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Land der Städte, Land der Märkte

In Vorarlberg ist heute jede zehnte Gemeinde eine "Markt-gemeinde", österreichweit beinahe jede dritte. Aber was ist eine „Marktgemeinde“ eigentlich? Dieser Frage ist Ulrich Nachbaur vom Landesarchiv nachgegangen.

Ulrich Nachbaur vom Vorarlberger Landesarchiv nahm das Schrunser Jubiläum zum Anlass, einmal dem Werden und Wesen von Marktgemeinden nachzugehen. Sein Fazit: „‘Marktgemeinde‘ ist schon seit Kaisers Zeiten ein typisch österreichischer Titel ohne Mittel, eine Prestigesache im kommunalen Wettbewerb.“ Die Forschungsergebnisse werden im September veröffentlicht.

Von 1963 bis 2003 wurde in Österreich die Zahl der Gemeinden von 3.988 auf 2.359 reduziert (- 41 %). Gleichzeitig stieg die Zahl der Marktgemeinden von 585 auf 734 (+ 26 %) an, die der Städte von 143 auf 197 (+ 38 %). In Niederösterreich führt bereits mehr als die Hälfte der Kommunen die Bezeichnung „Marktgemeinde“, in Tirol sind es nur 7 Prozent, gefolgt von Vorarlberg mit 10 Prozent. Dennoch fanden wir bisher in der Literatur kaum Hinweise auf die Geschichte und Bedeutung dieses Titels. Der Spitzenkurort Schruns im Montafon feierte im vergangenen Jahr „75 Jahre Markterhebung“. Der Jurist und Historiker Ulrich Nachbaur nützte diese Gelegenheit, das Phänomen „Marktgemeinde“ über Schruns hinaus rechtsgeschichtlich zu untersuchen.

Marktgemeinden ohne Märkte

Als „Markt“ oder „Marktflecken“ wurden in der frühen Neuzeit Gemeinden bezeichnet, deren Rechtsstatus zwischen jenem einer Stadt und eines Dorfes lag. Zum gewerblichen Marktrecht kamen häufig weitere Privilegien hinzu. Orte konnten sich den Rang eines „Marktes“ mit der Zeit erwerben oder wurden vom Landesfürsten mit Brief und Siegel zu Märkten erhoben. Letzteres war im heutigen Vorarlberg nur bei Hohenems 1605 der Fall. Dagegen werden wir bei Rankweil, Götzis und Dornbirn von einer Marktwerdung durch Gewohnheit sprechen müssen, während sich zum Beispiel der jüngere Marktort Schruns nicht mehr als „Marktflecken“ durchsetzen konnte. Im 19. Jahrhundert verlor das Marktrecht den Nimbus einer landesfürstlichen Privilegierung. Spätestens Kaiser Franz Josef ging dazu über, Ortschaften unabhängig vom Marktrecht nominell zu „Märkten“ zu erheben und Märkte zu „Städten“. Um 1875 scheint in Böhmen ein „Erhebungsfieber“ ausgebrochen zu sein, das zehn Jahre später Tirol erreichte und schließlich auch auf Vorarlberg ansteckend wirkte. 1901 wurde Dornbirn zur Stadt erhoben, 1902 Lustenau zur Marktgemeinde, 1905 folgte Hard.

Titel ohne Mittel

1918 ging das Recht zur Stadt- und Markterhebung vom Kaiser auf die Bundesregierung und 1925 auf die Länder über. Der Vorarlberger Landtag schuf eine gesetzliche Grundlage und verlieh 1927 dem Montafoner Hauptort Schruns das Recht zur Führung der Bezeichnung „Marktgemeinde“. Es folgten Bezau (1962), Wolfurt (1982), Lauterach (1985), Nenzing (1995) und Frastanz (1995), Hohenems wurde 1983 zur Stadt erhoben. Abgesehen vom schmückenden Titel sind Marktgemeinden ganz normale Gemeinden. Außerhalb Österreichs finden wir den Titel heute wohl nur noch in Bayern, in Südtirol und im Trentino.

Ulrich Nachbaur und Peter Strasser werden voraussichtlich am 22. September 2004 in Schruns ein kleines Buch über „Die Markterhebung von Schruns – Marktgemeinden in Vorarlberg“ vorstellen, das in der erfolgreichen „Montafoner Schriftenreihe“ des Heimatschutzvereins im Tale Montafon erscheinen wird.

Weitere Informationen:

  • www.landesarchiv.at
  • www.montafon.at/museen
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