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Warten auf Putins Antwort

Nach Hubschrauber-Katastrophe wartet Russland auf Putins Antwort. Medien: Schwerer Schlag für Ansehen des Präsidenten. Diskussion über Zustände in der Armee.

Der August ist ein blutiger Monat für Russlands Streitkräfte. Vor zwei Jahren riss das hochmoderne Atom-U-Boot „Kursk“ alle 118 Mann Besatzung nach einer Explosion an Bord in den Tod. Nun starben mehr als 100 russische Soldaten bei dem Absturz eines Transport-Hubschraubers in Tschetschenien. Die Katastrophe sei ein schwerer Schlag für das Ansehen von Präsident Wladimir Putin, kommentierten russische Medien am Dienstag.

Vor mehr als zwei Jahren war der politische Aufsteiger mit dem Versprechen zum Staatspräsidenten gewählt worden, in Tschetschenien endlich für Ordnung zu sorgen. „Wir werden die Terroristen selbst auf dem Klo kalt machen“, kündigte Putin damals mit großen Worten an. Ebenso große Taten und Erfolge blieben seitdem aus, und von einem Frieden ist die Kaukasus-Republik weit entfernt.

Zunächst blieb unklar, weshalb der stärkste Transporthubschrauber der Welt abstürzte und unglücklicherweise auf ein Minenfeld fiel. Aber jede der unterschiedlichen Versionen bedeutet ein Fiasko für die Streitkräfte. In ersten Reaktionen erklärten russische Militärs, die MI-26 sei von einer tragbaren tschetschenischen Rakete getroffen worden.

Der Hubschrauber stürzte nicht in den unübersichtlichen Kaukasus- Bergen, sondern über dem tschetschenischen Flachland ab. Wenn die russische Armee selbst unmittelbar neben dem Hauptquartier Chankala ihre Transporte nicht schützen kann, scheint sie an keinem Ort im Krisengebiet sicher zu sein.

Möglicherweise drängten aber vor dem Start im Hinterland- Stützpunkt Mosdok so viele Soldaten mit Gepäck und Lasten an Bord, dass es selbst für den Großraum-Hubschrauber zu viel war. Auch in der zivilen Luftfahrt kommt es in Russland immer wieder vor, dass zu viele Passagiere an Bord genommen oder Frachträume überladen werden. „Wenn Übergewicht die Katastrophe ausgelöst hat, dann bedeutet das, dass in der Armee Chaos und Anarchie herrschen“, kommentierte die Internet-Zeitung „gazeta.ru“.

Die Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“ sah dagegen den maroden Zustand der russischen Armee-Hubschrauber als Ursache der Katastrophe. „Die Minister klagen, sie hätten kein Geld. Und die schrottreifen Hubschrauber stürzen weiter ab“, schrieb das Blatt. Nach einer Studie des Verteidigungsministeriums ist nur noch jeder dritte Helikopter der Streitkräfte einsatzbereit.

Auch wenn es seit Monaten keine offenen Gefechte mehr zwischen Armee und Rebellen gegeben hat, herrscht in Tschetschenien weiter Krieg. Wie Partisanen greifen die Freischärler aus Hinterhalten an, sprengen Truppentransporte in die Luft und überfallen selbst in der Hauptstadt Grosny immer wieder Patrouillen. Brutale „Säuberungsaktionen“ der russischen Armee gegen mutmaßliche Rebellen treffen vor allem die Zivilbevölkerung.

Das russische Staatsfernsehen zeigt seinen Zuschauern nicht das Tschetschenien, wie es ist, sondern wie es sein sollte. Kriegsruinen werden zu Schulen, tschetschenische Bauern fahren Rekordernten ein und Flüchtlinge kehren in ihre wieder aufgebauten Häuser zurück. Mit dem Alltag in Tschetschenien hat das nach Ansicht von Beobachtern aber nur wenig zu tun.

Vor zwei Jahren musste Putin schwerste Kritik über sich ergehen lassen, weil er nach dem „Kursk“-Unglück nicht gleich seinen Sommerurlaub abbrach und in die Barentssee flog. Dieses Mal reagierte Putin sofort und befahl gleich nach dem Absturz eine gründliche Aufklärung. Wie es mit Russland und Tschetschenien überhaupt weitergehen soll, hat Putin vorerst nicht gesagt. Erneut wartet Russland im August auf eine richtungweisende Antwort seines Präsidenten.

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