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„Konsum zwischen Müllbergen und Urin“

Bei Aufräumaktionen des do it yourself gefundene Fixerutensilien.
Bei Aufräumaktionen des do it yourself gefundene Fixerutensilien. ©do it yourself
Schwarzach - Intravenöser Drogenkonsum ist unbestreitbarer Fakt, wissen die Studenten der FHV aus ihren Praktika und fordern deshalb im Gespräch mit W&W die Einrichtung von Safer-Use Räumen.

„Das ganze Land weiß, dass konsumiert wird, aber nichts passiert”, zeigt sich Wolfgang Waldner, angehender Sozialarbeiter und Mitglied der Studentenbewegung SÖPPS an der FHV empört, „in unseren Praktika bot sich über dasselbe Bild – egal ob rund ums Ex & Hopp, das do it yourself oder in der Umgebung der Caritas: Im ganzen Land gibt es bekannte Orte, an denen intravenös konsumiert wird, sowohl Heroin, als auch Subsitutionsmittel. Das ist einfach Fakt. Ich spreche mich deshalb ganz klar für Safer-Use Räume aus. Ich habe auch das Gefühl, dass die Einrichtungen sich nicht trauen, die Probleme anzusprechen, weil das Land ihnen dann Gelder streichen könnte. Zudem bin ich für eine Komission aus Experten dieses Fachbereich (auch mit Personen aus der FH), anstelle eines einzelnen Landesdrogenbeauftragten.”

Erfahrungsberichte

Was die jungen engagierten Studenten in ihren Praktika erlebten, zeigt, wie dringend notwendig eine sachliche Diskussion zu dem Thema ist. Cathrin Müller war im Praktikum 13 Monate lang im Oberland unterwegs, unter anderem als Streetworkerin. Sie erzählt: „Ich habe während des Praktikums in Feldkirch tiefe Einblicke in die Szene gewonnen. In den Einrichtungen gibt es schadensminimierende Angebote (Spritzentausch, saubere Utensilien, etc.), zudem können an Spritzenautomaten auch Safer-Use Sets (Spritzen, Tupfer, Kondome) gekauft werden. Safer-Use Räume würden aber zusätzlich die Würde der Menschen bewahren und die Öffentlichkeit entlasten. Als ich als Streetworkerin unterwegs war, fanden wir Spritzen auf dem Bahnhofsgelände, an Spielplätzen etc. Extrem war (und ist) die Lage auf einem bekannten Feldkircher Platz: Hier wird zwischen Urinpfützen und Müllbergen konsumiert.”

Auch Melanie Hammerer hat in ihrem Praktikum einiges erlebt, wie sie berichtet: „Der Konsum lässt sich nicht verhindern – er kommt vor und wird totgeschwiegen. Eine drogenfreie Gesellschaft hat es nie gegeben und wir es auch nie geben. Es kommt immer wieder vor, dass sich die Süchtigen ihren Stoff in den WCs der Einrichtungen spritzen. Den Institutionen bleibt dann oft nur die Möglichkeit, die Klienten zuverwarnen und vor die Tür zu setzen – das ist vor allem im Winter keine einfache Entscheidung.”

Drogenpolitik überdenken

Die Studenten der FH fordern eine Überarbeitung der Drogenpolitik. Es gehe in dieser Diskussion ja auch um Menschenrechte und Menschenwürde – diese könnten mit Safer-Use Räumen bewahrt werden. Nun liegt es an den Verantwortlichen, den Süchtigen ihre Würde zurückzugeben.

Statements

Dowas, Bregenz: Michael Diettrich: „Aufgrund der (noch) fehlenden niederschwelligen Drogeneinrichtung in der Landeshauptstadt, zieht es die Bregenzer Süchtigen überwiegend ins Ex & Hopp nach Dornbirn. Dennoch kennt man auch hier das Problem mit illegalem Drogenkonsum. In den Notschlafstellen werden zwischendurch immer wieder gebrauchte Spritzen entdeckt. Wir sind für Safer-Use Räume, jedoch missfällt uns die Art und Weise, wie die Diskussion aktuell geführt wird.“

Ex & Hopp, Dornbirn: Die Dornbirner Institution setzt sich bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Einrichtung eines Safer- Use Raumes im Land ein. Die rechtliche Situation ist unklar, da das Konzept intravenösen Konsum von Substitutionsmitteln vorsieht, was eine unsachgemäße Verwendung der Drogenersatzstoffe darstellt. Das Ex & Hopp bietet seit längerem Safer-Use Kurse an. „Derzeit treffen sich die Süchtigen – trotz Absperrung – auf einer Baustelle neben der Drogeneinrichtung“, Bernhard Amann.

OJA, Feldkirch: Gerhard Keckeis: „Auch wir befürworten Safer-Use Räume. Immer wieder werden von uns an öffentlichen Plätzen, WCs sowie Spielplätzen gebrauchte Spritzen gefunden. Damit Süchtige sich ihren Schuss nicht im Jugendhaus setzen, werden außerhalb der Betriebszeiten nicht nur das Gebäude selbst, sondern sicherheitshalber auch die Sanitäreinrichtungen des Graf Hugo abgeschlossen. Eine Installation von Safer-Use Räumen würde nicht nur die Süchtigen entlasten (die ihren Stoff trotz Verbote konsumieren), sondern auch die Öffentlichkeit. Aber vielleicht muss sich erst ein Kind mit einer Spritze stechen, bevor etwas geändert wird.“

do it yourself, Bludenz: Die Bludenzer Einrichtung gab nach Erscheinen der Wann & Wo vom Sonntag, 27. Oktober, eine Stellungnahme ab. Markus Kornberger schreibt darin: „Wir unterstützen die Bestrebungen der Kontakt- und Anlaufstelle Ex & Hopp, in ihren Räumlichkeiten einen Safer-Use Raum einzurichten. Konsumräume für intravenös Drogenabhängige haben sich in vielen Ländern Europas bewährt. Es ist höchste Zeit, dass auch in Österreich solche Angebote geschaffen werden“ und weiter „Tatsache ist, dass es manche Drogenabhängige nicht schaffen, ohne int ravenösen Konsum zu leben, auch wenn sie in einem Drogenersatzprogramm behandelt werden. Deshalb ist es möglichst zu vermeiden, dass öffentliche Toiletten, Parkanlagen und andere Orte des öffentlichen Raumes für intravenösen Drogenkonsum benutzt werden und Drogenabhängige damit sich selbst und die Bevölkerung gefährden.“

„Wir müssen neue Wege gehen, um Suchtkranken ihre Würde zurückzugeben“
Prof. (FH) Dr. Dipl. Soz.-Päd. Christian Dorn, Verantwortlicher für das Handlungsfeld Sucht FHV: „Die Prohibition hat schon zuviele Opfer gefordert und ist – wie vielfach zweifelsfrei belegt – grandios gescheitert. In ihrem noch immer weitreichenden Schatten zeugt die Initiative des Ex & Hopp von einem gut funktionierenden Realitätssinn, großem Sachverstand und erheblichem Mut. Wir müssen neue Wege gehen, das ist der einzige Weg um den suchtkranken Menschen die Menschenwürde zurückzugeben und unsere Kinder und Gesellschaft vor den widrigen Begleiterscheinungen zu schützen.”

„Es geht schließlich um Menschen“
Roland Jäger, Student Soziale Arbeit, FHV: „Dass in Vorarlberg konsumiert wird, ist eine Tatsache – da muss man nur mit offenen Augen durchs Land gehen. Wir müssen aufhören, nicht umsetzbaren Paradigmen wie Abstinenz oder Prohibition nachzurennen. Ich würde mir einen pragmatischen Umgang mit der Thematik wünschen. Es geht schließlich um Menschen.“

„Mehrere User nutzen eine Spritze“
Larissa Kohberger, Studentin Soziale Arbeit, FHV: „Die Klienten sind gezwungen, privat oder im öffentlichen Raum zu konsumieren. Nicht selten werden Einmalspritzen mehrfach verwendet und das oft nicht nur von einem User. Safer-Use Räume könnten das verhindern.“

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