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Griechenland-Krise bringt auch Estlands Euro-Ambitionen in Gefahr

Das von der Regierung in Estland im Vorjahr zur wirtschaftspolitischen Causa Prima erklärte Ziel, 2011 den Euro einzuführen, droht angesichts der Krise eines ursprünglichen Euro-Mitglieds zu scheitern.

Trotz prinzipieller Einigung über ein massives EU-Hilfspaket an das finanziell schwer angeschlagene Griechenland mehren sich die Anzeichen, der Traum vom Euro-Beitritt könnte für die Esten in letzter Minute vorerst platzen.

Die jüngsten Äußerungen von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn fachten diesbezügliche Befürchtungen an. Rehn sagte am Mittwoch in Brüssel, der Beitritt Estlands zur Euro-Zone sei trotz vielversprechender makro-ökonomischer Daten keine ausgemachte Sache (“not a done deal”). Die Kommission würde vor allem die Inflations- und Budgetzahlen Estlands vor der für 12. Mai erwarteten Empfehlung noch einer eingehenden Prüfung unterziehen.

Analysten nahmen diese Aussage Rehns zum Anlass, für Estlands Euro-Beitritt erst einmal schwarz zu sehen. Unter anderem die kommendes Frühjahr in Estland anstehenden Parlamentswahlen würfen die Frage auf, ob die von der Regierung gehaltene, eiserne Budgetdisziplin nicht durch Populismus und wachsende Rufe nach Lockerung gefährdet sei, hieß es etwa in einer ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Analyse der Danske Bank.

Die Regierung von Ministerpräsident Andrus Ansip hatte durch harte Eingriffe in das Sozialsystem, unter anderem einer Kürzung des Arbeitslosengeldes, 2009 das Budgetdefizit in den Griff bekommen, dabei aber einen seiner Regierungspartner, die Sozialdemokraten, verloren.

Weiters argumentieren die Danske-Experten, dass mehrere Staaten, allen voran Deutschland, derzeit jede Erweiterung der Euro-Zone mit großer Skepsis betrachteten. Es sei daher eher realistisch, dass alle drei baltischen Staaten – neben Estland auch Lettland und Litauen – erst im Jahr 2014 den Euro bekommen könnten. “Economist”-Autor John Andrews sah in einem von “balticbusinessnews” zitierten E-Mail-Kommentar das “Risiko, dass die Euro-Einführung in Estland auf 2012 oder 2013 verschoben werden könnte”.

Estland erfüllt sowohl nach eigenen Angaben als auch laut EU-Prognosen derzeit alle Konvergenzkriterien. Laut Konjunkturprognose der EU-Kommission dürfte die Inflation bei unveränderter Politik heuer in Estland 1,3 Prozent betragen und 2011 auf 2 Prozent steigen. Das Budgetdefizit sollte mit jeweils 2,4 Prozent des BIP ebenso im Grünen Bereich bleiben wie die Gesamtschulden Estlands: 9,6 Prozent (2010), bzw. 12,4 Prozent (2011) des BIP.

Fraglich ist jedoch, ob die EU-Kommission zu dem Schluss kommt, dass die Prognose ausreichend gesichert ist und ob die von der Regierung in Tallinn geführte Politik “nachhaltig” ist. Selbst wenn dies der Fall ist und die Kommission kommenden Mittwoch die Aufnahme Estlands in die Euro-Zone empfiehlt, bleibt immer noch fraglich, ob auch die Regierungen aller EU-Mitglieder der Aufnahme tatsächlich zustimmen.

Estland wäre nach Slowenien, Malta, Zypern und der Slowakei das fünfte Land, das den Euro nachträglich einführt. Litauen scheiterte 2006 beim Inflationskriterium nur um Haaresbreite an der damals für 1. Jänner 2007 programmierten Einführung. Die Inflation in Litauen betrug damals 2,7 Prozent, während der EU-Durchschnitt bei 2,6 Prozent lag.

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