AA

Rechtsextremismus-Bericht: Vorarlberg ist ein Hotspot für die Szene – alarmierende Zahlen

"Blood & Honour"-Bewegung in Vorarlberg.
"Blood & Honour"-Bewegung in Vorarlberg. ©Symbolfoto: P. Steurer
Ein Bericht des DÖW zeigt: Vorarlberg spielt trotz seiner kleinen Größe eine zentrale Rolle in der rechtsextremen Szene Österreichs. Subkulturelle Netzwerke und grenzüberschreitende Verbindungen zeichnen ein alarmierendes Bild.

Der aktuelle Rechtsextremismusbericht "Rechtsextremismus in Österreich 2023 – Unter Berücksichtigung der Jahre 2020 bis 2022", der vom Justiz- und Innenministerium in Auftrag gegeben und vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) verfasst wurde, rückt Vorarlberg in ein alarmierendes Licht. Trotz seiner geografischen und demografischen Größe spielt Vorarlberg eine Schlüsselrolle in der österreichischen Rechtsextremismuslandschaft.

Wie oft wird Vorarlberg erwähnt?

Im Bericht wird Vorarlberg insgesamt 19-mal direkt und weitere 6-mal indirekt als „Vorarlberger“ erwähnt. Damit erhält das Bundesland eine auffällig prominente Position, die kein anderes kleines Bundesland erreicht. Besonders brisant: Vorarlberg führt die Statistik rechtsextremer Tathandlungen pro 100.000 Einwohner an.

Zahlen im Dreijahreszeitraum 2021–2023:

  • Durchschnitt: 15,4 Tathandlungen pro 100.000 Einwohner.
  • 2023: Mit 18,8 Tathandlungen lag Vorarlberg erneut über dem nationalen Durchschnitt von 13,2 Fällen.

Diese Zahlen zeigen eine hohe Dichte rechtsextremer Aktivitäten. Die Gründe dafür liegen laut Bericht nicht nur in der langfristigen Präsenz rechtsextremer Strukturen wie Blood & Honour, sondern auch in der strategischen Lage Vorarlbergs nahe Deutschland und der Schweiz. Diese Nähe ermöglicht grenzüberschreitende Aktivitäten und Netzwerke, die zur Verbreitung rechtsextremer Ideologien beitragen.

Netzwerke und subkulturelle Strukturen

Skinhead-Szene und Blood & Honour

Vorarlberg gilt als ein zentraler Standort des international vernetzten Neonazi-Netzwerks Blood & Honour in Österreich. Diese Gruppe, eng verbunden mit der lokalen Skinhead-Szene, nutzte die geografische Nähe zu Deutschland und der Schweiz, um Konzerte zu organisieren und subkulturelle Inhalte zu verbreiten.

Koblach: Ermittlungen gegen Blood & Honour

Razzia beim Anführer der Neonazis im Ländle

Verbindungen und Aktivitäten:

  • Vorarlberger Neonazis nahmen regelmäßig an internationalen Veranstaltungen wie dem „Tag der Ehre“ in Budapest teil, einer Gedenkveranstaltung für SS-Soldaten.
  • Mitglieder aus Vorarlberg wurden bei Neonazi-Konzerten in Deutschland und der Schweiz gesichtet.
  • 2016 fand in Vorarlberg das bislang letzte bekannte Neonazi-Konzert statt, organisiert von Blood & Honour.

Neonazi-Konzert in Vorarlberg

Historische Verankerung: Vorarlberg als Rückzugsort

Vorarlberg hat eine lange Geschichte als Rückzugsort für rechtsextreme Gruppierungen:

  1. Publikation der Zeitschrift „Sieg“:
    Bis 1992 wurde in Vorarlberg die neonazistische Zeitschrift Sieg von Walter Ochensberger herausgegeben, die als Plattform für antisemitische und rassistische Hetze diente. Die Publikation wurde schließlich durch rechtliche Maßnahmen eingestellt.
  2. Konzertstandort:
    In den 1990er Jahren war Vorarlberg ein wichtiger Austragungsort für Rechtsrock-Konzerte, organisiert von Blood & Honour. Diese Veranstaltungen zogen Hunderte von Neonazis aus dem In- und Ausland an.
  3. Grenzüberschreitende Netzwerke:
    Vorarlbergs Nähe zu Deutschland und der Schweiz begünstigte die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppen jenseits der Grenze.

Rechtsextremismus bleibt regional konzentriert

Der Bericht zeigt, dass rechtsextreme Aktivitäten in Österreich weiterhin stark regional konzentriert sind. Neben Vorarlberg stehen auch Salzburg und Oberösterreich im Fokus.

Durchschnittliche Tathandlungen pro 100.000 Einwohner*innen (2023):

  • Salzburg: 20,6
  • Vorarlberg: 18,8
  • Oberösterreich: 16,5

Die Gründe für diese Konzentration liegen laut DÖW in einer Mischung aus:

  • Historischer Verankerung rechtsextremer Gruppen,
  • Geografischen Gegebenheiten,
  • Subkulturellen Strukturen und Netzwerken,
  • Intensität der behördlichen Kontrollen.

Im Gegensatz dazu verzeichnen Tirol, das Burgenland und die Steiermark konstant niedrige Zahlen und liegen deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt.

Erwähnung der FPÖ: 231-mal im Bericht

Neben Vorarlberg wird auch die Rolle der FPÖ prominent thematisiert. Laut einer Zählung des "Standard" wird die Partei im knapp 200-seitigen Bericht 231-mal erwähnt. Die FPÖ wird als Teil der sogenannten „Mosaik-Rechten“ beschrieben, die seit den 2010er-Jahren den Aufstieg rechtsextremer Akteure in Österreich begünstigt hat.

Definition von Rechtsextremismus im Bericht

Der Rechtsextremismusbericht definiert die Ideologie anhand von fünf zentralen Merkmalen:

  1. Verneinung der Gleichheit aller Menschen: Rechtsextreme lehnen die Gleichwertigkeit aller Menschen ab und propagieren eine Hierarchisierung.
  2. Denken in ethnischen Volksgemeinschaften: Die Idee einer ethnisch homogenen Gemeinschaft steht im Zentrum.
  3. Autoritarismus: Ein stark hierarchisches Weltbild, das auf Gehorsam und Unterordnung basiert.
  4. Antipluralismus: Ablehnung demokratischer Vielfalt zugunsten eines einheitlichen Nationalismus.
  5. Überschneidungen zu Neonazismus und „Alt-Rechten“: Elemente der NS-Ideologie und moderne rechtsextreme Narrative fließen zusammen.

Diese Definition dient als Grundlage für die Analyse rechtsextremer Gruppen, Narrative und Tathandlungen in Österreich.

1. Absolute Zahlen und Entwicklungen

2021–2023: Vorarlberg verzeichnete insgesamt 187 rechtsextreme Tathandlungen in diesem Zeitraum:

  • 2021: 57 Fälle
  • 2022: 53 Fälle (leichter Rückgang um etwa 7 % im Vergleich zu 2021)
  • 2023: 77 Fälle (Anstieg um 45,3 % im Vergleich zu 2022).

Gesamtdynamik: Über den Zeitraum von 2021 bis 2023 stiegen die Fälle in Vorarlberg von 57 auf 77, was einem Anstieg von etwa 35 % im Vergleich zu 2021 entspricht. Der Anstieg ist vergleichsweise hoch, jedoch nicht so dramatisch wie in Bundesländern wie Salzburg oder Burgenland.

Vergleich Salzburg und Burgenland

  • Salzburg zeigt in absoluten Zahlen eine deutliche Zunahme (von 53 auf 118 Fälle) und gehört in Bezug auf die Fälle pro 100.000 Einwohner zu den am stärksten betroffenen Bundesländern.
  • Burgenland verzeichnet den höchsten prozentualen Anstieg (von 3 auf 27 Fälle), allerdings auf sehr niedrigem Ausgangsniveau.

2. Vergleich zur Wohnbevölkerung

  • Trotz der relativ geringen absoluten Zahlen zeigt sich, dass Vorarlberg stark überrepräsentiert ist, wenn man die Zahlen ins Verhältnis zur Wohnbevölkerung setzt.
  • Tathandlungen pro 100.000 Einwohner (2023):
    • Vorarlberg: 18,8 Taten/100.000 Einwohner
    • Österreichischer Durchschnitt: 13,2 Taten/100.000 Einwohner
    Damit gehört Vorarlberg, zusammen mit Oberösterreich und Salzburg, zu den Bundesländern mit der höchsten Dichte rechtsextremer Tathandlungen in Österreich.

3. Regionale Verteilung und Trends

  • Vorarlberg zeigt, ähnlich wie andere kleinere Bundesländer wie Salzburg oder Burgenland, eine deutliche Zunahme rechtsextremer Tathandlungen.
  • Diese Zunahme könnte auf intensivere Aktivitäten von rechtsextremen Netzwerken wie Blood & Honour, der Skinhead-Szene oder auf gezielte Aktionen von Einzelpersonen zurückzuführen sein, die im Bericht auch spezifisch für Vorarlberg erwähnt werden.

4. Vergleich mit anderen Bundesländern

  • Wien und Oberösterreich haben in absoluten Zahlen die höchsten Fallzahlen, was aufgrund ihrer Größe und Bevölkerungsdichte wenig überraschend ist.
  • Salzburg, Burgenland und Vorarlberg hingegen weisen relativ hohe Zuwachsraten und eine überproportionale Häufung rechtsextremer Tathandlungen gemessen an der Bevölkerung auf.

5. Überrepräsentation

  • Vorarlberg wird ausdrücklich als eines der überrepräsentierten Bundesländer in Bezug auf rechtsextreme Tathandlungen genannt. Die Gründe dafür könnten in einer stärkeren Verankerung subkultureller rechtsextremer Strukturen wie der Skinhead-Szene und in grenzüberschreitenden Aktivitäten mit Deutschland und der Schweiz liegen.

Fazit

Die Zahlen zeigen, dass Vorarlberg trotz seiner kleineren Größe ein Hotspot für rechtsextreme Aktivitäten in Österreich ist. Dies zeigt sich insbesondere in der überdurchschnittlichen Zahl rechtsextremer Tathandlungen pro 100.000 Einwohner und der Präsenz organisierter rechtsextremer Netzwerke wie Blood & Honour oder der Skinhead-Szene. Gleichzeitig sind die Entwicklungen zwischen 2021 und 2023 alarmierend, insbesondere der deutliche Anstieg im Jahr 2023.

  1. Seite 29:
    • Rechtsextreme Publizistik: Vorarlberg wird als eines der Bundesländer genannt, in denen die neonazistische Zeitschrift Sieg von Walter Ochensberger bis 1992 herausgegeben wurde. Dies unterstreicht die historische Bedeutung von Vorarlberg für rechtsextreme Publizistik.
  2. Seite 31:
    • Blood & Honour-Netzwerk: Vorarlberg wird als eines der Hauptzentren des neonazistischen Netzwerks Blood & Honour in Österreich beschrieben, mit Aktivitäten, die Konzerte und internationale Verbindungen umfassen.
  3. Seite 32:
    • Kurzlebige Gruppen: Vorarlberg wird in Verbindung mit der Initiative Eine Jugend rebelliert erwähnt, einer kurzlebigen rechtsextremen Gruppierung, die auch online aktiv war.
  4. Seite 49:
    • Statistiken zu rechtsextremen Tathandlungen: Vorarlberg wird als eines der Bundesländer mit einer hohen Zahl an rechtsextremen Tathandlungen genannt. 2023 wurden 77 Fälle registriert, ein Anstieg um 145,3 % gegenüber dem Vorjahr.
  5. Seite 54:
    • Tathandlungen pro 100.000 Einwohner: Vorarlberg hatte 2023 eine Rate von 18,8 rechtsextremen Tathandlungen pro 100.000 Einwohner, was über dem österreichischen Durchschnitt liegt.
  6. Seite 55:
    • Regionale Unterschiede: Vorarlberg gehört zu den Bundesländern mit einer überdurchschnittlich hohen Anzahl rechtsextremer Tathandlungen, gemessen an der Einwohnerzahl.
  7. Seite 68:
    • Blood & Honour-Konzerte: Vorarlberg wird erneut im Kontext von rechtsextremen Konzerten genannt, die von Blood & Honour organisiert wurden, zuletzt im Jahr 2016.
  8. Seite 72:
    • Objekt 21-Netzwerk: Vorarlberg wird in Verbindung mit dem rechtsextremen Netzwerk Objekt 21 erwähnt, das Verbindungen zu Neonazis und organisierter Kriminalität hatte.
  9. Seite 73:
    • Waffen- und Drogenhandel: In Vorarlberg wurden im Zuge von Ermittlungen zu rechtsextremen Netzwerken Waffen und NS-Devotionalien sichergestellt, die in Verbindung mit dem Netzwerk Objekt 21 standen.
  10. Seite 74:
    • Hammerskins-Netzwerk: Vorarlberg wird als Region genannt, in der Verbindungen zur internationalen Neonazi-Organisation Hammerskins bestehen.
  11. Seite 74:
    • Einzelpersonen und Netzwerke: Ein Vorarlberger Neonazi wird genannt, der enge Verbindungen zu Hammerskins und Blood & Honour hatte.
  12. Seite 74:
    • Teilnahme an rechtsextremen Events: Ein Vorarlberger nahm an der Veranstaltung Tag der Ehre in Budapest teil, die von Neonazis organisiert wurde.
  13. Seite 75:
    • Verurteilung nach dem Verbotsgesetz: Ein Vorarlberger wurde verurteilt, nachdem er in Braunau Kerzen auf dem Fensterbrett des Hitler-Geburtshauses abstellte, um Adolf Hitler zu verherrlichen.
  14. Seite 75:
    • Neonazi-Konzert 2016: Vorarlberg wird erneut im Kontext eines der letzten großen Blood & Honour-Konzerte in Österreich erwähnt, das in Vorarlberg stattfand.
  15. Seite 79:
    • Subkulturelle Strukturen: Die Skinhead-Szene in Vorarlberg wird erwähnt, die eng mit Blood & Honour verknüpft ist und regelmäßig rechtsextreme Veranstaltungen organisiert.
  16. Seite 118:
    • Graffiti und Symbolik: Vorarlberg wird als Ort genannt, an dem rechtsextreme Symbole wie Hakenkreuze und NS-Parolen an öffentlichen Orten gesprüht wurden.
  17. Seite 129:
    • Skinhead-Netzwerke: Die Skinhead-Szene in Vorarlberg wird im Kontext von Verbindungen zu internationalen Netzwerken wie Blood & Honour erwähnt.
  18. Seite 135:
    • Rechtsextreme Publikationen: Vorarlberg wird als Standort von Personen genannt, die an der Verbreitung rechtsextremer Publikationen beteiligt waren.
  19. Seite 138:
    • Rekrutierung und Vernetzung: Vorarlberg wird im Zusammenhang mit rechtsextremen Rekrutierungsbemühungen und Vernetzung auf lokaler Ebene erwähnt.

Rechtsextremismus in Österreich 2023 - zum Download

  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Rechtsextremismus-Bericht: Vorarlberg ist ein Hotspot für die Szene – alarmierende Zahlen