Warum die Schweiz für russische Spione so attraktiv ist
Die Schweiz beherbergt derzeit 217 russische Diplomaten, eine Zahl, die im Vergleich zu größeren Nachbarländern wie Italien mit nur 44 Vertretern besonders hoch ist. Zum Vergleich: Aktuell verzeichnet das vom Außenministerium geführte Verzeichnis des diplomatischen und konsularischen Corps 60 Diplomaten bei den bilateralen russischen Vertretungen in Österreich. Davon sind 56 Personen bei der russischen Botschaft in Wien akkreditiert und vier beim russischen Generalkonsulat in Salzburg. Laut dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) arbeiten etwa ein Drittel dieser Diplomaten für russische Geheimdienste wie den SWR, GRU oder FSB. Dies entspricht rund 80 mutmaßlichen Agenten, die in der Schweiz aktiv sind, wie die SonntagsZeitung berichtet.

Höchste Dichte an russischen Spionen in Europa
Ein anonymer Mitarbeiter des NDB erklärte gegenüber der SonntagsZeitung, dass die Schweiz die höchste Dichte russischer Agenten in Europa aufweist. Diese Situation resultiert aus der konservativen Haltung der Schweiz, ausländische Diplomaten selten auszuweisen, auch wenn Spionageverdacht besteht. Seit den 1990er-Jahren wurde kein russischer Diplomat mehr des Landes verwiesen.
Ausweisung: Schweiz ist zurückhaltend!
Diese zurückhaltende Praxis wird offensichtlich auch vom Schweizer Außenminister Ignazio Cassis unterstützt. Schon in der Vergangenheit betonte Cassis, dass es nicht der Tradition der Schweiz entspreche, verdächtige Personen automatisch auszuweisen. Ein Grund für diese Zurückhaltung ist die Angst vor möglichen Reaktionen aus Moskau, die zu diplomatischen Spannungen führen könnten.
- "Diplomatische Kanäle müssen offenbleiben. Wir wissen, was der Preis für die Ausweisung ist. Nämlich, dass auch unsere Diplomaten ausgewiesen werden." (Ignazio Cassis)

Russische Propaganda und eine Friedenskonferenz in der Schweiz
Die bevorstehende Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock, die im Juni Lösungen für den Ukraine-Konflikt finden soll, gerät ebenfalls ins Visier der russischen Propaganda. Russische Geheimdienste haben angeblich eine gefälschte Schlusserklärung der Konferenz verbreitet, um deren Glaubwürdigkeit zu untergraben. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat diese Vorwürfe nicht direkt kommentiert, betonte aber laut "SonntagsZeitung", dass die Konferenz sich um nukleare Sicherheit und humanitäre Themen drehen werde.
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Druck auf die Schweiz wächst
Der Druck auf die Schweiz wächst, ihre Haltung zu ändern. Eine Motion des SP-Nationalrats Fabian Molina fordert eine systematische Ausweisung ausländischer Spione. Eine Motion ist ein parlamentarischer Vorstoß, durch den ein Mitglied des Parlaments die Regierung auffordert, ein Gesetz oder eine Maßnahme zu ergreifen. Der Bundesrat hat diese Motion zur Annahme empfohlen, und der Nationalrat hat bereits zugestimmt. Nun steht noch die Entscheidung des Ständerats aus.

Hinweise: Giftanschläge von der Schweiz aus geplant
Russischen Spionen dürfte sich jedenfalls aufgrund der Schweizer Zurückhaltung und Vorsicht noch wohl und sicher in dem Alpenland fühlen. Unterstrichen wird das auch dadurch, dass es laut "SonntagsZeitung" mehrere Hinweise gibt, wonach russische Agenten gar Giftanschläge von der Schweiz aus vorbereitet haben. Ein anonymer Schweizer Diplomat berichtete gegenüber der "SonntagsZeitung", dass der Giftanschlag auf den britisch-russischen Doppelagenten Sergei Skripal 2018 von Genf aus vorbereitet wurde. „Der Anschlag wurde von Genf aus vorbereitet. Ich kann keine Details nennen, aber wir haben Beweise“, wird der Diplomat zitiert.
Fakten
- Anzahl russischer Diplomaten in der Schweiz: 217
- Anzahl russischer Diplomaten in Italien: 44
- Anzahl russischer Diplomaten in Österreich: 60
- Davon bei der russischen Botschaft in Wien: 56
- Davon beim russischen Generalkonsulat in Salzburg: 4
- Anteil mutmaßlicher Spione unter den russischen Diplomaten in der Schweiz: ca. 80 (Quelle: SonntagsZeitung)
- Letzter bekannter Fall einer Ausweisung eines russischen Diplomaten: Ende der 1990er Jahre
- Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock: Juni 2024
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