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"VN"-Interview mit Hildegard Breiner

"VN"-Interview: Hildegard Breiner wünscht sich mehr Bewusstsein jedes Einzelnen.

VN: Frau Breiner, im Jahr 1978 wurde die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf durch eine knappe Mehrheit in einer Volksabstimmung verhindert. Das Zünglein an der Waage waren damals die 84 Prozent Gegenstimmen aus Vorarlberg – wie konnte man die Vorarlberger damals zu dieser Entscheidung mobilisieren?

Breiner: Es gab damals schon eine sehr rege Gegenbewegung in Feldkirch und auch in Meiningen. In Vorarlberg hatte man sich ja schon einige Jahre vorher auf den Widerstand eingestellt – durch die berühmte Fußacher Schiffstaufe und das geplante AKW Rüthi in der Schweiz. Hierzulande sicher einzigartig war das Engagement der Presse, vor allem eben auch der „VN“. Das sage ich jetzt, ohne mich einschmeicheln zu wollen: Der damalige Chefredakteur Franz Ortner hat einfach den Grundstein für diese Gegenbewegung gelegt.

VN: Wie sind Sie selbst zur Anti-Atom-Aktivistin geworden?

Breiner: (lacht) Zuerst eigentlich als gute Ehefrau! Mein Mann war Maschinen­ingenieur und hat einfach sehr früh durchschaut, was für eine tödliche und menschenverachtende Technik das ist. Ich hab halt mitgemacht, wie das früher eben üblich war. Wir sind dann gemeinsam in dieses Thema hineingewachsen, haben uns kundig gemacht, viele Informationen gesammelt. Als mein Mann vor knapp zehn Jahren gestorben ist, waren wir so weit, dass ich das Engagement alleine weitertragen konnte.

VN: „Das wichtigste Nein unseres Lebens“ lautete die Parole bei der Zwentendorf-Volksabstimmung. Sehen Sie das heute auch so?

Breiner: Sehen Sie, das wusste ich gar nicht. Aber das ist sehr treffend. Ja, ich sehe das heute so. Wir waren ja immer als Nein-Sager verschrieen. Obwohl man als Atomkraftgegner immer eher Trendsetter war. Und wir haben uns dann auch sehr gewandelt und ab einem gewissen Punkt vor allem für erneuerbare Energien stark gemacht.

VN: Ist es einfacher, für etwas zu kämpfen als gegen etwas?

Breiner: Gegen etwas zu kämpfen ist spektakulärer, mitreißender. Für etwas zu sein, einen besseren Lebensstil und eine bessere Zukunft zu propagieren, ist viel mühseliger. Es ist immer schwieriger, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Das ist ein Punkt, den ich sehr von meinem Mann übernommen habe. Glaubwürdig zu sein ist wichtig. Denn natürlich bedeutet der Einsatz für alternative Ener­gieformen auch eine Veränderung des persönlichen Lebensstils. Aber zum Guten hin! Ich sage immer zu den Leuten: Schaut mich an, ich habe so viel Lebensfreude, kann mich so an kleinen Dingen begeistern – wie an der Natur. Ich darbe doch nicht.

VN:

Der Naturschutz ist bei Ihnen ein wichtiges Thema geworden.

Breiner: Mindestens eben so wichtig wie das der Alternativen Energieformen. Das hat sich aber schon aus der Anti-Atom-Bewegung ergeben. Naturschutz ist einfach Menschenschutz, etwas ganz Existenzielles. Ich sehe es gerne so, dass wir ein Glied in einer Generationenkette sind und dass wir unser Leben so gestalten sollten, dass wir denen, die nach uns kommen, nicht die Zukunft verbauen. Das begründet doch auch ein besseres Lebensgefühl!

VN:

Wie klimafreundlich ist die Atomkraft? Immerhin wird der geringere CO2-Ausstoß in Zeiten des drohenden Klimawandels gerne ins Treffen geführt.

Breiner: Das ist eine Halbwahrheit – geschickteste und subtilste Propaganda. Nur der Zyklus eines Reaktorbetriebs ist CO2-arm. Aber was alleine beim Abbau von Uran, bei der Herstellung der Brennstäbe, dem Transport, der Lagerung, der Wiederaufbereitung anfällt, spricht absolut gegen dieses Argument.

VN:

Wie betrachten Sie die Renaissance der Atomkraft in der heutigen Zeit?

Breiner: Natürlich mit Sorge. Andererseits auch mit einem kleinen bisschen Gelassenheit. Wenn man sich vor Augen führt, was da alles an AKWs geplant wird und was tatsächlich realisierbar ist, dann merkt man, dass die Situation im schlimmsten Fall zu einer Erneuerung der bestehenden Kraftwerke führen kann – mehr werden es nicht mehr, immerhin werden ja auch jährlich viele vom Netz genommen. Ich bin der Überzeugung, dass der Höhepunkt der Atomkraft schon überschritten ist.

VN:

Was raten Sie Vorarlbergern, die gegen die Atompläne der Schweiz aufbegehren wollen?

Breiner: Wir planen im September wieder eine Demo in der Schweiz. Man muss den bürgerlichen Widerstand wieder manifestieren. Aber natürlich ist der beste Weg, etwas zu tun, auf Ökostrom umzusteigen und weniger Energie zu verbrauchen.

VN:

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Breiner: Dass das Bewusstsein gestärkt wird, dass es auf jeden Einzelnen ankommt, dass jeder hier und jetzt etwas tun kann, damit der Umstieg gelingt. Und dass damit auch ein Mehr an Lebensqualität und -freude verbunden ist.

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