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"Testamente mit Gefahrenpotenzial"

Bregenz - Die Justizministerin spricht sich für die Abschaffung des Drei-Zeugen-Testaments aus.

Frau Bandion-Ortner, während wir hier in Bregenz sitzen, findet am Feldkircher Gericht ein Pressegespräch mit Oberstaatsanwalt Spitzer zur Testamentsaffäre statt. So sehr wir uns über unser Interview freuen – aber warum nehmen Sie dort nicht zur Testamentsaffäre öffentlich Stellung?

Bandion-Ortner: Das wäre ein komplett falsches Signal. Eine unabhängige Justiz ist eines der wesentlichsten Elemente in einem Rechtsstaat. Ich habe natürlich Kontakt mit dem Oberstaatsanwalt, der mir berichtet. So ist der Dienstweg. Ich werde mich sicher nicht in Einzelverfahren einmischen.

Die Informationspolitik der Justiz in diesem Fall steht sowohl in Gerichtskreisen als auch in der Bevölkerung heftig in der Kritik. Sind Sie mit der Information der Öffentlichkeit in dieser Sache glücklich?

Bandion-Ortner: Ich gebe zu, da gibt es noch ein Verbesserungspotenzial. Das Problem, das wir haben, ist die Gratwanderung zwischen Transparenz und Amtsgeheimnis. Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, vor allem in Ermittlungsverfahren. Deshalb sind Richter und Staatsanwälte sehr vorsichtig, zu recht vorsichtig. Das wird uns dann halt oft als Untätigkeit und Ignoranz ausgelegt.

Die Aufklärung der Testamentsfälschungen scheint für die Ermittler ein Fass ohne Boden zu sein. Das Verfahren zieht sich lange hin. Was spricht eigentlich dagegen, geklärte Teilaspekte der Affäre vorzeitig zur Anklage zu bringen?

Bandion-Ortner: Das ist Sache des Staatsanwalts. So ein Verfahren geht natürlich nicht von heute auf morgen. Die Arbeit ist hier wirklich sehr umfangreich. Aber wie mir mitgeteilt wurde, soll es im Herbst die ersten Entscheidungen über Anklagen geben.

Die Causa Ratz liegt seit März bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Steyr. Mitte August soll über die Anklageerhebung entschieden werden. Es heißt – auch aus Gerichtskreisen –, dass das viel zu lange dauert.

Bandion-Ortner: Ich finde die Verfahrensdauer in diesem Fall vollkommen angemessen. Da kenne ich ganz andere Verfahren. Es wurden mehrere Fakten überprüft und das Bundeskriminalamt hat Dokumente untersucht. So etwas dauert. Es geht nicht nur um die Schnelligkeit von Verfahren, es geht vor allem um die Qualität.

Hat ihr Ministerium Ihrer Ansicht nach in dieser Angelegenheit alles denkbar Mögliche mit vollem Engagement und in schnellstmöglicher Zeit getan?

Bandion-Ortner: Natürlich bleiben die Sachen eine Zeit lang bei uns. Wir haben auch nur fünf Mitarbeiter, die österreichweit die Berichtsakten kontrollieren bzw. erarbeiten. Wir haben die kleinste Zentralstelle aller Ministerien. Noch dazu gibt es derzeit zahlreiche Großverfahren wie Hypo Alpe Adria oder Meinl.

Vorarlberger Justizmitarbeiter klagen, sie würden nun mit den Halunken in einen Topf geworfen. Wie kann eine Ministerin ihrem Justizpersonal hier den Rücken stärken?

Bandion-Ortner: Den Leuten vor Ort zu helfen, ist für mich natürlich sehr schwierig. Das macht der von mir beauftragte Oberlandesgerichtspräsident. Er ist immer wieder am Bezirksgericht Dornbirn und versucht dort unter anderem, den Mitarbeitern den Rücken zu stärken. Ich selbst habe die Mitarbeiter des BG Dornbirn vor einem Jahr kennengelernt und habe einen sehr guten Eindruck gehabt. Was die Dauer von Verfahren betrifft, ist das Dornbirner Bezirksgericht ja eines der schnellsten Gerichte in Österreich. Ich bitte auch darum, nicht alle Justizmitarbeiter in einen Topf zu werfen. Wir haben 11.oo0 Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten.

Aufgedeckt hat diesen Skandal eine junge, engagierte Bezirksrichterin. Wird Frau Amann gerichtsintern gewürdigt – und was halten Sie von ihrer Leistung?

Bandion-Ortner: Ich finde es sehr mutig, was sie da gemacht hat, und ich bin ihr sehr dankbar dafür. Natürlich wird sie belobigt. Wie hoch die Belohnung sein wird, kann ich nicht sagen. Das ist ein kompliziertes System in der Justiz. Ich hab damals für den BAWAG-Prozess etwa 400 Euro Belohnung bekommen, vor Steuern – für circa 100 Stunden die Woche (lacht).

In Österreich gibt es 141 Bezirksgerichte. Die Betrugsmasche von Dornbirn ist überall genauso möglich gewesen. Schließen Sie aus, dass alle anderen Gerichte sauber sind?

Bandion-Ortner: Wenn mehrere Menschen mit hoher krimineller Energie zusammenspielen, wird es schwierig, egal in welchem Bereich. Aber man darf jetzt nicht alles in einen Topf werfen. Bis jetzt haben wir keinen Verdacht, dass sich in anderen Gerichten ähnliche Dinge abgespielt haben. Wir werden jetzt natürlich strenger kontrollieren und vor allem die Leute sensibilisieren.

Die Macht der Rechtspfleger wurde durch den Skandal aufgezeigt. Hatten diese Gerichtsmitarbeiter zu viel Spielraum?

Bandion-Ortner: Das würde ich so nicht sagen. Natürlich haben sie wichtige Entscheidungen zu treffen, aber grundsätzlich habe ich Vertrauen in die Rechtspfleger. Wichtig ist: richtige Kontrolle, gute Aufsicht, ­Sensibilisierung.

Auch der VN-Ombudsmann hat angeregt, die Sicherheit der Testamente zu erhöhen. In welche Richtung gehen Ihre Überlegungen in Sachen fremdhändiges Testament?

Bandion-Ortner: Mit dem fremdhändigen Testament, also dem Drei-Zeugen-Testament, gibt es die meisten Probleme. Da ist die größte Manipulationsgefahr gegeben. Deswegen überlegen wir, ob man diese Testamentsform ändert oder einfach abschafft. Ich persönlich tendiere dazu, das fremdhändige Testament abzuschaffen.

Bis wann wollen Sie das umgesetzt haben?

Bandion-Ortner: Wir wollen die Erbrechtsreform nächstes Jahr richtig angehen, vielleicht kann man dieses Thema auch vorziehen. Ich kann allerdings nicht sagen, bis wann das Ganze umgesetzt wird, weil ja die Abgeordneten die Gesetze beschließen. Bei uns wird jedenfalls daran gearbeitet. Es gibt auch schon Textvorschläge, die aber erst akkordiert und mit Experten besprochen werden müssen.

Stichwort Dienstaufsicht und Revision. Welche Neuerungen gibt es hier bereits?

Bandion-Ortner: Es gibt jetzt bereits vermehrt Revisionen, auch unangekündigte Revisionen in ganz Österreich. Dabei werden beispielsweise die Testamentsregister strenger überprüft. Aus den Fällen am Bezirksgericht Dornbirn hat man natürlich schon etwas gelernt.

Was können Sie Geschädigten versprechen? Wie unkompliziert können Sie die eigentlich sehr komplexe Rückabwicklung überhaupt machen?

Bandion-Ortner: Wir wollen dafür sorgen, dass bereits in den Strafverfahren die Privatbeteiligtenansprüche abgegolten werden. Die Geschädigten sollen hier nicht jahrelang prozessieren müssen, sondern schnellstmöglich entschädigt werden.

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