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Winnetous geheime Heimat

Im Sommer 1962 begannen hier die Aufnahmen für „Der Schatz im Silbersee“
Im Sommer 1962 begannen hier die Aufnahmen für „Der Schatz im Silbersee“ ©VN-C.Schreiber
In den kroatischen Bergregionen wurden die bekannten Filme mit dem Apachen-Häuptling gedreht.

Jeden Tag hat Marin Marasović auf die Indianer gewartet. Immer vormittags ritten sie an seiner Straße vorbei und steuerten auf die Paklenica-Schlucht zu. Marin war damals noch ein Kind, er traute sich nicht mitzugehen, um herauszufinden, was dort vor sich ging. Heute, exakt 50 Jahre später, kann er alles im Detail erklären. „Mein ganzes Leben habe ich mit Winnetou verbracht, alle Filme gesehen, alle Bücher gelesen.“

„Der Schatz im Silbersee“

Im Sommer 1962 begannen die Aufnahmen für „Der Schatz im Silbersee“. Es war der erste Film, noch im selben Jahr kam er in die Kinos und faszinierte die Zuschauer mit seinen schroffen Schluchten und seiner rauen Natur, die die unendlichen Weiten Amerikas vorgaukelten. Tatsächlich liegen einige Winnetou-Drehplätze aber wenige Meter hinter Marins Elternhaus im kroatischen Starigrad. In der Bergregion rund um den Nationalpark Paklenica wurde in den 1960er-Jahren ein Dutzend Streifen gedreht. Statt Filmemachern kommen heute Karl-May-Fans und erinnern sich an den Autor, der vor hundert Jahren gestorben ist. Und natürlich an seine berühmteste Figur. Manche Plätze haben sich nur wenig verändert, bei anderen hält man es kaum für möglich, dass dort einmal Fernsehkameras standen.
Die Paklenica-Schlucht bietet noch immer ein Naturschauspiel, aber von den hohen Granitwänden baumeln Seile, an denen Kletterer hängen, der einst wilde Fluss wurde gebändigt. Lediglich Schilder weisen auf die Szenen hin, in denen Banditen Postkutschen überfielen und Indianer sich von Felsen auf ihre Feinde stürzten.

Wandern als Eintrittskarte

Ein Besuch hier ist die beste Möglichkeit, sich dem Thema Winnetou zu nähern. Sobald man ein Stück weiter in die Schlucht gewandert ist als die Bustouristen, erblickt man die ursprüngliche, wilde Natur. Die bleichen Berge lugen durch das Dach des Waldes, der bald den Blick freigibt auf die Gipfel. Über die Plateaus weht ein strammer Wind, der dürre Äste vor sich hertreibt. Eine Szene aus dem Bilderbuch der Westernfilmer. Nach zwei, drei Stunden fühlt man sich denn auch Winnetou und seinen Apachen nahe, summt leise die berühmte Filmmelodie des Komponisten Martin Böttcher und würde auf der Stelle eine Verbrüderung eingehen.

Wer einen ersten Schritt auf Winnetou zumachen will, braucht nicht mehr als Trekkingschuhe und Brotzeit für eine eintägige Tour. Wandern ist die einzige Möglichkeit, um ein Gespür für die Natur und einen Einblick in die Winnetou-Szenerie zu bekommen. Aber um die wichtigsten Schauplätze der Region zu besuchen, braucht es doch einen Jeep, der sich durchs Geröll frisst. Und einen Winnetou-Guide wie Zvonimir Čubelić. Als er zur Welt kam, waren die Filme längst abgedreht. Aber die Indianer haben ihn schon in seiner Kindheit gefesselt und nicht mehr losgelassen.

Die Zrmanja bahnt sich ihren Weg durch die Schlucht, hoch droben turnt Zvonimir über die Felsen, macht Indianer-Geräusche und wartet auf das Klicken der Kameras. Bei Winnetou hat der Fluss als Rio Pecos Karriere gemacht. „Sieht aus wie der Grand Canyon, ist aber in Kroatien“, nickt Zvonimir stolz. Von hier aus blicken Winnetou-Touristen auch auf das markante Bergmassiv des Tulove Grede (Nugget tsil), unter dessen Felsnadeln sich einige der emotionalsten Momente im Leben Winnetous abspielten. In einer halbstündigen Fahrt gelangt man auf Asphalt- und Schotterwegen hinauf.

Stuntmen gab es damals übrigens noch keine – lediglich Komparsen wie Milan Čavić wurden gebraucht. Er wurde damals einfach auf ein Pferd gesetzt, obwohl er gar nicht reiten konnte. Milan hatte Angst vor den Vierbeinern und musste in einem der drei Filme, in denen er mitspielte, sogar einen Pferdedieb mimen. „Man hat mich so gut geschminkt, dass mich meine Mutter nicht wiedererkannt hat“, sagt der 69-Jährige mit der großen Nase und dem langen Gesicht. Die Arbeit war gut bezahlt, aber manchmal musste er vier Stunden warten auf einen Einsatz von zehn Sekunden. „Zur Belohnung hat Pierre Brice am Abend das Feuerwasser rausgeholt und mit uns getrunken.“

 

REISE-INFOS

Anreise: Derzeit sind keine Direktflüge von Österreich nach Zadar geplant. Alternative: Flug nach Split, weiter mit dem Mietwagen. Beispiel: Wien-Split-Wien ab etwa 200 Euro mit Croatia Airlines. Zweite Alternative: Ab München mit Lufthansa nach Zadar und zurück ab etwa 250 Euro (Infos im Internet unter www.lufthansa.com, www.croatiaairlines.com). Mit dem Auto am besten über Zagreb und dann der kroatischen A1 Richtung Zadar folgen.
Winnetou-Tour: Fotosafari auf Winnetous Spuren. Achtstündige Rundfahrt mit leichten Wanderungen ab Starigrad (50 Euro p.P. inkl. Essen und Trinken, www.hotel-rajna.com).
Veranstalter: Der DAV Summit-Club bietet 14-tägige Wanderreisen nach Kroatien, leichte bis mittlere Trekkingtouren auf Winnetous Spuren. Nächster Termin: 22. September bis
5. Oktober 2012 (1995 Euro inkl. Flug/HP, www.dav-summit-club.de).

 

 

VN-C.Schreiber

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