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"Ich bin nun viel weniger Allgemeingut"

Hubert Gorbach verlässt die politische Bühne. Ohne Blick zurück im Zorn. "Macht ermöglichte mir, zu helfen und zu gestalten": Vizekanzler Gorbach im VN-Interview vor der Rückkehr in die Privatwirtschaft. Polit-Karriere | "Verräter"

VN: Sie waren nun fast 14 Jahre lang Berufspolitiker, zuletzt einer der höchsten Amtsträger der Republik. Wie werden Sie mit dem Abschied von der Macht umgehen?

Gorbach: Macht kann man positiv gestalten oder negativ, ich sehe sie positiv. Die Bürger(innen) erwarten nicht, dass Politiker etwas verwalten. Mein Motto war immer, dass es Macher, Mitmacher und Miesmacher gibt. Ich war am liebsten bei der ersten Gruppe, sehe die Möglichkeit, den Menschen zu helfen und war auf Landes- und auf Bundesebene bekannt dafür, dass ich wie ein kleiner Ombudsmann agiert habe. Aus allen Lebensbereichen und Couleurs konnte ich durch die Macht positiv intervenieren.

VN: Aber genau diese Möglichkeiten haben Sie künftig nicht mehr. Sie werden der Mann hinter Walter Klaus sein und damit hat es sich. Sie werden nicht mehr überall freundlich gegrüßt und angesprochen.

Gorbach: Das habe ich mir sehr wohl überlegt. Ich habe schon gar nicht mehr gespürt, dass ich ein öffentlicher Mensch bin. Meine Familie hat das sehr wohl wahrgenommen. Ich bin mir dessen bewusst, habe den Schnitt freiwillig vollzogen, ihn nicht erst gestern, sondern bereits vor vier Jahren im Auge gehabt. Ich lebe damit, Vizekanzler a.D. zu sein, werde aber weiterhin helfen, wenn ich es kann. Ich freue mich darauf, ein bisschen weniger öffentlich und weniger Allgemeingut zu sein.

VN: Was heißt das für Sie persönlich?

Gorbach: Weniger von Sitzungen getrieben und nicht verpflichtet zu sein, zu allem Stellung zu nehmen.

VN: Sie haben jetzt einen Hofstaat mit vielen Mitarbeitern und etlichen Fachreferenten. Künftig sitzen Sie im Obergeschoss des Postgebäudes in Bregenz, eventuell mit einer Sekretärin.

Gorbach: Mit solchen Veränderungen kann ich leben. Ich habe übrigens auch so angefangen, ohne Stab in viel ehrenamtlicher Arbeit. Wenn ich motivierte Funktionäre in meiner Nähe hatte, besonders auf Gemeindeebene, dann genügte das.

VN: Für wie viele Mitarbeiter waren Sie denn zuletzt verantwortlich?

Gorbach: Für 1200 Beamte im Ministerium und 65.000 mittelbar, also dort, wo ich Eigentümervertreter bin wie ÖBB und Asfinag.

VN: Zur Parteipolitik: Viele Ihrer Freunde, die jahrelang wertvolle Wegbegleiter bis zu Ihrem Wahltriumph 1999 bei der Landtagswahl waren, sind bitter enttäuscht darüber, dass Sie kurz vor der Gemeindewahl im April 2005 zum BZÖ gewechselt sind. Tut Ihnen das weh?

Gorbach: Ja, das tut mir sehr weh, dass sie enttäuscht sind und nicht wirklich abgewogen haben, was ich wochen- und monatelang getan habe. Man muss ja immer überlegen, welche anderen Möglichkeiten es gibt, und dann muss man handeln. Das heißt für mich, dem Schicksal eine Richtung geben. Ich habe 1999 als stv. Bundesparteiobmann für die Übernahme der Regierungsverantwortung gekämpft und war glücklich über die bürgerliche Koalition. Schon damals gab es eine Gruppe um Stadler, Mölzer, Kabas & Co., die sehr dagegen waren. Diese destruktive Gruppe bereitete ein Knittelfeld II vor.

VN: Sie werden nach der Angelobung der neuen Regierung zu Walter Klaus wechseln?

Gorbach: Ja, der wartet sehr auf mich und schätzt, dass ich nicht davongerannt bin. Er hat viel Geduld bewiesen und das zeichnet ihn aus, er ist ein toller Mann, der sich gut in die Rolle des Anderen hineindenken kann. Ich werde unmittelbar danach bei Walter Klaus tätig sein.

VN: Sind die Aufgaben bei Walter Klaus klar definiert?

Gorbach: Es geht um seine Entlastung. Eine vertrauensvolle Anlegenheit. Die Klaus-Gruppe ist stark gewachsen mit guten Leuten. Er hat das Recht, nicht noch mehr zu arbeiten, sondern an sich und seine Gesundheit zu denken. Bevor ich nach Wien gegangen bin, habe ich gesagt, dass ich nach Vorarlberg zurückkommen will und empfinde es als Privileg, hier arbeiten zu dürfen. Die Mitarbeit bei Walter Klaus hat sich aus vielen Gesprächen und aus Freundschaft ergeben.

(Interview führte MARIANNE MATHIS)

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