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Vor 20 Jahren sank die "Rainbow Warrior"

Die Inszenierung des Anschlags war filmreif und dilettantisch zugleich: Zwei französische Agenten reisen mit falschen Schweizer Pässen als "Ehepaar Turenge" in Neuseeland ein.

Die Agenten bringen nach wochenlanger Vorbereitung unentdeckt Sprengstoff am Rumpf des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“ an, lassen sich aber kurz darauf nach einem kapitalen Anfängerfehler schnappen: Bei der Rückgabe ihres Mietwagens fliegt ihre Identität auf, die neuseeländische Polizei nimmt die französischen Agenten Alain Maffart und Dominique Prieur fest.

So begann vor zwei Jahrzehnten am anderen Ende der Welt die größte Staatskrise der fünften französischen Republik. Als 17.000 Kilometer entfernt von Paris am 10. Juli 1985 im Hafen von Auckland das Flaggschiff der Umweltschutzorganisation Greenpeace untergeht und ein Mann dabei stirbt, ist das den meisten Zeitungen zunächst nur eine kleine Meldung wert. Denn noch ahnt niemand, dass der französische Geheimdienst hinter dem Anschlag auf die „Rainbow Warrior“ steckt.

Die „Rainbow Warrior“ befand sich auf Mission in den Gewässern Neuseelands. Dort sollte es die französischen Atomtests auf dem 4000 Kilometer entfernten Mururoa-Atoll verhindern. Seit 1966 experimentierten die Franzosen auf Mururoa mit Nuklearwaffen. 1975 wurden die Versuche auf Druck der Öffentlichkeit zwar unter die Wasseroberfläche verlegt, doch Umweltschützern und Anrainern ging der französische Export-Militarismus gewaltig gegen den Strich.

Dass Umweltschutz-Gegner zuweilen zu drastischen Maßnahmen greifen, war schon damals bekannt. Einige Wochen nach dem Anschlag aber steht plötzlich die Pariser Regierung unter Erklärungszwang. Niemand zweifelt mehr daran, dass der Auslandsgeheimdienst hinter der Sprengung steckt, die Frage ist nun, wer den Befehl dazu gegeben hat.

Die Opposition in Paris spricht von „Staatsterrorismus“, Staatspräsident Francois Mitterrand leugnet, von der Sache gewusst zu haben. Doch schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen Verteidigungsminister zu opfern. Charles Hernu tritt zurück, der Präsident nimmt von den Atomtests Abstand, die Wogen glätten sich.

1995, zehn Jahre später, wird Jacques Chirac Nachfolger von Mitterrand. Eine seiner ersten Amtshandlungen besteht darin, die von Mitterrand nach dem Debakel auf Mururoa eingestellten Tests wieder aufzunehmen. Die Umweltschützer sind ebenfalls den 80er Jahren treu geblieben: „Einen Regenbogen könnt ihr nicht versenken“ lautet ihr Protestmotto, das neue Flaggschiff heißt „Rainbow-Warrior 2“. Und fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Attentat verschaffen sich erneut französische Beamte Zutritt zu dem Greenpeace-Schiff bei Neuseeland.

Die Welt jedoch ist nicht mehr die gleiche. Den Ostblock gibt es nicht mehr, die französischen Atomtests werden von den meisten als „anachronistisch“ angesehen. Kirchen, Politiker und Gewerkschaften in der ganzen Welt stehen auf Seiten der die Umweltschützer. Ein halbes Jahr später beugt sich Chirac dem Druck und stellt die Atomtests ein.

Derzeit kreuzt die „Rainbow Warrior 2“ wieder vor der Küste Neuseelands. Sie will an den Gedenkveranstaltungen zum 20. Jahrestag des Anschlages teilnehmen. Greenpeace protestiert längst nicht mehr gegen Atomtests, die Umweltschützer kämpfen inzwischen vor allem gegen die Erwärmung des Klimas. Und damit liegen sie diesmal auf einer Wellenlänge mit Chirac.

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