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Vorarlberg: Hochschwangere Frau erwürgt – Mordprozess hat begonnen

Gutachter berichten.
Gutachter berichten. ©VOL.AT/Stiplosvek
Frastanz/Feldkirch - Geschworene müssen sich heute mit dem gewaltsamen Tod einer hochschwangeren Oberländerin auseinandersetzen. Der 28-Jährige bekennt sich nicht schuldig. Zahlreiche Zeugen sind am Wort, die Gutachter sprachen über ihre Erkenntnisse.
Fotos vom ersten Prozesstag
NEU
Anklage beinhaltet viele knifflige Details
Zwei Jahre Warten auf Mordprozess
Verdächtiger schweigt
Verdächtiger wurde ausgeliefert

Anfang November 2015 wird in Frastanz eine junge Frau tot aufgefunden. Im Schlaf erwürgt, der Leichnam nachträglich in Brand gesteckt. Die Feuerwehr rückt mit 22 Leuten aus und kann den Brand unter Kontrolle bringen. Am heutigen Mittwoch muss sich der angeklagte 28-Jährige vor Gericht verantworten.

Richter mahnt zur Sachlichkeit

Das Medieninteresse ist enorm und auch Zuhörer sind so viele erschienen, dass nicht alle im Saal bleiben können. Aus feuerschutzpolizeilichen Gründen müssen jene gehen, die keinen Sitzplatz gefunden haben. Zu Beginn des Prozesses appellierte Vorsitzender Martin Mitteregger, den 28-Jährigen nicht vorzuverurteilen. „Er ist hier als Angeklagter, nicht als Verurteilter“, mahnte der Richter zu Objektivität und Sachlichkeit. Der Familie der Ermordeten sprach der Richter zu Beginn das Beileid der Justiz aus und wünscht den Betroffenen viel Kraft für die Verarbeitung des unendlichen Leids, welches der Mord über sie gebracht habe. Anschließend begann der Prozess mit der Einvernahme des Angeklagten.

“Er wollte dieses Kind nicht”

Während die Staatsanwaltschaft die Sache völlig klar sieht, stellt die Verteidigung alles Belastende in Frage. Das ist nicht verwunderlich, denn für den 28-Jährigen geht es um lebenslängliche Haft. Das Motiv liegt für Ankläger Philipp Höfle klar am Tisch: „Er wollte dieses Kind nicht, liebte eine andere Frau, sah nur einen Ausweg und fasste einen grausamen Entschluss“. Höfle reißt kurz einige Themen an, wo angeblich Indizien in ungewöhnlich dichter Weise auf die Täterschaft des Angeklagten hinweisen. „Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche!. Die Verteidigung wird naturgemäß versuchen Ihren Blick zu trüben“, schließt Höfle seinen Vortrag.

Verteidigung kontert

Die Verteidigung – Rechtsanwalt Thomas Raneburger und Martin Mennel – kontern. Mennel führt aus: „Das ist eine unglaubliche Unterstellung, dass wir versuchen, etwas zu verdunkeln oder zu verschleiern“, so Mennel. Die Staatsanwaltschaft habe dem Objektivitätsgebot in keiner Weise Rechnung getragen“, so Mennel. Es gäbe keinerlei Beweise, dass der Angeklagte am Tatort war und schon gar nicht, dass er der Täter sei, schließt Mennel das Plädoyer. Thomas Raneburger geht auf ausgewählte Einzelheiten ein. Nach den Plädoyers ist der Angeklagte am Wort.

Angeklagter erzählt von Alltäglichem

Der 28-Jährige bekennt sich nicht schuldig und erzählt, wie er den Tag vor der Tat erlebt hat. Der Befragte beginnt am Morgen vor der Tat und erzählt von Yogakurs und Erledigungen, von Autoputzen und Kartoffelauflauf. Von Playstation und schlafen gehen. Am nächsten Tag sei er um neun Uhr morgens aufgewacht und habe sich einen Kaffee gemacht. Nach einer Zigarette habe er seine Rechnungen durchgesehen und dann das Auto fertig geputzt. Während des Autoputzens sei dann plötzlich die Polizei da gestanden.

Schilderung der Beziehung

Auch bezüglich der Beziehung zu der jungen Frau gibt der Angeklagte Auskunft. 2011 lernte er sie an ihrem Geburtstag in der Disco „Nachtschicht“ kennen. Es folgte eine lockere sexuelle Beziehung, sagt der 28-Jährige. Irgendwann habe er per Handy die Botschaft bekommen, dass die Frau schwanger sei. „Ich wollte nicht auf diese Art und Weise Vater werden. Mir hat sie gesagt, dass sie verhütet“, berichtet der Dominikaner von dem Schock. Der Kontakt verlief schleppend, der Angeklagte brauchte angeblich Zeit, um die Neuigkeiten zu verarbeiten. Bereits in seinen früheren Einvernahmen sagte der Einvernommene, dass er nicht erfreut gewesen sei, aber grundsätzlich kein Problem mit dem Kind gehabt habe. Nur auf einem Vaterschaftstest habe er bestanden.

Verteidigung eingehakt

In Eröffnungsplädoyer hatte Verteidiger Martin Mennel bereits in diesen Punkt eingehakt und betont, dass es eine Menge ungewollte Schwangerschaften gäbe, wo Männer erstaunt seien, dass die Partnerin völlig überraschend schwanger ist. „Deshalb bringen die Männer doch nicht diese Frauen um!“, betonte Mennel. Der Angeklagte schildert detailliert, wie sein Leben zwischen zwei Beziehungen ablief. Dieses Thema ist wichtig, zieht sich aber extrem in die Länge.

Befragung zieht sich

Wie komplex sich der Prozess gestaltet, zeigt sich auch bei der Befragung des Angeklagten. Erst geht der Vorsitzende Martin Mitteregger den einzelnen Widersprüchen und Details auf die Spur. Dann haben Staatsanwalt und die zwei Verteidiger die Möglichkeit, Wichtigem nochmals nach zu haken. So wie die Vorbereitung des Prozesses zwei Jahre brauchte, ist auch die Befragung sehr zeitaufwendig. Es geht um kleine Details, beinahe alles ist wichtig, es gibt viele Widersprüche und eines ist klar. Die gerichtsmedizinischen Sachverständigen können nicht – wie geplant – um 14.00 Uhr ihre Gutachten beginnen.

Gutachter am Wort

Gerichtsmediziner Walter Rabl erläuterte überblicksweise sein gerichtsmedizinisches Gutachten. Dabei wird deutlich, wie hoch die Hitzeeinwirkung auf die Ermordete war. Beim Fund brannte die Leiche noch, die Präparation des Körpers für eine anschließende Obduktion war entsprechend schwierig. Doch eines ist erwiesen: Die Frau wurde gewürgt und ihre Atemwege zusätzlich verschlossen. Die Würgemale zeugen von kräftigem Würgen, das mindestens eine Minute lang gedauert haben muss. Als das Feuer brannte und der Rauch einwirkte, war das Opfer bereits tot.

Komplexe DNA-Erklärungen

Schwierig zu durchschauen war für die Zuhörer die Erörterung der DNA-Spuren. Die Sachverständige Petra Hatzer-Grubwieser erläuterte ihr Gutachten, dabei ging es um verschiedene Abriebspuren, um die Vaterschaft für das ungeborene Kind und andere Spurensicherungen. Wie viel an Beweiskraft diese Spuren beinhalten, müssen die Geschworenen beurteilen. Nach gut einer Stunde werden die Sachverständigen vom Gericht entlassen.

Ein Jahr des Schweigens

Der Verdächtige, der aus der Dominikanischen Republik stammende, damals 26-jährige Vater des Kindes, schwieg nach der Tat. Erst ein Jahr nach dem Unglück redet er. „Offensichtlich vorbereitet und abgestimmt auf die bereits vorhandenen Ermittlungsergebnisse“, meint die Anklagebehörde. Und der heute 28-Jährige überraschte damals, ein Jahr nach der Tat, mit seiner Version: „Ein anderer wars“. Ins Spiel kommt damit ein Bekannter des Angeklagten, der diesem durch die brutale Tat angeblich eins auswischen wollte. „Es gibt keine Hinweise, dass der vom Beschuldigten Angegebene in irgend einer Weise mit der Tat in Verbindung steht“, meint die Anklagebehörde.

Letzter Zeuge am Wort

Nach der Einvernahme der zwei Schwestern des Angeklagten war für den ersten Prozesstag der letzte Zeuge am Wort. Die zwei Geschwister des Beschuldigten erzählten, dass ihr Bruder zu dem Kind angeblich gestanden sei. Eine sprach sogar von „Freude“. Der Angeklagte selbst sagte in seiner heutigen Einvernahme, dass er nicht so erfreut gewesen sei über die Vaterschaft. Als letzter im Zeugenstand war der 35-jährige Kolumbianer, der bei dem Angeklagten gewohnt hat. Er wurde verdächtigt, als Täter in Betracht zu kommen. Der Angeklagte hatte angegeben, er könnte sich vorstellen, dass sein Mitbewohner sich bei ihm rächen wollte, weil es im Vorfeld einen Streit wegen einer Bekannten gegeben hatte.

Zwei Prozesstage

Für das aufwendige Verfahren, das zusätzlich noch für den 4. Dezember anberaumt wurde, sind zahlreiche Zeugen geladen. Zwei Gerichtsmediziner werden zu Todesursache und DNA-Spuren Stellung nehmen. Auch die Beiziehung eines Spanischübersetzers zieht den Prozess in die Länge. Es gibt viele Indizien, im Prozess müssen sie alle genau erörtert werden. Da sind die DNA-Spuren ebenso wichtig wie die Auswertung der Handydaten, die Beziehung von Kindesvater und Opfer ebenso wie die, abwechselnd mit einer anderen Frau unterhaltene Liebesbeziehung.

Außergewöhnliche Delikte

Neben Mord und Brandstiftung sind auch zwei relativ selten vorkommende Delikte angeklagt. Schwangerschaftsabbruch ohne den Willen der Schwangeren und Störung der Totenruhe. Ersteres, weil auch das ungeborene Kind starb. Die Frau war im achten Monat. Letzteres, weil der Leichnam nach der Tat angezündet und somit im rechtlichen Sinne „misshandelt“ wurde. Bis zum Urteilsspruch gilt die Unschuldsvermutung. Es wird sich zeigen, ob die von den Ermittlern zusammen getragenen Fakten ausreichen. Laut Gesetz muss nicht der Angeklagte seine Unschuld, sondern die Anklagebehörde seine Schuld beweisen. Gibt es Zweifel, müssen die Geschworenen freisprechen. Der Dominikaner bleibt jedenfalls dabei: „Ich war es nicht“.

Bisheriges Leben

Bislang war der Arbeiter in der Lagerlogistik beschäftigt, verdiente ganz gut und hatte trotzdem einiges an Schulden. Der Dominikaner stammt aus San Christóbal, einer Stadt mit knapp 140.000 Einwohnern. Mit 15 kam er gemeinsam mit seiner Mutter nach Liechtenstein, war zuletzt arbeitslos. Bislang war er unbescholten, ließ sich also strafrechtlich nie etwas zu Schulden kommen. Der Vormittag des ersten Verhandlungstages ist jedenfalls reserviert für seine Aussage. Innerhalb mehrerer Stunden hat er die Möglichkeit, seine Version der Geschichte darzustellen. Danach kommen die Gutachter und die Zeugen zu Wort. Als Ende für den ersten Verhandlungstag ist 20.00 Uhr ins Auge gefasst.

Hinweis: Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

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