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"In diesem Umfeld tummeln sich Neonazis"

Im Rahmen des „Akademikerballs“ kommt es immer wieder zu teils ­gewalttätigen Gegendemonstrationen.
Im Rahmen des „Akademikerballs“ kommt es immer wieder zu teils ­gewalttätigen Gegendemonstrationen. ©APA
Am Freitag geht in der Wiener Hofburg der umstrittene Akademikerball (ehemals WKR-Ball) über die Bühne. WANN & WO hat sich dem Thema angenommen und mit Mitgliedern unterschiedlicher Verbindungen in Vorarlberg gesprochen.

Schüler- und Studentenverbindungen haben in Österreich eine Jahrhunderte lange Tradition. Es gibt kaum einen Politiker, der nicht in einer Kaderschmiede seiner Partei geformt wurde. Außer Sebastian Kurz sind laut „die Presse” alle Regierungsmitglieder der ÖVP unter Michael Spindelegger Mitglieder des CV, dem Dachverband von 47 katholischen Studentenverbindungen. Für besonderen Aufruhr und kurzfristigen Ausnahmezustand in der Bundeshauptstadt sorgt jedoch jährlich der mittlerweile von der Wiener FPÖ organisierte „Akademikerball” (vorher WKR-Ball) in der Hofburg. 21 Mitgliedsorganisationen, davon großteils sogenannte „schlagende Verbindungen”, die sich zur „deutschen Nation” bekennen, nehmen an der Veranstaltung teil. Bei Kritikern gilt der Ball als Treffpunkt der rechtsextremen europäischen Szene. Im Rahmen der Veranstaltung kommt es deshalb immer wieder zu teils gewalttätigen Gegendemonstrationen.

„Falsches Signal”

NEOS-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker ist Mitglied der Vorarlberger, nichtschlagenden Verbindung KMV Siegberg. Für ihn ist die Hofburg als Austragungsort des „Akademikerballs” die falsche Wahl: „Man kann niemandem das Tanzen verbieten, egal wo er politisch steht. Mir gefällt aber das Signal nicht, diese Veranstaltung ausgerechnet in der Hofburg stattfinden zu lassen. Das halte ich für falsch.” Laut Loacker könne man auch aufgrund einer Mitgliedschaft in einer bestimmten Verbindung nicht automatisch auf die politische Gesinnung schließen: „Ansichten können sich ändern. Jedem steht die Möglichkeit offen, gescheiter zu werden.” Zur Kritik an der Veranstaltung teilt er mit: „Es gibt zwei Ansichten des Balles: Die einen sehen eine Veranstaltung, bei der Menschen einen Ball feiern. Anderen fällt auf, welche Menschen da feiern.”

„Hinter Kulissen schauen”

In der 2013 vorgenommenen Namensänderung des Balls sieht Dr. Werner Bundschuh, Mitarbeiter von www.erinnern.at und Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft eine Vernebelungstaktik der Veranstalter: „Wer kann schon etwas gegen einen ‚Akademikerball’ haben? Hier gilt es jedoch hinter die Kulissen zu schauen! Wer trifft sich da? Holocaust-Leugner, Neonazis und Hitler-Glorifizierer tummeln sich in diesem Umfeld. Bekannte Rechtsextremisten aus Europa – die äußerst gut vernetzt sind – treffen sich in der Hofburg. Es ist ein äußerst bedenkliches Signal, wenn sich die ‚ordentlichen Rechten’ (so ein Buch-Titel des Politologen Reinhard Gärtner) auf diesem Boden treffen können. Also: Es ist kein ‚harmloser’ Ball, sondern ein Treffen, das den ‚Verfassungsbogen’ auslotet – und zwar bis zur Unerträglichkeit.” Zu Burschenschaften sagt er: „Deutschnationale Burschenschaften stellen kein marginalisiertes gesellschaftliches Randphänomen dar, sondern sind auf akademischen Boden fest verankert, vor allem bei den Juristen und Medizinern. Deutschnationale Burschenschaften fungieren nach wie vor als Kaderstätte und Bindeglied zwischen legal organisiertem Rechtsextremismus und der militanten Neonaziszene. Viele FPÖ-Abgeordnete sind in diesem Gedankenfeld sozialisiert worden und verankert, sie sind ‚alte Herren’ in diesen Burschenschaften. Und fast alle führenden Köpfe der Szene entstammen dem korporierten Milieu.”

„Gewalt und Hetze”

Dr. Reinhard E. Bösch, Nationalratsabgeordneter und Obmann des Freiheitlichen Akademikerverbandes Vorarlberg, nimmt am Freitag am „Akademikerball” teil. Er kritisiert die „Gewaltanwendung und Hetze”, denen die Teilnehmer der Veranstaltung in den vergangenen Jahren ausgesetzt waren. Die Veranstalter des Balls würden selbstverständlich die Demonstrations- freiheit akzeptieren, jedoch müsse diese auch für die Freiheitlichen gelten. „Ich freue mich auf eine rauschende Ballnacht, in der es nicht zu Gewaltexzessen Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Brandstiftungen kommt”, so Bösch, Mitglied und „alter Herr” der Wiener Burschenschaft Teutonia.

Kundgebungen

Gegner des Balls planten am Freitag eine Demo auf dem Heldenplatz. Diese wurde untersagt. Wenige Meter weiter – zwischen den Museen am Ring – wird die FPÖ eine Kundgebung abhalten. Den linken Gruppierungen wurde angeboten, ihre Demo ebenfalls bei den Museen zu veranstalten. Man werde sich den Platz nicht mit der FPÖ teilen, so ein Sprecher. Eine heiße Ballnacht darf erwartet werden.

Verbindungen in Vorarlberg

Nichtschlagende:

  • KMV Clunia
  • KMV Kustersberg
  • KMV Siegberg
  • KMV Sonnenberg
  • KÖStv Wellenstein
  • StV Augia Brigantina
  • Stv Bregancea (für Mädchen) (gesammelt unter www.vmcv.at)
  • Rhenania (www.rhenania- lustenau.at)

Schlagende:

  • Alemannia (www.alemannia.at)
  • Arminia (www.pvarminia.com)
  • Nibelungen (www.pvnibelungen.oepr.at)
  • Teutonia (nicht mehr aktiv)

Nach diesen vier Grundsätzen sollten Verbindungen handeln

Religio: Förderung des katholischen Seins, der Toleranz der christlichen Konfessionen untereinander und die aktive Gestaltung des eigenen Lebens aus dem katholischen Glauben in Verantwortung vor Gott, den Menschen und der Schöpfung.

Scientia: Der CV verpflichtet sich zur Pflege der Wissenschaft. Dazu gehört für die Cartellbrüder ein erfolgreicher Studienabschluss, begleitet von weiteren sozialen und ethischen Qualifikationen. Lebenslange Weiterbildung ist ebenfalls zentraler Bestandteil.

Amicitia: Prägendes Element ist die persönliche, generationenübergreifende Freundschaft als Lebensbundprinzip auch nach dem Studium. Der Umgang miteinander ist von der Verantwortung für diese lebenslange geistige und materielle Verpflichtung geprägt.

Patria: Jeder demokratische Staat lebt durch die Verantwortung eines jeden Bürgers für den Staat. Die aktive Mitgestaltung auf allen Ebenen des Gemeinwesens ist eine Bürgerpflicht. Die Verwurzelung in der Geschichte und die demokratische Entwicklung Österreichs sind wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung dieses Gemeinwesens zu einem vereinten Europa als gemeinsames Vaterland.

Quelle: Wikipedia

„Akademikerball ist rechte Veranstaltung”

Markus Bösch, GF Volksbank Vorarlberg Immobilien GmbH & Co OG, ist Philistersenior der 2013 gegründeten Rhenania Lustenau. WANN & WO hat mit ihm über seine Verbindung gesprochen.

WANN & WO: Wie sieht sechs Monate nach der Gründung die erste Bilanz der Rhenania aus?

Markus Bösch: Wir haben ein komplettes Chargenkabinett und insgesamt 5 Fuchsen (Mitgliedsanwärter). Zusammen mit rund 20 alten Herren sind wir nach so kurzer Zeit schon gut aufgestellt.

WANN & WO: Was bewegt heutzutage zur Gründung einer Verbindung?

Markus Bösch: Es ist zu erkennen, dass sich viele Jugendliche weder mit den Grünen oder NEOS, noch den Rechtsparteien identifizieren können. Jenen, die mit dem christlich, konservativen Gedankengut mehr anfangen können, bieten wir bei der Rhenania die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Natürlich lässt diese Einstellung den Schluss zu, dass wir der ÖVP sehr nahe sind. Wir sind keine politische Vereinigung und heißen jede und jeden unvoreingenommen willkommen. Die uns nachgesagte Nähe zur ÖVP ergibt sich aber allein durch die Schnittmengen von unserem Gedankengut (Christliche Soziallehre, Katholischer Glaube, Bekenntnis zu Österreich und Europa). Es ist aber zB. auch eine ehemalige Gemeinderätin der FPÖ Mitglied bei uns.

WANN & WO: Dennoch scheinen sich Verbindungen und Politik nicht grundsätzlich trennen zu lassen.

Markus Bösch: Das sieht man auf jeden Fall beim so genannten „Akademikerball”. Meiner Meinung nach ist das eine rechte Veranstaltung, ein Sammelsurium an blauem und rechtem Gedankengut. Hier können sich Gleichgesinnte treffen und austauschen. Deshalb wird er auch zukünftig mächtig Zulauf haben. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass sich auch einige Mitglieder schlagender Verbindungen bald distanzieren werden, denn nicht alle von ihnen sind politisch dem rechten Lager zuzuordnen.

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen.

(WANN & WO)

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