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Verletzter Höhlenforscher - Vorbereitungen zur Bergung dauern an

Patient ist transportfähig - Helfer bereiten Aufstieg vor.
Patient ist transportfähig - Helfer bereiten Aufstieg vor. ©EPA
Mitarbeiter der Bergwacht bereiten weiter den Transport des schwer verletzten deutschen Forschers Johann Westhauser aus der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden vor. Die Einsatzkräfte arbeiteten noch immer daran, den Weg in der Höhle mit Seilzügen zu sichern und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, teilte ein Sprecher der Bergwacht Bayern am Freitagmorgen mit.
Arzt erreichte Höhlenforscher
Forscher erlitt Schädel-Hirn-Trauma
Immer mehr Retter vor Ort

“Für eine Rettung brauchen wir mehr Infrastruktur, für die das Material gebracht und eingebaut werden muss”, fügte der Sprecher hinzu. Der Zustand des Verletzten, der von zwei Ärzten betreut werde, sei stabil. “Der Patient ist transportfähig. Wir können mit der Rettung des Patienten beginnen”, sagte Stefan Schneider von der Bergwacht in Berchtesgaden. Der 52-Jährige hatte am Sonntag durch einen Steinschlag ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und ist seitdem in der Höhle in 1000 Metern Tiefe gefangen.

Sechs Höhlenretterteams im Einsatz

Am Donnerstag stiegen weitere sechs Höhlenretterteams mit Bergungsgerät und Versorgungsmaterial in die nur schwer zugängliche Höhle ein, um den Abtransport des Verletzten zu übernehmen und Position entlang der Aufstiegsstrecke zu beziehen. Die Bergung des Mannes soll beginnen, sobald das dafür vorgesehene Team mit einer Spezialtrage bei dem am Kopf verletzten 52-Jährigen eingetroffen ist und ihn darauf gelagert hat.

Am Mittwochabend hatten zwei höhlenrettungserfahrene Ärzte aus Österreich und ein Italien sowie weitere fünf Einsatzkräfte den Verletzten erreicht und die bereits bei ihm wartenden Retter verstärkt. Damit konnte der am Sonntag von einem Steinschlag getroffene Höhlenforscher erstmals medizinisch genauer untersucht werden.

Glücklicherweise habe das Urteil der Ärzte die ersten Einschätzungen über dessen relativ guten Zustand bestätigt, sagte der am Einsatz beteiligte Mediziner Michael Petermeyer am Donnerstag in Berchtesgaden. “Der Patient ist psychisch und körperlich stabil.”

Aufstieg kann mehrere Tage dauern

Der Aufstieg mit dem Verletzten wird nach Einschätzung der Retter mehrere Tage dauern. Die Riesending-Schachthöhle ist die größte und tiefste Höhle Deutschlands. Sie besteht aus engen Gängen, über Hunderte Meter fast senkrecht abfallenden Kaminen, unterirdischen Wasserläufen und unwegsamen Canyons, die sich über eine Länge von 19 Kilometern erstrecken.

Für zusätzlich Schwierigkeiten sorgen eisige Kälte von lediglich ein bis drei Grad sowie die Risiken durch Wassereinbrüche, die bestimmte Abschnitte der Höhle nach Regenfällen fluten können. Selbst erfahrene Profis bringt das unterirdische Labyrinth an den Rand ihrer seelischen und körperlichen Belastungsfähigkeit.

In den vergangenen Tagen waren Höhlenrettungsteams aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien am Unglücksort zusammengezogen worden, um den Mann in einer höchst komplizierten Rettungsaktion zu befreien. Zur Vorbereitung der Bergung errichteten sie auf verschiedenen Ebenen fünf Biwakstationen für Versorgungspausen, brachten Medikamente und Ausrüstung in den Berg und installierten Tritthilfen sowie Seile für den Abtransport des Verletzten auf seiner Trage.

“Sprengt jegliche Vorstellungskraft”

“Es sprengt jegliche Vorstellungskraft, was eine Rettung in dieser Tiefe bedeutet”, sagte Petermeyer. Für den an einem Schädel-Hirn-Trauma leidenden Patienten werde der bevorstehende Transport “nicht ganz unkritisch” sein. Wolf ergänzte, die Trage werde im ungünstigsten Fall quer oder in Kopfrichtung gekippt werden müssen, um bestimmte Stellen zu passieren.

Der Technikchef sprach von einem “Logistik-Highway”, den die internationalen Spezialistenteams in der Höhle eingerichtet hätten, um die Bergung des Forschers so effizient wie möglich abzuwickeln. Derzeit seien etwa 30 Helfer unter Tage, um dort verschiedene Aufgaben zu erfüllen.

Arzt: “Absolute Extremsituation”

Jener Salzburger Arzt, der bei der Rettungsaktion für den seit mehr als vier Tagen in der Riesending-Höhle am Untersberg wartenden verletzten Forscher als einer der ersten Helfer eingestiegen war, bezeichnete den Einsatz als “absolute Extremsituation”. In einem Interview mit der “Kronenzeitung” (Donnerstagausgabe) schilderte er die Gründe für seine Umkehr auf halber Strecke.

“Ich stieg mit mehreren Kollegen ein. Wir sind ungefähr bis in eine Tiefe von 480 Metern gekommen, also kurz vor das zweite Biwak”, sagte Wolfgang Farkas aus Piesendorf. “Vor dieser Station ist eine Stelle, an der man einen Wasserfall durchqueren muss. Wäre ich dort durchgegangen, wäre ich ziemlich nass geworden. Zum dritten Biwak – ich hätte mich erst dort aufwärmen können – wären es ab diesem Punkt noch drei Stunden gewesen. An dieser Stelle musste ich erkennen, dass ich das nicht mehr schaffe”, sagte der Arzt, der vor dem Einstieg schon den ganzen Tag als Notarzt im Hubschraubereinsatz gestanden war.

“Übersteigt alles, was ich bisher sah”

“Was ich erlebte überstieg alles, was ich bisher sah”, zitierte die Tageszeitung “Österreich” den Mediziner. “Es ist eine Forscherhöhle, dunkel, kalt und nass. Es ist unmöglich, aufrecht zu gehen”, sagte der Salzburger dem Blatt.

Farkas wies in der “Krone” auch auf den mentalen Aspekt hin: “Wenn man solch enormen körperlichen Strapazen ausgesetzt ist, kann man sich auch nicht mental auf die Situation einstellen. Als Notfallmediziner will man immer so schnell als möglich zu einem Patienten. Aber dieser Gedanke ist hier fehl am Platz. Es braucht Zeit. Vielleicht, wenn ich zwei Wochen Vorbereitungszeit gehabt hätte, dann hätte ich es geschafft. Man kann sich das auch so vorstellen: Sie nehmen eine Person, die ab und an wandern geht, und sagen zu ihr, wir gehen morgen auf die Eiger Nordwand. Das wird nicht funktionieren. Es heißt nicht umsonst, dass das Riesending eine der extremsten und schwierigsten Höhlen ist. Ich habe höchsten Respekt vor allen meinen Kollegen.”

Vorbereitungen für Rettung laufen weiter

Die in Medien erwähnte Gefahr durch Gewitter hat die Bergwacht relativiert: Es gebe zwar in der Höhle bekannte Abschnitte, die bei Regen unter Wasser stehen und deswegen die Rettungsarbeiten erschweren. “Dennoch können die Leute im Berg auch Dank des Kommunikationssystems den Wassereinbruch kalkulieren. Höhlenfahrten dieser Dimension dauern generell meist mehrere Tage, Wassereinbruch gehört dabei für Höhlenspezialisten zur normalen Risikobewertung. Im ‘Riesending’ sind große Abschnitte permanent trocken. Auch in den wasserführenden Gängen gibt es immer wieder erhobene Stellen, die das Wasser nicht erreichen kann und die somit Schutz bieten”, so die Bergwacht.

(APA)

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