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Gazastreifen: Die Siedler wollen nicht weichen

Fest wie ein Fundament aus Beton ist die Ablehnung des Gaza-Rückzugsplans des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon im Siedlungsballungsraum Gusch Katif im südlichen Gazastreifen.

Die Siedler gießen dieser Tage immer neue Fundamente für neue Häuser in die Erde, die Sharon bis September kommenden Jahres aufgeben will. Es ist paradox: Seit der Regierungschef den politischen Glaubenskrieg um seine Räumungspläne für alle 21 Siedlungen im Gazastreifen und vier Siedlungen im Westjordanland entfacht hat und die Regierung Siedlern finanzielle Beihilfen streicht, wächst die Zahl der Siedler. Nach Angaben der Statistikbehörde ist die jüdische Bevölkerung im Gazastreifen seit Februar um 3,8 Prozent angewachsen.

„Die meisten Kommunen sind nicht in der Lage, die Neuankömmlinge aufzunehmen, und wir müssen bauen, das lässt die Nachfrage steigen“, sagt der Chef des regionalen Entwicklungsfonds von Gush Katif, Dror Vanunu. Allein im Sommer seien mindestens 60 Familien hinzugekommen. In der Siedlung Ganei Or seien 26 zumeist junge Paare mit Kindern zu den bisher etwa 50 Familien hinzugestoßen.

Sie bauen unermüdlich. Ein Dutzend Arbeiter haben den Tag über in der Siedlung Morag an neuen Häusern gewerkelt. Sie steigen am Nachmittag von einem Lastwagen herunter. Drei neue Häuser – noch sind es nur die Skelette ihrer Rohbauten – haben sie den rund 200 bereits vorhandenen Häusern hinzugefügt. Die Fundamente aus Zement lassen ihrer Form nach an Ferienhäuser denken. Gedacht sind sie für längere Zeit. Auch der Rasen, der den sandigen Untergrund bedecken wird, zeugt davon. Die Siedler wollen Tatsachen schaffen. Es ist eine Art Abstimmung.

Nichts deutet darauf hin, dass die rund 8200 Siedler in dem etwa 40 Kilometer langen und maximal 13 Kilometer breiten Gazastreifen am Mittelmeer vor der Politik in die Knie gehen werden. Zwar sei die Finanzierung des Ausbaus von Siedlungen problematisch geworden, sagt Vanunu. Seit zehn Tagen gibt es von der Regierung keine Garantien mehr für Hypotheken, die sich Siedler in Gush Katif aufladen. „Das ist neu, aber zum Glück gibt es reiche Leute hier zu Lande und im Ausland“, sagt Vanunu. Das Geld müsse nun eben von Privatleuten kommen.

Auch Haim Gross macht sich keine Sorgen. Eigentlich gebe der Staat für den Hausbau in den Siedlungen Zuschüsse; derzeit sei das nicht der Fall. „Wir haben diese Situation schon oft erlebt. In ein bis zwei Monaten wird alles wieder normal“, ist sich der Sicherheitsmann von Morag sicher. Was ihn so sicher macht, sagt er nicht. Aber man muss dieser Tage in Israel kein Politikwissenschaftler sein, um die prekäre Lage der Regierung Sharons zu erkennen. Sollte Sharon mit seiner Politik scheitern, wird es wohl vorgezogene Neuwahlen geben. Dann stünde auch der Gaza-Rückzugsplan wieder zur Debatte. Viel Zeit für den Bau neuer Häuser.

Die Siedler haben eine Kampagne gegen Sharon gestartet und ziehen dafür von Tür zu Tür. Mit kleinen Frucht- und Gemüsekörben als Geschenk werben sie bei ihren Landsleuten für ihre Sache. „Ich bin bereit zu gehen, wenn irgendjemand mir beweist, dass Frieden möglich ist, falls ich mich um zwei Kilometer in einen Kibbuz im Osten bewege“, sagt Anita Tucker. Die 58-Jährige zählt zu den Pionieren der im Jahr 1976 gegründeten Siedlung Nezer Hasani. Aber sie schließt diese Möglichkeit umgehend aus. Denn wenn die Siedler gingen, führe das nur zu „mehr Terrorismus“. Dagegen ängstige die Politik Sharons sie nicht besonders.

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