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"Gefahren machen nicht Halt"

Unter dem Namen Steuerhoheit werde das Falsche verkauft, so Landeshauptmann Herbert Sausgruber im Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten".Zum "VN"-Interview

VN: Finanzminister Molterer meinte zuletzt, er könne sich eine Steuerhoheit der Länder vorstellen. Sie auch?
Sausgruber: Die Kasse muss stimmen. Und in der Sache muss es Sinn machen. Und da klemmt es bei diesen Vorschlägen ganz gewaltig. Denn unter dem Namen Steuerhoheit wird immer das Gleiche verkauft: Man bekäme mehr Aufgaben und dafür eine Steuerhoheit über Grundsteuer und Auto. Und dann könnte man die Steuern erhöhen. Und ich will die Grundsteuer nicht erhöhen. Auch das Auto ist bereits ausreichend belastet. Da müssen wir nicht noch einen Zahn zulegen.

VN: Sind die Vorschläge des Bundes unausgegoren?
Sausgruber: Unausgegoren? Das ist höflich formuliert. Es scheint schon weitgehend die Absicht damit verbunden, Ländern und Gemeinden weitere Aufgaben zu übertragen, ohne das notwendige Geld mitzuliefern. Dann hätte man mehr Verantwortung und weniger Geld und irgendwann geht dir die Luft aus.

VN: Die FP forderte in Sachen Steuerhoheit zuletzt die Umsetzung des Schneider-Modells. Demnach sollten die Länder alle direkten Steuern bekommen.
Sausgruber: Ich kenne den Vorschlag. Der hat wenigstens den Charme, dass er von der Theorie her ordentliches Volumen bewegen würde. Aber auch dort gilt: Man müsste diese Steuerhoheits-Diskussion von der Wiener Unart befreien, zu sagen: ‚Da habt ihr einen Brocken und zugleich mehr Aufgaben‘. Und es gibt im Übrigen weitere Nachteile in diesem Modell.

VN: Es heißt, Sie erwarten sich kaum etwas von der Verwaltungsreform.
Sausgruber: Es haben Verwaltungsreformen auch schon positive Ergebnisse gebracht. Das wird auch diesmal so sein. Man darf die Reformen aber nicht mit Erwartungen verknüpfen, als wären da Milliarden an Einsparungen möglich. Das Volumen ist schlichtweg nicht zu holen. Trotzdem sollen die Bereinigung der Verfassung und die Reform der Schulverwaltung der Länder angegangen werden. Man muss die Sache aber realistisch sehen.

VN: Apropos. Mit ihrem Anti-Atomprotest stößt die Vorarlberger Politik buchstäblich an Grenzen.
Sausgruber: Es gibt rechtliche Einspruchsmöglichkeiten, die aber von Schweizer Organen entschieden werden. Und es wird wohl zu einer eidgenössischen Abstimmung kommen. Unsere Aufgabe ist es, sachlich auf Gefahren dieser Technologie hinzuweisen. Und dabei wollen wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir von draußen dreinreden wollen. Wir müssen aber deutlich sagen, dass wir Sorge um unseren Lebensraum haben – und dass Gefahren eben an der Grenze nicht Halt machen.

VN: Gemeinde-Kooperationen und Gemeinde-Fusionen werden lebhaft diskutiert. Gewünscht ist diese Debatte von der ÖVP nicht.
Sausgruber: Ich bin kein Freund von Fusionen. Ich bin ein Anhänger lebendiger, gewachsener Kleinstrukturen. Bei Kooperationen ist die Sache eine andere: Da sind wir mit dem Gemeindeverband dabei, einen Schwerpunkt zu setzen und Förderungen zu verstärken. Im Hochwasserschutz machten wir dies zuletzt. Und bei den Kinderbetreuungs-Förderungen wird es bald einen derartigen Vorstoß geben.

VN: Auch aus finanziellen Überlegungen?
Sausgruber: Nun, auch wenn Vermögenswerte geschaffen werden, sind die Gemeindeschulden im Steigen begriffen. Kooperationen haben aber nicht nur einen finanziellen Grund. Es ist gut, zu überlegen, was man bei Aufrechterhaltung der Gemeindeautonomie künftig besser gemeinsam tun kann. Das wird im Bereich der Kinderbetreuung, auch der Pflege immer wichtiger. Gemeinde-Kooperationen werden insgesamt ein Schwerpunkt der kommenden Jahre.

VN: Tourismus, Pflege, Häusle: Die ÖVP brachte zuletzt mehrere Themen kaum zu händeln, verstrickte sich in innerparteilichen Disputen.
Sausgruber: Ein gewisses Maß an Diskussionen ist in einer Partei, die verschiedene Gruppierungen, Regionen und Meinungen vertritt, ganz natürlich. Ansonsten wäre das ja eine tote Partei. Auch wenn manche Facette durchaus heftig ist. Negativ muss das aber nicht sein. Denn der entscheidende Punkt ist, dass man nach dem Diskussionsprozess auch die Kraft hat, eine brauchbare Lösung entstehen zu lassen. Dass am Schluss nicht nur die Polarisierung übrig bleibt.

VN: Wie soll die Lösung im Tourismus aussehen?
Sausgruber: Nun. Meine Aufgabe ist es nicht, eine Patentlösung zu finden. Die verstärkte Diskussion des Landesverbandes mit den Destinationen ist aber auf jeden Fall positiv.

VN: Am Destinationssystem, das der Landes-RH bereits kritisiert hatte, wollen Sie aber nicht rütteln?
Sausgruber: Nein. Es wäre nicht klug, die Destinationen abzuschaffen. Viel entscheidender ist ein gutes Verhältnis zwischen Tourismus-Verband, Land und Destinationen. Auch über die Aufgabenstellungen. Das Land ist bereit, am Schluss dieses Prozesses finanziell mehr zu tun, nicht nur im Volumen an sich, sondern vor allem in der Verteilung.

VN: Was ist Stand der Dinge in Sachen Letzetunnel?
Sausgruber: Da ist der Prozess weit gediehen. Unser Wille, zu bauen, ist ungebrochen. Und es ist auch die Bundesfinanzierung dort durch Gesetz unbefristet geregelt.

VN: Grün und Rot wollen seit Langem ein Ende der blau-schwarzen Koalition. Denn die FPÖ solle ja ohnehin nur die Absolute der ÖVP kaschieren…
Sausgruber: Das war kein Kaschieren. Ich wollte einen Partner, trotz absoluter Mehrheit. Das hat Tradition, ist auch ein Signal des Maßhaltens. Auch wenn klar ist, dass der Hauptpartner die wesentlichen Spielregeln vorgibt.

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