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Sprachförderung: Migranten an Vorschulen derzeit überrepräsentiert

Sprache laut Schulpflichtgesetz kein Kriterium für Schulreife.
Sprache laut Schulpflichtgesetz kein Kriterium für Schulreife. ©Symbolbild/Bilderbox
Eigentlich sollte die Kenntnis der deutschen Sprache kein Kriterium für einen Vorschulbesuch sein: Aber mehr als jeder dritte Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache wird in Vorarlberg in die Vorschule geschickt.

Nach dem Schulpflichtgesetz gehören derzeit nur jene Kinder in die Vorschule, die dem Unterricht in der 1. Klasse vermutlich nicht folgen können, “ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden”. Die Kenntnis der deutschen Sprache sollte dabei kein Kriterium sein. Für Kinder und Jugendliche mit ausreichender “geistiger Reife” und Deutschproblemen gibt es nämlich den Status des außerordentlichen Schülers: Dabei werden Schüler nicht in allen Fächern benotet und erhalten spezielle Sprachförderung. Dennoch sind Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache in Vorschulklassen extrem überrepräsentiert, wie eine Auswertung der Statistik Austria zeigt.

Österreichweit spricht ein Viertel der Sechsjährigen daheim nicht Deutsch, in den Vorschulstufen haben hingegen 53,5 Prozent nicht-deutsche Umgangssprache. Während knapp zehn Prozent aller Sechsjährigen ihre Schulkarriere in der Vorschule starten, sind es bei Schülern mit Migrationshintergrund 21,2 Prozent.

Massive Bundesländer-Unterschiede

Dabei lassen sich zwischen den einzelnen Bundesländern massive Unterschiede beobachten: Der Anteil an Sechsjährigen mit nicht-deutscher Umgangssprache, die in die Vorschule kommen, reichte dabei im Schuljahr 2011/12 von weniger als jedem zehnten (Steiermark: 5,5 Prozent, Burgenland: 7,0 Prozent) bis zu mehr als jedem dritten Schüler (Tirol: 34,3, Vorarlberg: 38,6, Salzburg: 43,4 Prozent). Zwischen diesen Extremen lagen Kärnten (11,8 Prozent), Wien (16,6 Prozent), Niederösterreich (20,3) und Oberösterreich (27,3 Prozent). Diese Daten erfassen allerdings nicht Kinder, die im Zuge der flexiblen Schuleingangsphase während des Schuljahres in eine andere Schulstufe – also von der Vorschule in die 1. Klasse oder umgekehrt – wechseln.

Aus- und Weiterbildungen für Lehrer

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (V) und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (S) wollen mit dem Sprachfördermodell erreichen, dass “Kinder spätestens mit zehn Jahren die deutsche Sprache entsprechend beherrschen”, so die Ministerin. Derzeit, beklagte Kurz, entscheide nämlich viel zu oft die Herkunft und viel zu selten die Begabung über die Bildungsbiografie. So ist in Österreich der Unterschied beim Bildungserfolg so groß wie in fast keinem anderen Land der OECD.

Neben einer stärkeren Berücksichtigung der Sprachkenntnisse beim Schuleintritt, Informationsaustausch mit Kindergärten, Angeboten für Quereinsteiger und den Modellprojekten soll Sprachförderung verknüpft mit Leseförderung laut Schmied zum durchgängigen Prinzip an Schulen werden, wobei der Schwerpunkt auf Schülern mit Sprachproblemen und -entwicklungsstörungen liegen soll. Deshalb sollen Lehrer sowie Kindergartenpädagogen in Aus- und Weiterbildung spezielle Schulungen in diesem Bereich erhalten.

“Sind nicht mit Rennwagen unterwegs”

Lediglich als “Skizzen” vorgenommen haben Schmied und Kurz sich den Ausbau der flexiblen Grundstufe – bei der Schüler für die ersten zwei Klassen drei Jahre Zeit bekommen -, stärkere Autonomie für Volksschulen und zusätzliche Mittel für Schulen mit vielen Schülern aus finanziell schwachen oder bildungsfernen Familien. Diese mittelfristigen Pläne hätten nämlich Auswirkungen auf das Budget der kommenden Regierung.

Ebenfalls erst für die Zukunft haben Kurz und Schmied ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr auf die Agenda gesetzt . “Das muss auf jeden Fall ein Fixpunkt im nächsten Regierungsprogramm sein”, betonte Kurz und erntete Zustimmung von Schmied. Die Ministerin will allerdings zusätzlich auch auf ganztägige Schulformen setzen.

Auch wenn Ministerin und Staatssekretär die Zusammenarbeit bei der Sprachförderung – vor allem in Vorwahlkampfzeiten – lobten, handelt es sich beim Endergebnis laut Kurz doch nur um einen Kompromiss. “Wir sind nicht mit dem Rennwagen unterwegs.” So hatte Kurz gefordert, dass Deutsch als Voraussetzung für den Schulbesuch gesetzlich verankert wird. Mit einem Erlass sei er aber auch zufrieden, denn auch dieser sei verbindlich. Kein Standort könne künftig so tun, als wäre es egal, wenn ein Kind kein Deutsch spricht.

Siegi Stemer als Berater

Schmied hatte ihrerseits eigene Klassen für Kinder mit Deutschproblemen zunächst als “Ghettoklassen” abgelehnt, zeigte sich am Donnerstag aber mit Verweis auf die Kompetenz der Schulleiter versöhnlicher. Wenn ein Schulstandort das für pädagogisch sinnvoll erachte, werde sie nicht vom Minoritenplatz aus dagegenreden.

Ursprünglich wollte das Unterrichtsministerium bereits bis März ein Maßnahmenpaket vorlegen, Schmied hatte extra den ehemaligen Vorarlberger Schullandesrat und Landesschulratspräsidenten Siegi Stemer (V) als Berater hinzugezogen. Zuletzt hatten sich Kurz und Schmied allerdings zum Thema Sprachförderung vor allem einen medialen Schlagabtausch geliefert.

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