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Schweizer Wohlstands-Paradox: Hohe Löhne, doch die Kaufkraft sinkt – Was steckt dahinter?

Auch die wohlhabenden Schweizer kämpfen mit der Kaufkraft.
Auch die wohlhabenden Schweizer kämpfen mit der Kaufkraft. ©Symbolfoto: APA, Canva Pro
In der Schweiz ringen selbst wohlhabende Bürger mit einem Verlust der Kaufkraft, trotz eines Anstiegs des Medianlohns, während in Österreich die Teuerung sich verlangsamt, aber immer noch über dem EU-Durchschnitt liegt.

Die Schweiz, bekannt für ihre hohe Lebensqualität und als Synonym für Wohlstand, steht vor einem paradoxen Phänomen: Trotz signifikanter Lohnerhöhungen leiden auch gutverdienende Schweizer unter einem Kaufkraftverlust. Die jüngste Analyse des Bundesamts für Statistik, zitiert von "Blick.ch", legt offen, dass der Medianlohn zwischen 2020 und 2022 zwar um 1,8 Prozent auf 6788 Schweizer Franken (ca. 6992 Euro) gestiegen ist, die Kaufkraft jedoch um 1,5 Prozent gesunken ist. Dieses Szenario führt zu spürbar weniger verfügbarem Einkommen für viele Haushalte.

Hintergründe des Kaufkraftverlustes

Der Direktor des Arbeitgeberverbands, Roland Müller, erläuterte gegenüber "Blick.ch", dass der marginale Lohnanstieg eine Reaktion auf das "krisenhafte Umfeld" der vergangenen Jahre sei. Die Pandemie, Lieferengpässe, steigende Energiepreise und der Ukraine-Krieg hätten die Unternehmenslandschaft nachhaltig beeinträchtigt. Gleichzeitig wies der Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart in seinen Aussagen gegenüber "Blick" darauf hin, dass die Lohnerhöhungen angesichts der steigenden Krankenkassenprämien als unzureichend zu betrachten sind. Besonders betroffen seien Angestellte in niedrigeren Einkommensgruppen, deren Löhne real gesunken sind.

Inflation als treibende Kraft

Michael Siegenthaler, Arbeitsmarktexperte bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, führte gegenüber "Blick.ch" aus, dass die importierte Teuerung, vor allem bei Energie und Gütern aus dem Ausland, die Kosten für Unternehmen ebenso wie für Beschäftigte in die Höhe treibt. Die verzögerte Anpassung der Löhne an die Inflationsraten verschärft das Problem weiter. Dennoch gibt Siegenthaler einen vorsichtig optimistischen Ausblick und prognostiziert ein Lohnwachstum von zwei Prozent für das laufende Jahr, was möglicherweise ein leichtes Reallohnplus nach sich ziehen könnte.

Die globale Vermögensverteilung und die Schweiz

Die Daten des Global Wealth Report 2022 der Bank Credit Suisse stellen die Schweiz mit einem durchschnittlichen Vermögen pro erwachsener Person von 696.604 US-Dollar an die Spitze der globalen Vermögensverteilung. Diese Zahlen verdeutlichen den allgemeinen Reichtum der Schweizer Bevölkerung, betonen jedoch auch die bestehende Vermögensungleichheit. Trotz des beeindruckenden Durchschnittsvermögens erleben viele Schweizer Haushalte einen realen Kaufkraftverlust, was die Diskrepanz zwischen statistischem Wohlstand und alltäglicher finanzieller Realität unterstreicht.

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Teuerung in Österreich

Indes hat sich die Teuerung in Österreich  weiter verlangsamt. Im Februar betrug die Inflationsrate 4,3 Prozent, das ist der niedrigste Wert seit Dezember 2021, aber immer noch weit über dem der Schweiz. Dort liegt sich bei 1,2 Prozent. "Der Rückgang von 4,6 Prozent im Jänner auf 4,3 Prozent im Februar ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Preisdruck bei Lebensmitteln deutlich nachgelassen hat, auch die Preise in Restaurants sind nicht mehr ganz so stark gestiegen wie zuletzt", sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Montag.

Eurozonen-Vergleich

Die für Eurozonen-Vergleiche ermittelte Harmonisierte Inflationsrate (HVPI) für Österreich betrug im Februar 4,2 Prozent. In Euroraum legten die Preise von Februar 2023 auf Februar 2024 um 2,6 Prozent zu, in der gesamten EU um 2,8 Prozent. Damit liegt die Teuerung in Österreich noch immer weit über dem EU-Schnitt. Die höchste jährliche Teuerungsrate nach harmonisierter Berechnungsart hatte laut Eurostat Rumänien mit 7,1 Prozent. Es folgen Kroatien (+4,8 Prozent) und Estland (+4,4 Prozent). Bereits an vierter Stelle folgt Österreich. Die niedrigste Inflationsrate hatten im Februar Dänemark und Lettland mit jeweils 0,6 Prozent, gefolgt von Italien mit 0,8 Prozent.

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Arbeits- und -Wirtschaftsminister Martin Kocher (Foto: APA/Helmut Fohringer) ©APA

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hob vor wenigen Tagen hervor, dass auch Maßnahmen wie der Gebührenstopp auf Bundesebene zum Rückgang der Inflation beigetragen hätten. Kocher verwies auch auf Prognosen der Nationalbank, die für heuer mit einer Jahresinflation von 3,6 Prozent rechnet und für die kommenden zwei Jahre einen weiteren Rückgang auf 2,7 bzw. 2,3 Prozent erwartet. Die Kaufkraft in Österreich steige heuer, sagte Kocher - damit gelinge es, die negativen Effekte der Inflation zu kompensieren. (VOL.AT, APA)

Liste der wohlhabendsten Länder pro Kopf

(Quelle: Global Wealth Report 2022)

  1. Schweiz: 640.875,68 Euro
  2. Luxemburg: 604.958,88 Euro
  3. Vereinigte Staaten: 532.726,92 Euro
  4. Hongkong: 508.695,60 Euro
  5. Australien: 506.101,20 Euro
  6. Neuseeland: 434.380,76 Euro
  7. Island: 421.171,40 Euro
  8. Dänemark: 392.374,48 Euro
  9. Kanada: 376.553,24 Euro
  10. Niederlande: 368.761,76 Euro
  11. Schweden: 351.410,56 Euro
  12. Belgien: 350.624,88 Euro
  13. Singapur: 329.547,68 Euro
  14. Norwegen: 307.677,44 Euro
  15. Frankreich: 296.308,08 Euro
  16. Vereinigtes Königreich: 284.625,00 Euro
  17. Taiwan: 274.034,88 Euro
  18. Israel: 251.543,64 Euro
  19. Deutschland: 236.426,20 Euro
  20. Irland: 231.230,04 Euro
  21. Österreich: 230.115,00 Euro

Schweiz kämpft mit der Kaufkraft

  • Kaufkraftverlust trotz Lohnerhöhungen: Zwischen 2020 und 2022 stieg der Medianlohn in der Schweiz um 1,8 Prozent auf 6788 Schweizer Franken (ca. 6992 Euro), doch die Kaufkraft sank um 1,5 Prozent. Dies führte zu weniger verfügbarem Einkommen für viele Schweizer Haushalte.
  • Ursachen: Als Hauptursachen wurden das "krisenhafte Umfeld" der letzten Jahre, einschließlich der Pandemie, Lieferengpässe, steigende Energiepreise und der Ukraine-Krieg, genannt. Diese Faktoren haben die Geschäftsbedingungen erschwert und zu minimalen Lohnsteigerungen geführt.
  • Steigende Lebenshaltungskosten: Die steigenden Krankenkassenprämien und andere Lebenshaltungskosten belasten die Haushalte zusätzlich, besonders jene mit niedrigeren Einkommen.
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