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Testamente: "Der Skandal ist ein Super-Gau"

Schwarzach - Noch immer fragt sich die Öffentlichkeit, wie es möglich war, dass über Jahrzehnte hinweg hunderte Testamente in Vorarlberg gefälscht werden konnten. Der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer-Präsident Manhart erklärt die Situation von Grund auf.

„Testamente sollen die gesetzliche Erbfolge verändern, was oft Sinn macht. Anwälte und Notare informieren über die Möglichkeiten. Dann verfasst der Erblasser entweder ein eigenhändig geschriebenes Testament, das er unterschreiben und datieren muss. Oder er entscheidet sich für ein fremdhändiges Testament, auch Zeugentestament genannt, das auf der Schreibmaschine, per Computer oder eben durch einen Dritten geschrieben wird.“

Fremdhändige Testamente

Die Fälschungen traten bei den fremdhändigen Testamenten auf: „Damit fremdhändige Testamente Gültigkeit erlangen, müssen drei Zeugen den letzten Willen des Erblassers per Unterschrift bezeugen. Und weil die Gesetzeslage so ist, dass die Zeugen nur unterschreiben müssen, ohne dabei ihre Identität per Geburtsdatum und Adresse bekannt geben zu müssen, war es möglich, auf höchst kriminelle Art und Weise Testamente zu fälschen – weil die Zeugen einfach erfunden wurden.“

Gerichtsproblem

Der Testamentfälscher-Skandal hat das Vertrauen der Vorarlberger in die heimische Rechtsberatung bis ins Mark erschüttert. „Der Testamentfälscher-Skandal hat dramatische Ausmaße und ist ein Super-Gau, der die Menschen natürlich hochgradig verunsichert“, weiß Manhart und betont: „Der Skandal stellt alle Rechtsberater, also uns Anwälte, die Notare und Wirtschaftstreuhänder vor ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn die Menschen zählen uns Rechtsberater zu den Verursachern der Affäre. Tatsächlich hat sich aber alles beim Bezirksgericht Dornbirn abgespielt und ist ein gerichtliches Problem. Aber die Öffentlichkeit nimmt das nicht wirklich wahr.“ Dementsprechend sorgfältig verfolgen die Vorarlberger Rechtsberater die Medienberichterstattung um und rund um den Testamentfälscher-Skandal. Für Verwirrung sorgte bei den Vorarlberger Rechtsanwälten Aussagen von Notar Josef Fürhapter, die in einem Artikel in der Neue am Sonntag vom 14. Februar erschienen sind. Darin sagt Fürhapter: „Alle, die ihr Testament nicht beim Notar machen, gehen das Risiko ein, dass ihr letzter Wille unerfüllt bleibt. Wer sicher gehen will, dass sein letzter Wille in Erfüllung geht, sollte ein notarielles Testament machen und es alle fünf Jahre auf die Aktualität überprüfen.“ Eine Aussage, die so nicht richtig ist, wie Manhart erklärt: „Es gibt mehrere Testamentsformen, die wesentlichsten sind die privaten und öffentlichen Testamente, wobei öffentliche wie das gerichtliche oder notarielle Testament außerordentlich selten sind.“

Konflikt unter Experten

Öffentliche Testamente werden nur dann verfasst, wenn der Erblasser minderjährig, unmündig, blind, taub, stumm oder taubstumm ist. Manhart betont: „Ganz abgesehen davon bieten wir Anwälte die selbe Sicherheit wie Notare. Auch bei uns können und werden Testamente hinterlegt und beim zentralen Testamentsregister eingetragen. Bei dieser Handhabung – und da gebe ich Herrn Fürhapter natürlich recht – kann praktisch nichts passieren.“ Fürhapter erwidert: „Ich wurde dazu befragt, worauf die Menschen bei der Testamentserrichtung achten müssen. Ich habe aus Sicht des Notars geant­wortet. Eine hundert prozentige Sicherheit wird es im Leben wohl nirgends geben. Letztwillige Verfügungen, die vom Notar in Form eines Notariatsaktes oder eines notariellen Protokolles errichtet werden, weisen als öffentliche Urkunden jedoch in jedem Fall einen besonders hohen Sicherheitsstandard auf. Wobei derartige Urkunden auch bei nicht rechtlicher Notwendigkeit immer häufiger errichtet werden.“ Und weiter: „Ich habe mich nur dafür ausgesprochen, dass letztwillige Verfü­gungen vom Fachmann errichtet und dort hinterlegt werden, also nicht zu Hause verwahrt bleiben.“

Aufdeckung gefordert

Indes fordert Manhart eine lückenlose Aufklärung des Fälscher-Skandals und weiß auch, wie das Schlupfloch bei fremdhändigen Testamenten geschlossen werden kann: „Manche fordern die Abschaffung des fremdhändigen Testaments. Davon halte ich nichts, weil sonst Ehepaare kein gemeinsamenes Testament mehr aufsetzen können. Wir unterstützen den Vorschlag, dass die Zeugen ihre Idendität per Geburtsdatum und Adresse nachweisen müssen, damit bei der Testamentseröffnung Nachfragen möglich sind.“

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