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"Pflasterlpicken und Schnellschüsse in der Jugendwohlfahrt kontraproduktiv"

Wien/Feldkirch - Der Österreichische Berufsverband und der Landesverband Vorarlberg der SozialarbeiterInnen begrüssen in einer Aussendung am Dienstag, dass Initiativen seitens der Landesregierung begonnen wurden, um die Situation in der Jugendwohlfahrt in Vorarlberg zu entschärfen.

Was gerade nach dem tragischen Tod des dreijährigen Cain so traurig stimme, sei die Tatsache, dass diese Initiativen eigentlich schon vor zehn und mehr Jahren hätten ergriffen werden müssen und leider nur kleine Teile der notwendigen Veränderungen darstellten.

Die Jahrzehnte lange Praxis, dass MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst möglichst wenig Geld kosten durften und kein neues Personal eingestellt werden dürfe, sei ein evidenter Faktor, der auch mit dafür verantwortlich sei, dass es zu diesem tragischen Vorfall gekommen sei. Auf Dauer führe diese Haltung zur dramatischen Verringerung von Qualität, zu Burn-Out und Demotivation bei den SozialarbeiterInnen und damit im sensiblen Bereich der Jugendwohlfahrt, nicht nur zum Nichterreichen von Hilfsbedürftigen sondern auch zu Katastrophen.

Der Wurm stecke im System und deshalb sei zu begrüßen, wenn alle Bereiche und Komponenten durchleuchtet werden. Der Berufsverband knüpfe an der Kritik des Landesrechnungshofes sowie des Landesvolksanwaltes und der unerledigten Petition des Berufsverbandes an den Vorarlberger Landtag an und fordere:

– Wissenschaftliche und von objektiven Stellen unter Einbeziehung des Berufsverbandes erstellte Pensumberechnungen, eine der Qualität verpflichtete objektive Personalplanungsstudie.

– Ein unverzügliches Ende der Diskriminierung bei der Einstufung der SozialarbeiterInnen im Landes- und  Gemeindebedienstetengesetz.

– Eine Einstufung, die den tatsächlichen Belastungen und Verantwortlichkeiten entspricht.

– Die unverzügliche Einführung des Vieraugenprinzips bei der Abklärung in Gefährdungsfällen und weitere Verbesserungen der fachlichen Standards generell.

– Mehr Zeit sowie bessere Bedingungen und Strukturen zur Kooperation mit anderen Organisationen wie z.B. der Exekutive, Gerichten, Beratungsstellen und NGOs.

Die derzeitige Diskriminierung der SozialarbeiterInnen unterlaufe die Bestrebungen des Landes, für die verantwortliche Arbeit in der öffentlichen Jugendwohlfahrt die besten Fachkräfte ansprechen und für diese Aufgaben gewinnen zu können.

Denn sie sollten nicht nur in der Abklärung von Gefährdungen die richtigen Entscheidungen herbeiführen und treffen, sondern in der Folge auch andere Fachdienste beauftragen und deren Arbeit auf längere Sicht koordinieren und überwachen.

Jugendwohlfahrt ist weder eine Produktionsfirma noch eine Consulting Company

Das Wesentliche der Dienstleistung sei Hilfe auf der Basis von Vertrauen und Beziehung und sozialer Kontrolle. Dazu brauche es Zeit, gut geschulte und gut motivierte SozialarbeiterInnen, die in dieser Weise wirksam werden könnten. Der Aufbau eines effektiven und humanen Jugendwohlfahrtssystems könne nicht durch die Schulung und Einschulung in “Schnellsiedekursen” und mit rasch ausgeliehenen Kräften aus anderen NGOs erfolgreich bewerkstelligt werden, solche Maßnahmen könnten maximal eine Überbrückung darstellen.

Was bleibe, sei die Forderung nach substantiellen Reformen und dabei sei auch auf Bundesebene ein neues und die Qualität sicherndes Kinder- und Jugendhilfegesetz gemeint, das leider durch den Einspruch der Bundesländer, auch Vorarlbergs, noch immer auf Eis liege. Die Folgen seien in allen Medien nachzulesen.

Ebenso müsse die Forderung nach einem Berufsgesetz für Sozialarbeit auf Bundesebene unterstrichen werden:

– Es kann nicht sein, dass eine Berufsgruppe, deren Aufgabe auch darin besteht sich in das Leben von Menschen einzuschalten, ihr Wohl und ihre zukünftigen Entwicklungschancen mitzubestimmen, ohne klaren gesetzlichen Rahmen agiert.

– Es kann nicht sein, dass es dem Gutdünken von fachlich kaum erfahrenen Politikern oder professionell nicht qualifizierten Juristen in den zuständigen Behörden überlassen wird darüber zu entscheiden, dass sozialarbeiterische Aufgaben in der Jugendwohlfahrt als “Praktikum” von PsychologInnen in Ausbildung
(Negativbeispiel Burgenland) erledigt werden.

– Es kann auch nicht sein, dass sich jedes Bundesland die entsprechenden Regelungen selbst festlegt und bei Bedarf, je nach Budgetsituation, die qualitätssichernden Maßnahmen außer Kraft setzt.

Daher werde nochmals die Forderung des OBDS-Österreich und des Landesverbandes Vorarlberg gestellt, Nägel mit Köpfen zu machen und endlich umfassend, die für Qualität in der Sozialarbeit und Qualität in der Jugendwohlfahrt notwendigen, fachlich richtigen und zielführenden Entscheidungen zu treffen. Der Berufsverband stehe als Gesprächspartner bereit.

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