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"Sperrstund is ..." – Abschied eines echten Szene-Originals

Didi Tomaselli verabschiedet sich nach 40 Jahren in den verdienten Ruhestand.
Didi Tomaselli verabschiedet sich nach 40 Jahren in den verdienten Ruhestand. ©Becker/Sams
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Die lebende Nightlife-Legende Didi Tomaselli verabschiedet sich in den Ruhestand. Im Sonntags-Talk spricht der Nachtgastronom über seine wilden Anfänge im "Notausgang", Tausende Gäste im "B190" und wieso das Bregenzer Tanzlokal auch als "Schenkelpresse" bekannt ist.
Der letzte Tanz für ein beliebtes Bregenzer Lokal

WANN & WO: Fast 40 Jahre im Nachtleben, von wilden Anfängen im New Wave und Punkrock bis hin zum Tanzlokal Nachtigall. Warum ist jetzt Schluss?

Didi Tomaselli: Nach einem halben Leben im Nachtleben hat man irgendwann genug. Und ich muss auch sagen, dass nach Corona viele meiner doch auch älteren Gäste nicht mehr den Weg in die Nachtigall suchen. Teuerung und Inflation spielen sicher auch eine gewichtige Rolle.

Didi lädt zum vorerst letzten Tanz in der Nachtigall. ©Becker/Sams

WANN & WO: Wieso hast du dich damals 1984 entschieden, als Quereinsteiger mit dem "Notausgang" dein legendäres Lokal in Dornbirn zu eröffnen?

Didi Tomaselli: Das Nachtleben hat mich immer fasziniert, damals war ich Stammgast bei Klaus Spiegel im Lustenauer Sender, einem der ersten Clubs in Österreich. Er wurde zu meinem Mentor und gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Kurt Hartmann haben wir uns entschieden, ein Lokal ganz nach unserem Geschmack zu eröffnen – damit war der "Notausgang" aus der Taufe gehoben. Ein Club nach englischem Vorbild, mit Punkrock und New Wave. So etwas hatte es in Vorarlberg noch nicht gegeben. Und Dornbirn hatte damals eine unheimliche Strahlkraft. Rothmeyers Scala, Sigi Innauer und viele mehr zog es nicht umsonst in die Messestadt. Und aus gastronomischer Konkurrenz entstand Freundschaft, die bis heute anhält.

Didi Tomaselli und Kurt Hartmann. ©handout/Tomaselli

WANN & WO: Angesprochen auf diese elitäre Runde, die dem Vorarlberger Nachtleben ihren Stempel aufgedrückt hat – wie habt ihr als Clubbetreiber diese Zeit erlebt?

Didi Tomaselli: Eine Leidenschaft, die wir alle geteilt haben, war die Liebe zur Musik. Und zwar zu jenem Sound, der dem Zeitgeist in den Metropolen und angesagtesten Clubs in der ganzen Welt Flügel verliehen hatte. Dieses urbane Lebensgefühl wollten wir nach Vorarlberg bringen. Und in Dornbirn hat jeder von uns, in unterschiedlicher Form, seinen Beitrag geleistet. Deswegen waren wir auch nie wirkliche Konkurrenten. Im Gegenteil, wir haben dadurch ein vielfältiges Angebot geschaffen, das Dornbirn damals zum Szene-Mekka gemacht hat. Wir haben definitiv nichts ausgelassen und dieses Lebensgefühl genauso gelebt, wie unsere Gäste. Und wahrscheinlich sogar mehr als unser Publikum, so viel sei verraten … (schmunzelt).

WANN & WO: Wie würdest du das damalige Nachtleben mit dem heutigen vergleichen?

Didi Tomaselli: Damals waren es goldene Zeiten für uns, wir haben die Club-Kultur in Vorarlberg salonfähig gemacht. Die Liebe zur Musik war uns allen gemein, und jeder von den damaligen Clubs bespielte unterschiedlichstes Publikum. Egal ob Punk, Banker oder Politiker – in Dornbirn ging die Post ab. Bei der Eröffnung unseres nächsten Lokals, dem B190, wurden wir von 1500 Leuten überrannt. Wenn ich das Nachtleben heute betrachte, habe ich das Gefühl, dass mehr Aggressivität vorherrscht. Ohne dass ich die Jugend verurteilen möchte, vielleicht trügt mich auch mein subjektives Empfinden.

Didi Tomaselli, rechts im Bild, in seinem ersten Lokal, dem "Notausgang" in Dornbirn, 1984. ©handout/Tomaselli

WANN & WO: Warum hast du schlussendlich Dornbirn hinter dir gelassen?

Didi Tomaselli: Im Nachhinein muss ich zugeben, dass mich die Politik enttäuscht hat. Uns Gastronomen wurde das Leben schwer gemacht. Nach Kriegsopferabgabe, Mehrwertsteuer oder AKM griff auch die Stadt selbst immer mehr ins Geschäft ein. Als wir Gastronomen den Marktplatz bespielten, waren regelmäßig über 3000 Menschen in der Innenstadt unterwegs. Sperrstunden-Regelungen, Anrainer-Beschwerden und das Gebaren der Stadt selbst haben dem den Garaus gemacht. Inzwischen versuchen die Verantwortlichen der Stadt selbst, das Heft in die Hand genommen. Und egal ob Weihnachts- oder Martini-Markt – die Gastronomen werden für einen Stand ordentlich zur Kasse gebeten. Ohne mich, ich bekam auch dank meines langjährigen Freundes und Steuerberater Johannes Helfer die Chance, die Nachtigall zu übernehmen und habe es bis heute keine Sekunde bereut.

Didi Tomaselli im Gespräch mit WANN & WO. ©Becker/Sams

WANN & WO: Nach diesem Wochenende ist Schluss: Wie verbringt Didi Tomaselli seinen 'Unruhestand'?

Didi Tomaselli: Ich genieße die Zeit und fühle mich wohl in Vorarlberg. Meine Freundin lebt in der Dominikanischen Republik, dort verbringe ich ebenfalls ein paar Monate im Jahr. Ich bin aber nicht der Auswanderer-Typ, also werde ich auch dem heimischen Nachtleben erhalten bleiben, sofern es meine Gesundheit zulässt.

WANN & WO: Eine abschließende Frage noch: Wieso hat die Nachtigall den unrühmlichen Beinamen 'Schenkelpresse'?   

Didi Tomaselli: Das hat mich von Anfang an gestört und ich habe inzwischen verschiedene Interpretationen gehört. Die gängigste bezieht sich anscheinend auf eine einladende Körperhaltung auf dem Barhocker, die wohl als eindeutiges Angebot ausgelegt worden sein soll. Ich selbst wurde aber bis heute noch nicht Zeuge dieser "Signale". Vielleicht aber auch, weil ich hinter der Bar stehe (schmunzelt). Abschließend möchte ich mich noch bei all meinen Freunden, Gästen, meinem verlässlichen Personal, meinen langjährigen Partnern – besonders der Mohrenbrauerei – und all meinen Wegbegleitern bedanken. Übrigens wird es auch in der Nachtigall weitergehen, nach einer kurzen Pause. The Show Must Go On.

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(WANN & WO)

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