Auf die Idee, dass die kleine Wohnanlage, die in nur zehn Monaten Bauzeit entstanden ist, kein “normales” Wohnhaus, sondern eines für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist, käme man nie. Sollte man auch nicht. Die sechs Wohnungen – je drei mit knapp 40 bzw. 50 Quadratmetern – sind dieser Tage bezogen worden. Was die Mieter von anderen unterscheidet, ist, dass sie alle zwischen 70 und 87 Jahren alt sind und mehr oder weniger Hilfe brauchen. Die sie in diesem Haus maßgeschneidert für ihre Bedürfnisse auch bekommen und trotzdem selbstbestimmt leben.
Das Grundstück, auf dem Johannes Lampert das Haus gebaut hat, war seit Generationen in Familienbesitz. Da er es für sich selbst nicht brauchte, sollte hier ein Haus entstehen, das „von nachhaltigem Nutzen ist“, so Günter Lampert, der als Aufsichtsratsvorsitzender der Vorarlberger gemeinnützigen Wohnungsbau und Siedlungsgesellschaft und ehemaliger Feldkircher Stadtrat für Soziales einschlägig vorbelastete Vater des Bauherrn. Gebaut auf einer mit ihren 636 Quadratmetern relativ kleinen Parzelle. Keine leichte Aufgabe für Architekt Johannes Kaufmann, dessen Umbau des Feldkircher Antoniushauses – einem Alten-Wohnund Pflegeheim – die Lamperts davon überzeugt hat, „dass er das kann“.
Nach einer langen und komplizierten Planungsphase, in der nicht zuletzt wegen des Kostendrucks das rein privat finanzierte Projekt mehrmals am Kippen war, wurde Ende November 2013 der Grundstein gelegt. Am 1. September dieses Jahres zogen bereits die ersten Mieter ein. In ein Haus, das bis auf den betonierten kleinen Keller und den Carport ausschließlich aus Holz gebaut ist. Das Flachdach und die Decken aus massiver Fichte, die Außenwände aus vorgefertigten Elementen in Holzrahmenbauweise. Einen sozialen Wohnbau rein in Holz zu machen, sei selbst im Land der Holzbauer noch immer eine Seltenheit, sagt Günter Lampert. Bedeutet für den selbst in einem Holzhaus Wohnenden allerdings „absoluten Wohlfühlfaktor“.
Um die größtmögliche Kubatur auf dem nur 19 Meter breiten und 33 Meter langen Grundstück umzusetzen und trotzdem eine Architektur zu machen, die leicht und luftig daherkommt, hat Johannes Kaufmann „gezaubert“. Indem er den straßenseitigen Teil des zweigeschoßigen Hauses aufständerte. Mit dem Effekt, dass das Volumen des Erdgeschoßes marginalisiert und gleichzeitig Platz für Autoabstellplätze geschaffen wird. Einen für jede Wohnung und einen für Besucher.
Alle sechs Wohnungen – genauso wie die Räume für die Betreuer – ausgerichtet und durch riesige, fast raumhohe Fenster geöffnet zu großzügig dimensionierten, überdachten Terrassen bzw. Balkonen. Ihre Brüstungen sind transparent und relativ niedrig, um etwa Rollstuhlfahrern den Blick nach außen nicht zu blockieren, denn Barrierefreiheit ist das Um und Auf einer Wohnanlage wie dieser. Das beginnt mit dem Fehlen von Schwellen, der Breite des Lifts und der Türen. Dass so viele Wohnungen nicht barrierefrei ausgestattet sind bzw. so viele Häuser keinen Lift haben, ist auch der Grund, weshalb sich das Nofler Haus um Mieter keine Sorgen machen muss. Noch dazu, da durch die Zusammenarbeit mit dem schon erwähnten Antoniushaus Betreuungssicherheit gegeben ist. Allerdings ganz nach dem Motto: so viel Selbstständigkeit wie möglich, so viel Hilfe wie nötig.
Das helle Grün, in dem die Türen des neuen Hauses gestrichen sind, strahlt Optimismus aus, der geschliffene graue Zement-Estrich in den Gängen und im Stiegenhaus Ankommensqualität. Die Böden in den Wohnungen sind aus Holz genauso wie die Decken, während die Wände weiß gestrichen sind. Jede Einheit besteht aus einem großen Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einem Bad und einem kleinen Abstellraum. Ein Küchenblock ist bereits eingebaut, die übrige Möblierung den Mietern überlassen. Beheizt wird das Niedrigenergiehaus mit Gas bzw. Sonnenkollektoren am Dach.
Neben dem Eingang steht auf einer kleinen, in die Wand eingelassenen Tafel: „Möge dieses Haus den Menschen ein Leben in Geborgenheit geben.“ Die Vorzeichen dafür sind jedenfalls bestens.
Daten & Fakten
Objekt: Wohnen im Alter – Feldkirch-Nofels
Eigentümer/ Bauherr: Johannes Lampert, Bildung und Beratung, Hatting
Architektur: Johannes Kaufmann, Dornbirn
Ingenieure/ Fachplaner: Statik: merz kley partner, Dornbirn; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung: 2012–2013
Ausführung: 2013–2014
Grundstücksgröße: 648 m²
Wohnnutzfläche: 472 m²
Anzahl Wohnungen: 6
Bauweise: Holzbau, betonierter Keller
Besonderheiten: weiß lackiertes Täfer in den Wohnräumen mit integrierten Wandschränken; Küche: Sonderfertigung Schreiner; Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit
Ausführung: Generalunternehmer: Rhomberg Bau, Bregenz
Energiekennwert: 33 kWh/m² im Jahr (Heizwärmebedarf)
Quelle: Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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19. 9.– 18. 10. 2014, Di.,–Fr., 14–17 Uhr, Do., bis 20 Uhr, Sa., 11–15 Uhr; Eröffnung am Donnerstag, 18. 9. 2014, um 19 Uhr
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