Psychosoziale Folgen der Covid-19-Krise bei Kindern

Das berichtete Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) bei einer Pressekonferenz. Ein Projekt soll "über die begrenzten Kapazitäten der Regelversorgung hinaus Unterstützungsmöglichkeiten für junge Menschen bieten", so Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne).
"Gesund aus der Krise"
13 Millionen Euro sind vom Ministerrat bereits im vergangenen Jahr für die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen zur Bewältigung der psychischen Folgen der Pandemie beschlossen worden. 12,2 Millionen Euro gehen an das Projekt "Gesund aus der Krise", 800.000 Euro an die Arbeitsgemeinschaft Frauengesundheitszentren, "damit die psychologische und psychotherapeutische Behandlung für Mädchen und junge Frauen verbessert wird", erläuterte Mückstein.
"Man kann mit Recht sagen: Es brennt an allen Ecken und Enden", betonte Plakolm. "Mit dem Paket beginnen wir an einem Ende zu löschen, nämlich konkret im Bereich des Zugangs zur Psychotherapie für junge Menschen bis 21 Jahre, indem wir einen One-Stop-Shop schaffen, der von der Erstberatung bis zur tatsächlichen Therapie jungen Menschen hilft." Diese müssten sich weder selbst um einen Therapieplatz umschauen, noch um Kostenerstattung kümmern, Hilfe soll schnell und unkompliziert erfolgen. Es werde eine einzige Hotline geben, von der man an die Beratungs- und Behandlungsstellen weiter verwiesen wird, ergänzte Mückstein.
Pandemie als zusätzliche Belastung
In das Projekt sind der Bundesverband für Psychotherapie und der Berufsverband österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) eingebunden, und auch mit Schulpsychologinnen und -psychologen soll zusammengearbeitet werden. Damit sei ein erster Schritt getan, sagte Plakolm, "wir werden aber auch im Bereich der Prävention Maßnahmen setzen müssen".
Die Pandemie und deren Bekämpfung haben zu einer "zusätzlichen Belastung von Kindern und Jugendlichen in einer wichtigen Entwicklungsphase geführt", sagte Mückstein. Man habe deutlich gesehen, dass bestehende Hilfsangebote angesichts dieser Faktoren mehr als nur ausgereizt sind. "Alle Schülerinnen und Schüler, die Hilfe benötigen, sollen sie auch bekommen", betonte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). In den Bildungseinrichtungen seien Schulpsychologinnen und -psychologen erste Ansprechpartner.
"Der Bedarf ist groß"
BÖP-Präsidentin Beate Wimmer-Puchinger sprach von einer guten Investition in die Kinder und Jugendlichen, "unsere Zukunft". In einem ersten Schritt würden rund 7.500 Burschen und Mädchen bis zu einem Alter von 22 Jahren betreut - und zwar in einem Ausmaß von 15-plus-Stunden in Einzel- und Gruppentherapie, flächendeckend in ganz Österreich sowie von Experten unter Qualitätssicherung durchgeführt. Gestartet werde mit Ende März. Der BÖP agiere als Service- und Ansprechstelle für das ganze Netzwerk der Kinderpsychiater, Jugendeinrichtungen, Schulpsychologen etc., aber auch für Einzelpersonen. Die Betroffenen erhalten danach einen Behandlungsgutschein. Besonders freute die Expertin an der Aktion, dass erstmals psychische und physische Gesundheit gleichgestellt würden. "Der Bedarf ist groß - aber fangen wir einmal an."
Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, lieferte eine Erklärung, warum es den Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie so viel schlechter geht als Älteren: Die Vorfreude auf so viele Aktivitäten wie Maturafeier, Skikurs, Sportwoche oder Schulfest wäre oft enttäuscht worden. "Belohnung als Schmiermittel ist für sie viel wichtiger als uns."
Nur 10 Prozenz des Bedarfs gedeckt
Das Projekt der Regierung decke lediglich zehn Prozent des Bedarfs, reagierte die Bundesjugendvertretung (BJV) in einer Aussendung. Bereits vor der Pandemie sei die Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit mangelhaft gewesen. Das Projekt sei ein Tropfen auf den heißen Stein, aber: "Wir begrüßen es sehr, dass mit den geplanten Maßnahmen junge Menschen rasch und unkompliziert unterstützt werden sollen. Wenn es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht, darf keine wertvolle Zeit verstreichen", betonte BJV-Vorsitzender Julian Christian. Für die geplante Impflotterie war eine Milliarde Euro vorgesehen, jetzt könne ein Teil dieses Budgets in die psychische Gesundheit junger Menschen investiert werden.
SOS-Kinderdorf begrüßte ebenfalls das Projekt, wies aber auch darauf hin, dass 13 Millionen Euro "nicht reichen" würden: "Das Ziel, 7.500 Betroffene mit den Maßnahmen zu erreichen, ist zu klein gesteckt, damit kann die seit Jahren bestehende massive Unterversorgung im Bereich psychischer Gesundheitsleistungen bei Kindern und Jugendlichen nicht ausgeglichen werden. Hier braucht es eine engagierte Ausbaustrategie und das entsprechende Budget. Weitere engagierte Verbesserungsschritte müssen unbedingt rasch folgen", forderte Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf.
Dringender Handlungsbedarf
Die Bundesregierung kündige nach zwei Jahren Pandemie den ersten Schritt im Bereich des Umgangs mit der psychischen Gesundheit junger Menschen an, kritisierte die SPÖ: "Man stelle sich vor, Wirtschaftshilfen wären erst zwei Jahre nach Beginn der Pandemie ausgeschüttet worden. Das zeigt den Stellenwert, den Kinder und Jugendliche in dieser Bundesregierung leider einnehmen," konstatierte Kinder- und Jugendsprecherin Eva-Maria Holzleitner. Erste Zahlen zu Depressionen, Autoaggression und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen von Rat auf Draht würden seit April 2020 vorliegen und auch die Studien der Donau Uni Krems hätten längst alarmiert und den dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt.
SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner sprach von "völlig unzureichender" Schwerpunktsetzung: "Bei diesen 13 Millionen fehlen jegliche Mittel für den so dringend notwendigen Ausbau fachärztlicher Angebote. Wir brauchen endlich mehr Geld für die Kinder- und Jugendpsychiatrien."
(APA)
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