Das endgültige Ergebnis wird erst nach Auszählung aller Wahlkarten am Donnerstag feststehen. Sollten die Grünen nach 31 Jahren den Wiedereinzug ins Parlament verpassen, würden sie 8,9 Mio. Euro Fördergelder auf Bundesebene verlieren. Gleichzeitig müssten Millionenschulden aus dem Wahlkampf beglichen werden. Aber auch die Auflösung des Parlamentsklubs und die wohl notwendige drastische Verkleinerung der Parteizentrale würden Kosten in Millionenhöhe verursachen. Außerdem würden dutzende Mitarbeiter ihren Job verlieren. Die Kosten müssen und werden wohl die Landesparteien tragen.
Erste Personelle Konsequenzen gefordert
Die meisten Länder haben sich bereits solidarisch erklärt. Es gab aber auch erste Rufe nach einem Köpferollen. Der Bezirksvorsteher von Wien-Neubau, der wichtigsten Hochburg der Wiener Grünen, Thomas Blimlinger, forderte den Rücktritt des Bundesvorstands. Seiner Ansicht nach sind die Ursachen für den Absturz nicht alleine in den Ereignissen der vergangenen Monate zu sehen, sondern auch auf langjährige Fehler der Bundespartei zurückzuführen. “Teile der Ursache sind nicht neu, sondern es sind auch in den letzten zehn, zwölf Jahren Fehler gemacht worden.” Die Grünen seien “eine stinknormale Partei, die nichts Neues an sich hat”. Auch der Wiener Landessprecher Joachim Kovacs plädierte für einen Neustart. “Dass es nicht so weitergehen kann, ist hoffentlich allen klar”, sagte er am Montag im APA-Gespräch.
“Schonungslose” Analyse gefordert
Abwartend zeigten sich die steirischen Grünen. Der Kärntner Rolf Holub appellierte für Zusammenhalt. “Es wird schwer genug sein, die Bundespartei wieder aufzubauen. Wir suchen Lösungen, keine Schuldigen.” Die Tiroler Grünen verlangten nach einer “schonungslosen” Analyse. Am Ende des Prozesses soll dann darüber entschieden werden, ob bzw. welche Personalentscheidungen folgen sollen, sagte Geschäftsführer Thimo Fiesel. Helga Krismer, Landessprecherin der NÖ Grünen, meinte, es wäre “Personalkonsequenz genug”, wenn es keine Abgeordneten der Grünen im Parlament mehr gebe. Es handle sich um eine “dramatische Situation”.
Erste Köpfe könnten schon am Dienstag ausgetauscht werden
Erste Köpfe könnten schon morgen, Dienstag, im Bundesvorstand ausgetauscht werden. Diesem Gremium gehören u.a. Bundessprecherin Ingrid Felipe, Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik und Werner Kogler an. Am Freitag, wenn das Wahlergebnis inklusive Wahlkarten endgültig feststeht, trifft sich der Erweiterte Bundesvorstand.
Entscheidend werden für die Grünen die kommenden Landtagswahlen und damit die Frage sein, ob sie sich in den Landtagen halten können. 2018 stehen insgesamt vier am Programm: in Kärnten, Salzburg, Niederösterreich und Tirol.
Voggenhuber spricht von “selbst verschuldeter Tragödie”
Als selbst verschuldete “Tragödie” hat das grüne Urgestein Johannes Voggenhuber das Wahlergebnis der Grünen bezeichnet. Die Führungsriege der Öko-Partei habe sich seit Jahren “von Kritik abgeschottet und konnte die Warnsignale nicht wahrnehmen”, so Voggenhuber im Gespräch mit der APA. Die einzige Möglichkeit, wieder auf die Beine zu kommen, “ist eine Neugründung”.
Für Voggenhuber ist der dramatische Absturz der Grünen “keine Laune der Bevölkerung” gewesen. Die Grünen hätten in den letzten Jahren einen “gewaltigen Anpassungsprozess” durchlaufen.
Sickinger: Länder-Unterstützung für Bundes-Grüne schwierig
Der Politikwissenschafter Hubert Sickinger geht nicht davon aus, dass die Grünen Landesparteien ohne weiteres für die Bundespartei einspringen können. Erstens verweist er gegenüber der APA auf die Finanzschwäche der Grünen in vielen Bundesländern. Außerdem sind die Fördermittel in einigen Ländern zweckgebunden.
“Zum Teil steht in den Landesgesetzen, dass das Geld nur für die politische Willensbildung auf Landesebene verwendbar ist”, sagt Sickinger und nennt als Beispiele etwa die Parteienförderung in Salzburg und Vorarlberg. Allenfalls könne man hier argumentieren, dass ein Teil der tatsächlich im Land angefallenen Wahlkampfkosten beglichen werde.
Ein Teil der Landesparteien ist zudem selbst finanzschwach bzw. steht vor Landtagswahlen. So erhalten die niederösterreichischen Grünen (stand 2015) nur 1,4 Mio. Euro Parteienförderung und müssen 2018 Landtagswahlen schlagen. “Das brauchen sie nächstes Jahr. Da (die Bundespartei, Anm.) zu entschulden, das wird schwierig”, so Sickinger. Auch in Salzburg, Kärnten und Tirol stehen Wahlen an.
Größtes Problem für die Grünen ist aus Sickingers Sicht, dass die Grünen mit ihrem Parlamentsklub nicht nur die Parteienförderung verlieren, sondern auch ihre politische Schaltzentrale. Die Abgeordneten und deren Mitarbeiter seien für den Außenauftritt der Partei zentral gewesen, so der Politikwissenschafter: “Wenn sie es schaffen, doch noch reinzukommen, sind sie mit zwei blauen Augen davongekommen.”
Unklar ist für Sickinger, ob die Grünen nach ihrem Aus im Nationalrat weiter Fördermittel für ihre vier Bundesrats- und drei EU-Abgeordneten erhalten würden. Das Klubfinanzierungsgesetz könnte aus seiner Sicht so gelesen werden, dass (geringe) Subventionen weiterhin möglich wären – oder eben nicht, je nach Auslegung des Gesetzes.
(APA/Red.)
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