Griller erklärte in einem Pressegespräch mit NEOS-Budgetsprecher Rainer Hable, die Haftungen Kärntens, die in der von der EU-Kommission der heimischen Bundesregierung für Hypo-Beihilfen eingeräumten Übergangsfrist um 13,9 Mrd. Euro geklettert seien, habe das Bundesland teils unerlaubt übernommen. In welchem Ausmaß davon Beträge auch heute noch wirksam seien, lasse sich nicht genau feststellen, meinte der Europarechtsexperte, es gehe aber “in die Milliarden”.
EU-Rechtswidrigkeit stehe außer Frage
Eine EU-Rechtswidrigkeit von Landeshaftungen für ab 2003 neu aufgelaufene Verbindlichkeiten der Kärntner Hypo steht für den Uni-Professor deshalb außer Frage, da “der allerüberwiegendste Teil” davon “völlig neue Verbindlichkeiten” gewesen seien, die mit früheren nichts zu tun gehabt hätten.
Immerhin, so Griller, habe die Hypo plötzlich mit einem veränderten Geschäftsmodell (Stichwort Balkan-Expansion) und einer Vervielfachung ihres Geschäftsvolumens aufgewartet. Dadurch sind ja auch die Verbindlichkeiten der Hypo Alpe Adria Bank International AG wie bekannt von 2004 bis 2006 von 10,8 auf 24,7 Mrd. Euro explodiert, womit sich die Kärntner Haftungen um 13,9 Mrd. Euro erhöhten.
“Eklatanter Missbrauch”
Im Kern geht es nach Angaben des Rechtsexperten um die Interpretation eines Satzes im Schreiben der EU-Kommission aus dem Jahr 2003. Das Finanzministerium in Wien hatte – nach einem 2002 von Brüssel eingeleiteten Aufsichtsverfahrens gegen Österreich, um Bankenhaftungen öffentlicher Gebietskörperschaften als beihilfenrechtswidrig abzuschaffen – einem Aus für Landeshaftungen zugestimmt. In einem formlosen Schreiben gestand die EU-Kommission Österreich eine Übergangsfrist von 2.4.2003 bis 1.4.2007 zu – in dieser Zeit “kann die Ausfallshaftung für neu eingegangene Verbindlichkeiten aufrechterhalten bleiben”, zitierten Griller und Hable aus dem Brüsseler Papier. Dennoch sei auch nach diesem Zeitpunkt in der Praxis so getan worden, als könnte man weiterhin “auf Teufel komm raus” neue Verbindlichkeiten eingehen, kritisierte Griller. Das sei “ein eklatanter Missbrauch der Übergangsbestimmung” gewesen. Die Politik habe da “nicht genau genug hingeschaut”.
Auch durch das Hypo-Sondergesetz, das am Dienstag im Nationalratsplenum behandelt werden soll und das Nachrang-Gläubiger von Hypo-Anleihen mit Landeshaftung einen 100-prozentigen Ausfall bescheren soll, sei “die Nichtigkeit der Haftung und eine Insolvenz nicht vom Tisch”, meinte Griller. Denn das Beihilfenverbot gehe auf Nachfolgegesellschaften über, allerdings werde die Thematik durch das Gesetz ungleich komplizierter. Zum Haircut selbst sprach der Uni-Professor von einer “Ungleichbehandlung von Hypo-Gläubigern”, bei der man sich “die Nachteile daraus hätten sparen können” – nämlich “wenn man sagt, eine vernünftige Variante ist eine Insolvenz”. Ob sich die Klagsposition für Gläubiger, die um ihr Geld umfallen, durch seine neuen Erkenntnisse verbessere oder nicht, lasse sich “nicht sehr einfach beantworten”, räumte der Jurist ein.
“Juristische Bombe”
NEOS-Budgetsprecher Hable meinte, angesichts der vorliegenden Expertise von Griller “bricht die Argumentation von SPÖ und ÖVP für die Notverstaatlichung und gegen die Insolvenz endgültig zusammen”. Mit der Einschätzung des Europarechtlers, der sich auch Uni-Professoren wie Heinz Mayer, Walter Obwexer und Robert Rebhahn anschließen würden, gehe “eine juristische Bombe hoch”, und es platze eine politische. Denn bisher seien ja die Kärntner Landeshaftungen “das Fundament der Argumentation der SPÖ/ÖVP-Regierung gewesen”, nämlich “für die Rechtfertigung der sogenannten Notverstaatlichung 2009, gegen eine Insolvenz und für die Errichtung einer Abbaugesellschaft 2014”. Hable: “Die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses ist für mich umso dringlicher, weil nach wie vor nicht die ganze Wahrheit am Tisch liegt.”
(APA)
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