschläge heraus: Diätferien gäbe es da und Sprachcamps, kreative Wochen und Ferienheime . . . Es gibt nichts, was es nicht gibt. Sommer-Au-Pair zum Beispiel. „Da muss man nicht ein ganzes Jahr lang in die USA gehen.“ Oder die Workcamps. Bei solchen kurzfristigen Einsätzen können Jugendliche ein paar Tage oder mehrere Wochen lang im Ausland Erfahrungen sammeln. Bei der Renovierung von Schlössern zum Beispiel oder in der Forstwirtschaft. Der europäische Freiwilligendienst eröffnet Optionen in der ganzen EU. Richtig neidig könnte man werden. Aber man ist eben selber keine 16 mehr. Andrea ist das auch nicht. Mit 33 Jahren kratzt sie bereits am Image der Berufsjugendlichen. „Tja“, lacht sie, „das bin ich doch längst.“

Oft würde sie Jugendliche gern fragen: „Na, wie siehst du mich? Aber das lässt sie dann. Das biologische Alter spielt in der Jugendarbeit ohnedies eine kleinere Rolle, als man glauben möchte. „Man muss den Jugendlichen nur mit Empathie begegnen“, weiß Andrea Fercher, „und auf keinen Fall oberlehrerhaft.“ Sie selber erhält sich ihre geistige Weite durch Reisen. Hat vor der Übersiedlung aus Wien nach Bregenz zwei Monate Auszeit in Indien verbracht. Kommt eben von Sardinien zurück und war davor in Nepal. Chile steht heuer noch auf dem Programm. Immer mit Rucksack. Sich in andere Kulturen einlassend, vorbehaltlos. Andreas 24-jähriger Kollege Tugrul lacht hinter dem Bildschirm hervor und Andrea Fercher lacht zurück. Nein, Jugendarbeit ist keine Frage des Alters, aber der Offenheit und Neugier.

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