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Tragödie durch Kette von Fehlverhalten

Lochau - Ein halbes Jahr ist es her als die German Baldauf und Herlinde Kempf sowie der Bestattungsunternehmer Manfred Petschenig bei einem Einsatz vom Eurocity erfasst und getötet wurden.  

Die Frage nach der rechtlichen Verantwortung beschäftigt seitdem Ermittler, Staatsanwaltschaft und die ÖBB.

Nach dem Unglück sprach man seitens der ÖBB pauschal von einem „internen Kommunikationsfehler“ und stellte den damals zuständigen Disponenten der Leitstelle außer Dienst. Die schwierige Aufgabe, das Puzzle der Versäumnisse zu einem schlüssigen Bild zusammenzusetzen, hatten die Sonderermittler des Landeskriminalamtes – auf Grundlage ihres Ermittlungsberichtes erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei ÖBB-Bedienstete. Dies ist seit etwa vier Wochen bekannt. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hielt sich bisher jedoch mit Informationen über die genauen Anklagegründe stark zurück. Weder erfuhr die Öffentlichkeit, wer angeklagt ist, noch die Gründe dafür. Die ÖBB selbst bestätigten schließlich: es handelt sich bei den Angeklagten um den Disponenten der Innsbrucker Leitstelle und den Vorarlberger Lokführer des Unglückzuges.

Dieser war eigentlich nach dem Unglück von jedem Verdacht befreit worden, beteuerte selbst, nichts von dem Einsatz auf den Schienen gewusst zu haben als er sich mit 80 bis 100 km/h dem Einsatzort näherte. Viele waren daher überrascht, dass sich nun auch der Lokführer vor Gericht verantworten muss. ÖBB-Gewerkschaftler Ernst Lerch sprach von einer unverständlichen Anklage und kündigte an, dass die Gewerkschaft die Anwaltskosten tragen werde.

Nicht umgeschaltet

Die „VN“ kennen den Bestrafungsantrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch, der auf den Ermittlungsergebnissen der Polizei beruht. Dieser spricht von Versäumnissen des 46-jährigen Lokführers. Er habe das Funkgerät nicht rechtzeitig vom deutschen Kanal A 74 auf den österreichischen Kanal A 65 umgeschaltet. Genau in diesem Detail könnte der erwähnte „Kommunikationsfehler“ gelegen haben, wenn der Lokführer für die Innsbrucker Leitstelle nicht erreichbar war und die Information der Leitstelle über den Einsatz auf dem Gleis nicht erhalten konnte.

ÖBB-Sprecher Rene Zumtobel über das korrekte Prozedere: „Der Lokführer muss den Befehl aus der Betriebsleitzentrale bei Stillstand am Bahnhof unterschreiben – oder am Funkgerät wiederholen, was als Bestätigung gilt.“

Laut Anklage habe ein weiterer Fehler des Lokführers darin gelegen, keine Warntöne abgegeben zu haben, nachdem die Personen auf dem Gleis wahrnehmbar gewesen seien. Ob und in welchem Ausmaß der Lokführer an der Unkenntnis über den Polizeieinsatz eine Mitschuld trägt, muss nun der für Ende August bzw. Anfang September geplante Prozess klären.

Bei diesem wird sich dann auch der 45-jährige Innsbrucker Leitstellen-Disponent verantworten müssen. Laut Anklageschrift hat er weder den zuständigen Fahrdienstleiter der Betriebsführungsstelle Wolfurt noch den Bahnhof Lindau – dort übernahm der Vorarlberger Lokführer den Zug – vom Einsatz auf den Gleisen unterrichtet. Gemäß Bestrafungsantrag versäumte es der 45-jährige Disponent zudem, den Lokführer vom Tempolimit von maximal 30 km/h am Einsatzabschnitt in Kenntnis zu setzen.

Für die Verhandlung ist das Bezirksgericht Bregenz als zuständiges Gericht festgelegt worden. Die „VN“ werden ausführlich über den Prozess berichten.

Zeitlicher Ablauf des Bahnunglücks

Zwei Polizisten und ein Leichenbestatter am 29.12. 2007 getötet

  • 05.45 Uhr: Der Lokführer des Regionalzuges vernimmt einen Aufprall an der Lokomotive und findet Blutspuren.
  • 6.35 Uhr: Polizei wird über den vermutlichen Unfall informiert. Erste Suche beim Bahnhof Lindau verläuft negativ.
  • 08.00 Uhr: 18-jähriger Schüler wird in Lochau, Höhe Gasthof Klause, tot auf den Gleisen gefunden.
  • 09.30 Uhr: Zwei Polizeibeamte nehmen in Anwesenheit eines Leichenbestatters den Bahnunfall auf. Gleichzeitig Meldung an die ÖBB.
  • 10.12 Uhr: Der von München kommende EC fährt mit unverminderter Geschwindigkeit in die Unfallstelle. Alle drei Personen werden erfasst und getötet.
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