„Schläge waren an der Tagesordnung“, erzählt der Innsbrucker. Einmal schlug der Vater mit der bloßen Faust zu, ein andermal mit dem Teppichklopfer. Wenn seine Mutter mit dem Vater in die Kneipe ging, waren Christian und seine Geschwister allein daheim und unbeaufsichtigt.
Mehr Regeln als daheim
Eines Tages beschlossen seine Schwester und er, nicht mehr zur Schule zu gehen. „Ich habe mehrere Monate die Schule geschwänzt.“
Da schritt das Jugendamt ein. „Zwei Damen kamen in Begleitung der Feuerwehr und Rettung.“ Der zwölfjährige Christian wurde nach Vorarlberg gebracht, ins Bubenerziehungsheim Jagdberg, „wo es mehr Regeln gab als daheim. Am Anfang war es sehr schlimm. Ich hab’ jeden Tag geweint. Meine Mutter ging mir ab, sie war meine Bezugsperson“. Die Erzieher waren streng. „Es gab Watschen, oft grundlos, weil sie sauer waren.“ Er erinnert sich, wie sie seelenruhig zuschauten, wenn Zöglinge aufeinander losgingen, und wie sie ganz bewusst nicht einschritten.
Harte Strafen gab es, „wenn einer schlimm war. Einmal habe ich zu einer Erzieherin ,blöde Kuh‘ gesagt. Da musste ich den Beton-Fußballplatz kehren“. Das Perfide daran: Wenn der Wind wieder ein Blatt auf den Platz wehte, musste Christian von vorne beginnen.
Ohne Strafen ging nichts. „Wenn man zu spät zum Essen kam, musste man sofort aufs Zimmer. Wenn man in der Nacht redete, musste man vier Stunden im Stiegenhaus stehen oder stundenlang knien.“
Erzieher, die „weich“ waren oder sich gar auf die Seite der Zöglinge schlugen, konnten sich laut Christian nicht lange halten am Jagdberg. „Einmal hatten wir eine junge Erzieherin. Sie war nett und half zu uns. Nach zwei Monaten war sie weg.“
Ausreißer hart bestraft
Die Strenge und Lieblosigkeit im Erziehungsheim setzte Christian zu. „Ich bin zwei Mal abgehauen, weil ich dort nicht mehr sein wollte“. Die Ausreißer wurden hart bestraft. „Wir mussten einen uralten, halbzerrissenen Trainingsanzug anziehen und so in die Kirche und in die Schule gehen. Außerdem wurde uns eine Glatze geschoren.“ An den Wochenenden mussten die Jagdberg-Kinder den Bauern in der Umgebung helfen, beim Misten, beim Heuen und beim Obsternten. „Wir buckelten den ganzen Tag. Aber wir haben keinen Schilling gesehen. Ich weiß nicht, wo das Geld hingegangen ist.“
Nichts gelernt
Mit dem Taschengeld – 20 Schilling im Monat – kaufte er sich Zigaretten, Bier und Schnaps. Der Heimzögling konsumierte die Drogen heimlich. „Ich hab’ im Heim trinken und rauchen gelernt.“ Nachsatz: „Es gab zu viel Gewalt, zu viele Watschen.“
Sein Werdegang nach dem Jagdberg: Er bricht eine Malerlehre ab. „Ich hab‘ nichts gelernt.“ Er beginnt zu trinken und wird arbeitslos. Sein Leben stabilisiert sich, als er 2003 seine spätere Frau kennenlernt. „Seither trinke ich keinen Tropfen Alkohol mehr.“ Seit sieben Jahren arbeitet er auch wieder voll, als Reinigungskraft.
(Quelle: Neue am Sonntag)
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