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Vorarlberg: „Wir waren die Prinzen von Schwarzach“

Auf die schiefe Bahn und zurück: Unternehmersohn und Schundheft-Autor Georg Schelling (52) über Partys, Drogen, Rotlicht und Gefängnis.
Auf die schiefe Bahn und zurück: Unternehmersohn und Schundheft-Autor Georg Schelling (52) über Partys, Drogen, Rotlicht und Gefängnis. ©MiK
Auf die schiefe Bahn und zurück: Unternehmersohn und Schundheft-Autor Georg Schelling (52) im WANN & WO-Gespräch über Partys, Drogen, Rotlicht und Gefängnis.

„Im ersten Drittel meines Lebens war ich von Beruf Sohn. Wir waren sozusagen die Prinzen von Schwarzach“, erklärt Georg. An Geld habe es der reichen Unternehmerfamilie Schelling nicht gemangel. „Für uns war nichts tabu – und ich war sogar der gute Sohn – bei meinem Bruder war dafür aber nicht viel nötig. Der ist eigentlich bekannter als ich, war z.B. mal Stadionsprecher in Lustenau – heute geht es ihm aufgrund von Alkoholkonsum nicht mehr gut. Seine Rolle habe ich jetzt aber schon ein wenig übernommen.“

„Poolparty!“

„Wir hatten damals den wohl größten privaten Pool Vorarlbergs – perfekt für gigantische Partys!“, erinnert er sich. „Ich war 16 und fuhr noch mit meiner Schwester und den Eltern in den Urlaub.

Mein Bruder ist daheim geblieben und hat eine fünftägige Poolparty mit über 100 Gästen geschmissen – danach hat er sich einen Monat nicht nach Hause getraut, bis ich zwischen Vater und ihm vermittelt habe. Von dieser Party redet man in Dornbirn und Schwarzach heute noch!“

„Einige Tiefpunkte“

Nach der Matura am BG Schoren ging Georg nach Graz, um dem Wunsch der Eltern entsprechend an der Technischen Universität zu studieren. „Das hab ich aber nicht lange gemacht, sondern recht bald auf BWL gewechselt. Im Nachhinein muss ich sagen, wäre Jus vielleicht noch besser gewesen, in Anbetracht dessen, was wenig später mit der Firma auf unsere Familie zukam. (Anm. d. Redaktion: Vor rund 20 Jahren war der Konkurs des Familienbetriebs Schelling Anlagenbau der bis dahin größte Insolvenzfall Vorarlbergs.)

Mein Vater sagte, es sei eine der größten Enttäuschungen seines Lebens, was mir sehr zu schaffen machte. So ist im mittleren Drittel meines bisherigen Lebens einiges schief gelaufen. Das Beste aus dieser Zeit sind meine drei Kinder, die alle wunderbare Menschen geworden sind. Die Scheidung hat uns alle sehr mitgenommen und ich war eine Weile nicht der beste Papa.

Durch ein tragisches Ereignis – voriges Jahr starb meine Ex-Frau – sind wir uns wieder näher gekommen. Ansonsten hat es für mich schon einige Tiefpunkte gegeben. In bürgerlichen Jobs war ich nicht sehr erfolgreich – was nicht heißen soll, dass ich es nicht versucht hätte.“

„Wilde Geschichten“

Georg habe dann mit Unterbrechungen rund fünf Jahre als Taxifahrer gearbeitet. „In dieser Zeit kam ich in Kontakt mit dem Dornbirner Untergrund, auch der Rotlichtszene. Vom Bahnhof zu einschlägigen Lokalen und zurück. Als Taxifahrer erlebt man schon wilde Geschichten. Firmen- oder Lehrerausflüge nach Südtirol und zum Abschluss noch einen Tag in Innsbruck ins Bordell. Ein Lustenauer hat seiner Frau nach so einem Ausflug erzählt, er sei einen Tag früher heim gefahren und nicht mehr ins Puff gegangen. Die Frau: ,Du Lappe, jetzt moanand alle, mir hond koa Geald!‘ (lacht).“

1500 Gramm Marihuana

Auf dem Cover des im Verlag Unartproduktion erschienenen Schundheft [No 16] „Das Kapital der 7 Schrägen Vögel“ ist ein Faksimile eines Strafantrags der Staatsanwaltschaft Feldkirch: „Es ging um den Anbau von 1500 Gramm Marihuana, das ist nicht wenig. Hätte man mir einen Vertrieb nachweisen können, wäre das nicht so glimpflich ausgegangen. So habe ich eine bedingte Haftstrafe bekommen – ich darf also erst im Herbst wieder etwas anstellen (lacht). Ehrlich gesagt, bin ich für eine komplette Freigabe von Cannabis. Für mich ist es eine Einstellungssache, Marihuana steht für Freiheit.“

Zuhälter in Dornbirn?

Cannabis anzubauen habe Georg begonnen, weil eine andere Einkunftsmöglichkeit versiegt sei: „Ich wollte meine Wohnung vermieten und wurde dann gefragt, ob ich sie an Prostituierte vergeben würde. Nicht um Freier zu empfangen, hieß es – dem war aber dann schlussendlich doch so, wie ich erfahren musste. Wegen einer Drohung der Nachbarn, mich anzuzeigen, habe ich das dann beendet. Aber diese Frauen aus Rumänien, Weißrussland und anderen Ländern waren eigentlich alle in mich verliebt – sie sind mir halt oft fremd gegangen (lacht)! Für die Nachbarn habe ich etwas Ruhigeres gemacht und Cannabis angebaut. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich das richtig auf die Reihe bekommen habe. Die 90 Pflanzen, 1,5 kg, waren der erste Erfolg – dann wurde ich verpfiffen.“

„Noch mehr zu erzählen“

Aus seiner Taxizeit hatte Georg noch einige unbezahlte Strafzettel – rund 1200 Euro waren offen. „Ich hatte kein Geld und musste 16 Tage in den Knast gehen. Dort war mir so langweilig, dass ich angefangen habe, meine Gedanken niederzuschreiben. Einen Teil dieser Textfragmente habe ich jetzt zusammen mit Ulrich ,Gaul‘ Gabriel als Schundheft veröffentlicht. Ich hoffe, damit geht es jetzt langsam richtig los und ich habe noch mehr zu erzählen. Geschichten aus meiner Zeit als Student in Graz oder so. Ich habe auch etwas über meinen Gefängnisaufenthalt in Bludenz geschrieben. Wenn sich jemand für diese Werke interessiert, die gibt es vorerst noch bei mir, gebunden, ausgedruckt auf A4.“

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen.

(WANN & WO)

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