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Ex-Kanzler Kern warnt: "Österreich ist akut abstiegsgefährdet"

©APA/AFP/Canva
Christian Kern schlägt im Interview mit der "Kleinen Zeitung" Alarm: Österreich drohe wirtschaftlich, den Anschluss zu verlieren – und mit ihm Europa. Die Probleme seien strukturell, die Politik mutlos.

Ein politisches Comeback schließt der frühere SPÖ-Chef kategorisch aus: "Das interessiert mich wirklich nicht mehr." Dennoch äußert sich der Ex-Kanzler weiter pointiert zu politischen Entwicklungen im Land – und spart nicht mit Kritik.

Wirtschaftliche Entwicklung als Problemzone

Österreichs wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre bezeichnet Kern als "inferior". Das Land sei bei wesentlichen Parametern Schlusslicht im EU-Vergleich – und Europa insgesamt verliere gegenüber den USA und China deutlich an Boden. "Wir sind akut abstiegsgefährdet. Zukunft findet woanders statt", so Kern.

Weniger Arbeit, geringere Produktivität

Als Ursachen nennt er eine stagnierende Arbeitsproduktivität und ein niedriges Arbeitszeitvolumen. Während die USA in Digitalisierung und KI investieren und China bei erneuerbarer Energie sowie Elektromobilität voranschreitet, sei Österreich weit zurückgefallen – auch beim Thema Halbleiter. Der Rückstand gegenüber Korea und Taiwan sei kurzfristig nicht aufzuholen.

Kritik am politischen Stillstand

Statt konsequentem Handeln dominiere Rhetorik, kritisiert Kern: "Man hat das Gefühl, dass politisches Handwerk sich nur noch in Rhetorik erschöpft." Veränderung werde aus Angst vor den Wählern verweigert – mit langfristig negativen Folgen.

Pensionssystem nicht mehr haltbar

Deutliche Worte findet der Ex-Kanzler auch beim Thema Pensionen. Die Kombination aus stagnierenden Arbeitsstunden, steigenden Staatsausgaben und fehlender Produktivitätssteigerung führe zwangsläufig zu Reformbedarf. "Das Pensionseintrittsalter wird sich nicht aufrechterhalten lassen", so Kern. Eine stufenweise Erhöhung sei notwendig – allerdings mit "Augenmaß" und sozialer Rücksicht.

Reformbedarf beim Staat

Die Verwaltung müsse effizienter werden, fordert Kern. Es brauche langfristige Strukturreformen – doch die Angst vor dem nächsten Wahltag verhindere echte Umsetzung. Viele wüssten zwar, was nötig sei, aber "keiner weiß, wie man es tut und dann auch noch die nächste Wahl überlebt".

Polarisierung lähmt Politik

Zunehmende gesellschaftliche Polarisierung mache mutige politische Schritte noch schwieriger. Zwischen unversöhnlichen Lagern werde keine Einigung erzielt – und so geschehe am Ende gar nichts. Doch Stillstand sei keine Lösung: "Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was sich nimmer ausgeht."

SPÖ: Abstand zur Bevölkerung wächst

Auch zur eigenen Partei äußert sich Kern kritisch. Die SPÖ verliere zunehmend den Anschluss an Wähler:innen außerhalb urbaner Zentren. Während sie in Städten mit Grünen, Neos und KPÖ um Stimmen kämpfe, wachse auf dem Land die Entfremdung.

"Da wurde zuletzt viel Boden mit städtischer Identitätspolitik verloren." Die Partei müsse wieder glaubwürdig demonstrieren, Politik für die Mehrheit zu machen.

(VOL.AT)

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