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Strategien für den Mammutprozess

Für den Testamentsprozess in Salzburg ab kommender Woche laufen die Vorbereitungen der Anwälte auf Hochtouren.
Für den Testamentsprozess in Salzburg ab kommender Woche laufen die Vorbereitungen der Anwälte auf Hochtouren. ©SN, VN
Dornbirn, Salzburg - Der Prozess, das Fälschersystem, die Angeklagten: Wie sich Angeklagte und Anwälte auf den Verhandlungsmarathon in Salzburg vorbereiten.
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Die Strategien sind festgelegt, und dennoch könnten im Prozess einige Überraschungen warten.

Wie robust ist Jürgen H.?

„Ich habe alles gestanden, was es zu gestehen gibt“, sagte der Hauptangeklagte Jürgen H. vergangene Woche gegenüber den VN. Der 48-jährige Grundbuch-Rechtspfleger und Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn hat im Zuge mehrerer Verhöre praktisch eine Lebensbeichte abgelegt. Er belastet drei Gerichtskollegen, Landesgerichts-Vizepräsidentin Kornelia Ratz und Familienmitglieder. Laut Staatsanwaltschaft „korrespondieren seine Angaben weitgehend mit den sichergestellten Beweismitteln und finden Deckung in den Angaben seiner Geschwister bzw. des Beschuldigten Peter H.“ Jürgen H. sei sowohl psychisch als auch physisch sehr angeschlagen, wie dessen Verteidiger Klaus Grubhofer in einem VN-Interview betonte. Der Dornbirner Anwalt hofft, dass es beim Prozess ruhig und sachlich zugeht. „Es gilt zu verhindern, dass mein Mandant in einen psychischen Ausnahmezustand gerät, der sein Leben gefährden könnte und seine Prozessfähigkeit infrage stellt“, so Grubhofer. Jürgen H. und den beschuldigten Gerichtskollegen drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Kurt T. und die Offensive

Kurt T. (48) wurde 1992 beim Bezirksgericht Dornbirn eingestellt und war 15 Jahre lang Leiter der Abteilung für Außerstreitsachen. Nach Aussagen des Hauptangeklagten Jürgen H. soll er von den illegalen Machenschaften gewusst haben und auch daran beteiligt gewesen sein. Laut Anklage wurde T. nur dann in das Tatgeschehen eingebunden, wenn seine Mithilfe notwendig war. Ansonsten habe es Jürgen H. vermieden, offen mit T. über seine Tatunternehmungen zu reden, heißt es. Kurt T. bestreitet sämtliche Vorwürfe. „Mein Mandant kann sich bis zum heutigen Tage nicht erklären, wie Jürgen H. dazu kommt, ihn derart massiv zu belasten“, sagt Rechtsanwalt Nicolas Stieger. Die Argumente der Staatsanwaltschaft bezeichnet der Anwalt als „zu einseitig“. „Man hat nur jene Sachen hergenommen, die gegen meinen Mandanten sprechen.“ Empört zeigt sich Stieger über die jüngsten Äußerungen von Jürgen H. bzw. dessen Anwalt Klaus Grubhofer. „Wenn sich Jürgen H. als Opfer hinstellt und auf verhandlungsunfähig macht, ist kein faires Verfahren mehr möglich.“

Clemens M. mit Eigenversion

Clemens M. (53), ehemaliger Rechtspfleger in der Außerstreitabteilung, verbrachte zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft. Zu Unrecht, wie sein Anwalt Burkhard Hirn (65) meint. Clemens M. wird von der Anklage vorgeworfen, u. a. Fälschungen besonders geschützter Urkunden vorgenommen und seine Amtsstellung dazu missbraucht zu haben. Auch wird er vom Hauptbeschuldigten Jürgen H. als eine Art Vermittler bei der Erstellung des gefälschten Mutschler-Testaments hingestellt. Burkhard Hirn vertritt Clemens M. in fünf Fällen, in denen seinem Mandanten Verwicklungen in verbrecherische Machenschaften vorgeworfen werden. In der Sache Mutschler wird Clemens M. vom Wiener Anwalt Lukas Kollmann vertreten. Die Strategie Hirns ist klar: „Mein Mandant ist unschuldig. Er hatte keine finanziellen Vorteile von den Fälschungen. Die von der Anklage als Indizien angeführten Punkte reichen für eine Verurteilung bei Weitem nicht aus.“ Clemens M., der sämtliche Vorwürfe bestreitet, hat bereits eine 60-seitige Gegenäußerung bei Gericht eingebracht.

Reumütiger Peter H.

Peter H. (47) muss sich in Salzburg wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs und wegen Missbrauchs der Amtsgewalt als Beteiligter verantworten. Peter H., der in Salzburg lebt, diente in mehreren Fällen als Scheinerbe für den Hauptbeschuldigten. Er soll mehrere Liegenschaften verkauft haben. Es wurde bei Peter H. eine beträchtliche Menge Bargeld sichergestellt. „Mein Mandant ist voll geständig. Es ist letztlich kein Schaden durch sein Handeln eingetreten“, sagt Peter H.s Anwalt Peter Cardona (70). „Alles, was wir wollen, ist, dass mein Mandant nicht mehr ins Gefängnis muss“, formuliert der erfahrene Advokat das Ziel für den Prozess. Peter H. würde ihn in Salzburg regelmäßig in der Kanzlei besuchen. „Er hat große Angst davor, wieder ins Gefängnis zu müssen.“ Derzeit bereitet Cardona Peter H. akribisch genau auf den Prozess vor.

Walter M., der Leutselige

Walter M. (72) war bis zur Pensionierung 2002 rund 30 Jahre Grundbuch-Rechtspfleger. Er soll in drei von insgesamt 18 Fällen involviert sein. M. wird von Jürgen H. schwer belastet und soll einer der Väter des Testamentsfälscher-Systems gewesen sein. „Er verfügte über detaillierte Kenntnisse von Personen und deren Vermögen im Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn und unterhielt ausgezeichnete Kontakte zur örtlichen Bevölkerung“, heißt es in der Anklageschrift. Ob als Hinweisgeber für potenzielle Beute, als Anstifter zu falschen Beglaubigungen oder als konkreter Mittäter bei der Planung von schweren Straftaten – der Name Walter M. wird mit vielem in Verbindung gebracht. Er wurde bereits zweimal wegen Winkelschreiberei verurteilt. Er wies bislang alle Vorwürfe zurück. Dabei werde es auch bleiben, sagte sein Verteidiger German Bertsch gegenüber den VN. „Mein Mandant hat mit Fälschungen und Manipulationen nichts zu tun.“

Kornelia Ratz: Hochspannung

Kornelia Ratz (49) ist so etwas wie der „Star“ des Testamentsprozesses am Salzburger Landesgericht. Sie war bis zu ihrer Suspendierung am 1. März 2010 Vizepräsidentin des Landesgerichts Vorarlberg. Der Tatvorwurf gegen sie wiegt schwer. Die Anklage beschuldigt sie, ein gefälschtes Testament (Willi Mutschler) in Auftrag gegeben zu haben – mit ihrer Mutter und ihrer Tante als Begünstigte. Kornelia Ratz wird vom Hauptbeschuldigten Jürgen H. schwer belastet. „Wir werden auf unschuldig plädieren“, sagt ihr Anwalt Bertram Grass (65) unmissverständlich. „Unsere Strategie im Prozess leiten wir auch vom Verlauf der vorangegangenen Prozesstage ab“, so Grass weiter. Der „Fall Mutschler“ mit Kornelia Ratz als Beschuldigter wird erst ab 14. Mai verhandelt. Grass rechnet in der Person von Staatsanwalt Andreas Pechatschek mit einem harten Widersacher.

(VN/ Klaus Hämmerle, Jörg Stadler)

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