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Zwischen Land und Meer

Gezeiten prägen den Lebensrhythmus in der Provinz Friaul-Julisch-Venetien in Italien
Gezeiten prägen den Lebensrhythmus in der Provinz Friaul-Julisch-Venetien in Italien ©VN/D.Castor
Die Lagunen von Lignano, Marano und Grado sind eine Welt für sich. Fast 400 Vogelarten halten sich in diesem Paradies auf.
Friaul-Julisch-Venetien

Wasserflächen glitzern, Gräser wiegen sich vor grünen Inseln im Wind. Dazu die Wasservögel und die Camarguepferde, die Lagunen von Lignano, Marano und Grado sind eine Welt für sich. Wind und Gezeiten prägen den Lebensrhythmus in der Provinz Friaul-Julisch-Venetien in Italien. Klein-Florida hat Ernest Hemingway, der vor 50 Jahren zur Entenjagd in der Gegend weilte, die Halbinsel Lignano einmal genannt.

Endlos lange Sandstrände

Der Badeort ist der bedeutendste an der Adria. Seine schier endlos langen goldgelben Sandstrände sind berühmt. Inzwischen hat Lignano tatsächlich etwas Amerikanisches. Vom Meer aus dominieren Hochhauszähne den Strand und die dunkelgrünen Pinetas.

Rosano wartet im Hafen mit seiner kleinen Barkasse. Er wird uns in die Naturschutzgebiete Valle Canal Novo und in die Flussmündungen von Stella und Isonzo schippern. Sobald er in die Mündung der Stella einbiegt, wird es ländlich. Niedrige Hausdächer schauen über die mit Schilf bewachsenen Ufer. Angler warten geduldig auf das Anbeißen der Fische. In dieser Mischung aus Salz- und Süßwasser tummeln sich jede Menge Meeräschen, Goldbrassen, Barsche und Aale, aber auch Muscheln und Krabben.

Das Wasser der Stella ist sehr sauber, denn der Fluss, der im Landesinnern seine Quelle hat, fließt fast 30 Kilometer unterirdisch und wird von keiner Industrie an seinen Ufern verschmutzt. Hier muss Rosano sehr langsam fahren, es gibt wegen der gefährdeten Uferböschungen Geschwindigkeitskontrollen. Außerdem erfordert die Fahrrinne viel Aufmerksamkeit, weil der Wasserstand durch die Gezeiten der Adria einen Höhenunterschied bis zu einem Meter hat.

300 von 2000 sind Fischer

Eines der Schilder weist zur Ortschaft Marano Lagunare. Schon von Weitem ist der Turm der Kirche San Martino zu sehen. Glauco Vicario, Vertreter des nahen Naturreservats, erwartet uns auf der Piazza. „Von den 2000 Einwohnern sind 300 Fischer“, berichtet er, „der Name kommt wahrscheinlich von einer Familie Mario. Der 2000 Jahre alte Ort war immer eng mit Venedig verbunden. Er hat sogar einen eigenen Dialekt, der sich vom friulanischen unterscheidet.“

Dann geleitet Glauco uns zu Fuß zum nahen Lagunen-Besuchszentrum Valle Canal Novo, das auf einer Insel bei Marano innerhalb eines alten Brackwasserteiches eingerichtet wurde. Eine große Schar Graugänse tummelt sich im Wasser vor den „casoni“. In diese landestypischen reetgedeckten Hütten, den Schutzhütten der Fischer in den Lagunen nachempfunden, informieren Bilder und Aquarien über die Lebewesen im, auf und über dem Wasser. Ein Holzsteg führt durch das Röhricht zu einer Ansitzhütte für die Vogelbeobachtung, ohne dass die Tiere gestört werden.

Nun gibt Rosano Gas und prescht statt durch die Lagunenwelt übers Meer weiter nach Grado. Dort lohnt sich wegen der Altstadt ein Zwischenstopp. Auf den frühchristlichen großflächigen Mosaikböden der Basilika Santa Maria dell’Assunta sind Fischer beim Fang und jegliches Meeresgetier festgehalten. Kein Wunder also, dass die Ausgrabungsstätten von Aquileia zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurden.

Ein Paradies für Zugvögel

Nach dem Landausflug freut sich Rosano, dass wir wieder auf seinem Schiffchen Platz nehmen. Er fährt uns in das Naturschutzgebiet der Isonzomündung, das sich 2400 Hektar groß an den letzten 15 Kilometern des Isonzo hinzieht. Dieses nördlichste Feuchtgebiet des Mittelmeers ist Rast- und Überwinterungsplatz für viele Zugvögel. Einige haben sich auf dem Rücken von grasenden Camargue-Pferden niedergelassen. Kühe weiden auch am Ufer. Außerdem gibt es hier eine große Zahl von Pflanzenarten, die sowohl typisch für Süßwasser als auch für Brack- oder Salzwasser sind. Dann geht es Richtung Triest. Die Lagunenlandschaft verschwindet im Dunst. Stattdessen tauchen die weißen Klippen von Duino auf. Das Naturschutzgebiet liegt auf einem engen Landstreifen zwischen dem Meer und den dahinter liegenden Karsthöhen.

Das weiße Schloss Miramare

Rosano lässt uns beim Schloss Miramare an Land, das wie ein weißes Schiff auf der Felsterrasse sitzt. Er verabschiedet sich dann mit einem freundlichen: „Mandi, amici!“. Vom kleinen Hafen schreiten wir auf den Spuren von Kaiserin Sisi, die einst beim Schwager Erzherzog Maximilian und seiner Frau Carlotta zu Gast war, in die vielbesuchte Anlage im Stil einer mittelalterlichen Burg. Im Volksmund heißt es: Wer im Schloss schläft, stirbt im Ausland – das traf auch ein. Es hat, wie die Geschichte zeigte, seinen Bewohnern trotz allem Prunk kein Glück gebracht.

 

Vom Habsburgerhafen bis zu James Joyce

Ein Besuch von Triest ist, als ob man ein großes Buch über Architektur durchblättert: vom Amphitheater aus der Römerzeit bis zu den Palastbauten des Klassizismus, des Jugendstils und des Eklektizismus. Triest war zur Zeit der Habsburger bedeutender Handelshafen der Kaiserstadt Wien. Hier dringt das Meer bis zur Stadtmitte vor. Inzwischen kommen wieder große transatlantische Luxusliner in die Bucht, die fast alle Wassersportarten erlaubt, auch internationale Segelsportler trainieren hier.

Das Wohnzimmer von Triest ist die Piazza dell’Unità, die sich mit ihren prunkvollen Palästen weit zum Meer öffnet. Große Schriftsteller haben sich inspirieren lassen. Die Bronzestatue des Engländers James Joyce steht am Canal Grande, der allerdings bei Weitem nicht so groß ist wie der gleichnamige in Venedig. Von hier aus lassen sich all die Orte aufsuchen, die ihn zu seinem berühmtesten Werk Ulysses inspiriert haben: die Piazza Verdi und ihr Theater, die historischen Cafés wie die Konditorei Pirona, deren treuer Kunde er war, und die Apotheke, die noch fast genauso aussieht wie vor hundert Jahren, als er dichtete: Den ganzen Tag höre ich das Rauschen des Wassers . . .

 

Cividale gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe

Seit Juni 2011 ist auch Cividale in Friaul–Julisch Venetien wegen seiner Schätze aus der Langobardenzeit zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die kleine Stadt oberhalb des Flusses Natisone war der östlichste Vorposten der italienischen Gebiete und damit die erste Stadt, die dem Vorstoß der Langobarden nachgab. Von 568–774 n. Chr, war sie Hauptstadt ihres Herzogtums, von wo aus sie ganz Norditalien, die Toskana und die Apenninen Mittel- und Süditaliens eroberten. Zu den architektonischen Juwelen, die die Langobarden in Italien hinterließen, gehören in Cividale der Tempietto im Kloster Santa Maria delle Valle, der Altar, den Herzog Ratchis anfertigen ließ, und die Taufkapelle des Patriarchen Callisto im sehenswerten Museo Christiano am Dom.

 

REISEINFOS

Anreise: Jeden Samstag von Mai bis Ende September ab Karlsruhe, Pforzheim, Stuttgart, Ulm, München und auf Anfrage an weiteren Haltestellen Busfahrten nach Grado. Ab April von Wien mit einem direkten Bus nach Grado mit einer einzigen weiteren Haltestelle in Graz.
Allgemeine Informationen: Turismo Friuli Venezia Giulia, Piazza Manin, 10 loc. Passiriano, 33033 Codroipo (Du) Italy, Tel. +39 0432 815111, E-Mail: info@turismo.fvg.it, Internet www.turismofvg.it; Info-Telefon: +39 0432 734100.
Marano: Das Besuchszentrum des Riserva Valle Canal Novo ist von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Gruppen können nach Reservierung auch an anderen Tagen kommen.
Auskünfte: Commune di Marano, Ufficio Oasi e Centro visite, Piazza Vittorio Emanuele II, 9-I 333050 Marano Luganare (UD) Tel. +39 431 67551.

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