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Ritsch: "Ich habe das G'hörig-Syndrom"

Schwarzach - Michael Ritsch wird am Montag zum neuen SPÖ-Klubobmann gewählt. Sein großes Ziel bleibt aber der Bregenzer Bürgermeistersessel.

Sie werden am Montag zum Klubobmann gewählt. Sind Sie nervös?

MICHAEL RITSCH: Wegen der Wahl nicht, aber wegen der neuen Herausforderung, die auf mich zukommt.

Mit welchem Abstimmungsergebnis wären Sie zufrieden?

RITSCH: Ich gehe davon aus, dass im Klub (es gibt neun Stimmberechtigte, Anm. der Redaktion) eine überwältigende Mehrheit für mich stimmen wird. Das weiß ich. Deshalb mache ich mir da auch keine großen Sorgen.

Wie würden Sie Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben?

RITSCH: Ich versuche einen möglichst kollegialen Umgang mit meinen Mitarbeitern zu pfl egen. Ich bin es als Gewerkschafter gewohnt, dass man Dinge gemeinsam umsetzt. Wenn es aber darum geht Aufgaben zu erledigen, dann bin ich vielleicht etwas penibel. In diesem Punkt habe ich das „G’hörig-Syndrom“. Ich bin doch ein sehr genauer Mensch.

In der Steiermark und in Salzburg hat sich die SPÖ die Landeshauptmann-Sessel geholt. Warum dümpelt die Vorarlberger SPÖ im Vergleich dazu bei knapp 17 Prozent (Ergebnis bei der letzten Landtagswahl 2004) herum. Immerhin hatte die SPÖ im Ländle in den 60 er- und 70 er Jahren auch schon knapp 30 Prozent erreicht.

RITSCH: Ein Grund, warum die SPÖ in den letzten 25 Jahren so stark verloren hat, war sicherlich das starke Aufkommen der FPÖ. Zu Gorbachs Zeiten sind sie knapp an die 30 Prozent herangekommen. Das war damals eine totale Überraschung. Und auch zu Haiders Zeiten haben die Freiheitlichen verstärkt im traditionellen SPÖ-Bereich gefischt. Das hat der SPÖ in Vorarlberg sehr weh getan. Ein zweiter Grund für die schlechten Wahlergebnisse der SPÖ liegt auch in der Struktur des Landes begründet. Wir haben das Problem, dass wir nur in der Hälfte der Gemeinden eine eigene Ortsorganisation haben. Und zudem ist Vorarlberg auch sehr ländlich geprägt. Die ÖVP mit ihren Netzwerken ist da sehr dominant. Da ist es für uns schwer jemanden zu fi nden, der sich traut zu sagen: „Ich kandidiere für die SPÖ.“

Gibt es dafür ein Beispiel?

RITSCH: Ich kenne jemanden aus Krumbach, der dort für die SPÖ kandidiert hat. Der hat zu mir einmal gesagt: „Es ist mir nie gelungen, dass ein Wahlständer länger als einen Tag gestanden ist.“ Da wurde nicht nur das Plakat abgerissen, sondern gleich der ganze Ständer zu Kleinholz verarbeitet.

Noch-Parteichefin Elke Sade (Ritsch wird am 24. November beim SPÖ-Landesparteitag auf der Wekstattbühne zum Nachfolger gewählt, Anm. der Redaktion) hat die Einigung der Partei und die Ordnung der Finanzen als ihre größten Erfolge bezeichnet. Ist das nicht eine etwas dünne Bilanz?

RITSCH: Das finde ich nicht. Elke Sader wurde vor vier Jahren zur Parteichefin gewählt. Zu diesem Zeitpunkt stand die SPÖ vor einer Zerreißprobe. Sie hat aufgrund ihres politischen Stils die Partei wieder geeint. Sie weiß als Tochter von Fritz Mayer (früherer Bregenzer Bürgermeister, Anm. der Redaktion) wie Politik läuft. Ihre erklärten Ziele waren es, bei der Landtagswahl dazuzugewinnen. Das hat sie mit einem Plus von vier Prozent geschafft. Sie hat auch eine familiäre Stimmung innerhalb der Partei geschaffen. Man mag sich wieder. Das gab es vorher nicht. Im Gegenteil: Zwischen 1988 und 2004 hatte ich nur Wahlniederlagen und Streitereien erlebt. Sader ist es auch gelungen, dass die Partei keine Schulden mehr hat. Erstmals haben wir auch kleine Rücklagen.

Sie gelten als kantiger Oppositionspolitiker. Wird der Umgangston mit Ihnen als Klubobmann gegenüber der ÖVP bzw. der FPÖ schärfer?

RITSCH: Ich konzentriere mich auf die ÖVP. Die FPÖ ist nur noch ein Anhängsel der Regierung. Die macht nur das, was die ÖVP vorsagt. Das Problem ist, dass ich als Oppositionspolitiker Dinge schärfer und direkter formulieren muss als ein Regierungspolitiker. Damit man sich auch Gehör verschafft, müssen Themen pointierter formuliert werden. Das habe ich gemacht, seit ich in der Politik bin. Ich lasse mir da auch keinen Maulkorb verpassen. Ich versuche hart in der Sache, aber immer fair im Umgang mit dem politischen Gegner zu sein. Mir kann sicher niemand vorwerfen, dass ich unter der Gürtellinie argumentiere.

Es kommt immer wieder der Vorwurf, dass Sie immer dann die sprachliche Keule im Landtag schwingen, wenn Kameras oder Journalisten in der Nähe sind. Ist diese Vorgangsweise nicht sehr populistisch?

RITSCH: Populismus ist doch nichts Schlechtes. Das heißt doch nichts anderes, als dass ich fürs Volk da bin. Wenn die Medien da sind, müssen wir aber natürlich die Chance nutzen. Was nützt es, wenn wir im Ausschuss stundenlang debattieren und die Öffentlichkeit erfährt nichts davon. Im Plenum passiert es aber oft, dass die ÖVP unsachlich wird und uns im Gegenzug Unsachlichkeit vorwirft. Das ist die Arroganz der ÖVP, die entscheiden will, was richtig oder falsch ist.

Mit der Oppositionsrolle kann sich die SPÖ auf Dauer nicht zufrieden geben. Zuletzt saßen die Vorarlberger Sozialdemokraten vor knapp 30 Jahren unter Ernst Winder auf der Regierungsbank. Ist es nicht langsam Zeit wieder dorthin zurückzukehren?

RITSCH: Es ist immer das Ziel zu regieren. Das Problem liegt im Wahlsystem in Vorarlberg. Denn du hättest mit 17 Prozent eigentlich den Anspruch auf einen Landesrat. Aufgrund unseres Wahlsystems ist es aber so, das nicht der Wähler über die Regierungssitze entscheidet, sondern die Mehrheitspartei. Gerechter ist das System bei den Gemeinde- und Stadtregierungen. Mit 17 Prozent bist du auf jeden Fall im Stadtrat drinnen, egal ob es der ÖVP passt oder nicht.

Bei der Stichwahl um den Bregenzer Bürgermeistersessel im Jahr 2005 sind Sie Markus Linhart nur knapp unterlegen. Werden Sie es bei der nächsten Wahl 2010 wieder probieren?

RITSCH: Mein erklärtes Ziel ist es, es 2010 noch einmal zu versuchen. Da kann sich niemand zurücklehnen. Sie müssen damit rechnen, dass Michael Ritsch wieder als Bregenzer Bürgermeister-Kandidat antritt. Das wurde in den Parteigremien auch so besprochen. Das ist das Ziel Nummer eins.

Die Bundespolitik ist kein Thema?

RITSCH: Wenn ich in die Bundesregierung hätte wechseln wollen, dann hätte ich diesmal die Chance dazu gehabt. Alfred Gusenbauer hat mir einen Posten als Staatssekretär angeboten. Ich habe aber abgelehnt, weil es für mich der falsche Zeitpunkt war. Ich will in Vorarlberg bleiben und in Bregenz Bürgermeister werden. Das ist auch eine Verantwortung meiner Partei gegenüber.

Wenn es 2010 aber wieder nicht klappt, ist dann ein Wechsel nach Wien für Sie vorstellbar?

RITSCH: Ich schließe so etwas natürlich nie aus. Ich habe vorerst aber eine enorme Herausforderung mit der Landtagswahl 2009 und dann 2010 in Bregenz. Ich glaube auch, dass man im Land mehr umsetzen kann, als wenn ich einer von 183 Nationalräten wäre.

Grünen-Chef Johannes Rauch hat zuletzt mit Themen wie dem Steinbruch Frödischtal oder der Silvretta-Arena aufhorchen lassen. Die SPÖ erinnert im Gegensatz dazu an den Pawloschen Hund. Meist wird nur nachgebtet, was andere Parteien vorbeten. Was läuft da in der SPÖ schief?

RITSCH: Es ist okay, was der Johannes Rauch macht. Er betreibt auch eine Art von Populismus. Er ist Oppositionspolitiker und froh, wenn ihm jemand ein Thema steckt. Wir haben auch unsere Themen. Zum Beispiel die Zusammenlegung von Gemeinden. Da treibe ich die ÖVP vor mir her und nicht umgekehrt. Auch wenn es darum geht die Wohnbaurichtlinien zu ändern, treibe ich die ÖVP. Johannes Rauch macht denselben Job wie wir. Er deckt Skandale wie zuletzt die Silvretta-Arena innerhalb der ÖVP auf.

Stichwort Tagesvignette: Kaum ein anderes Thema spaltet das Land mehr. Der Riss geht auch quer durch alle Parteien. Sollte man den Versuch nicht einfach abblasen?

RITSCH: Ich habe gerade erst wieder einen Zeitungsartikel über mich aus dem Jahr 1997 ausgegraben. Damals habe ich ein Fahrverbotsschild mit der Aufschrift „Gilt nur für Vignettenflüchtlinge“ im HTL-Kreisverkehr in Bregenz aufgestellt. Man sieht, dass es die Diskussion schon sehr lange gibt. Mit Minister Faymann ist es jetzt aber innert kürzester Zeit gelungen, ein Paket zu schnüren, um die betroffenen Bürger in Bregenz, Lochau oder auch Höchst vom Transitverkehr zu entlasten. Wir müssen uns aber klar sein, dass es keine Entlastung für alle geben wird. Ich verstehe die Bedenken der Lustenauer. Deshalb wird parariell zur Tagesvignette eine Studie gestartet, die die Verkehrsströme genau eruieren soll. Da sind wir uns einig. Derzeit wird aber Bregenz öfter im Verkehrsfunk genannt als Wien. Das kann es aber doch auch nicht sein.

Brächte nicht eine Generalmaut die Lösung des Verkehrsproblems?

RITSCH: Das ist EU-rechtlich scheinbar nicht möglich. Aber ich bin davon überzeugt, dass eine EU-weite, generelle Straßenmaut in zehn bis fünfzehn Jahren kommen wird. Dann wird jeder in seinem Auto sein Kästchen haben und bei den Mautportalen wird abhängig von den gefahrenen Kilometern kassiert.

Zur Person

  • Michael Ritsch (39) ist geschieden und Vater von zwei Kindern (Julia, 9 und Lena, 8).
  • Beruf: Regionalsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten
  • Politische Funktionen: 1990 bis 1995 Stadtvertreter in Bregenz, seit 1995 Stadtrat, seit 2004 Landtagsabgeordneter, ab Montag SPÖ-Klubobmann
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