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Österreicher befürchten bei Europawahl Fake News und Desinformation

Neu ist die Sorge insbesondere vor einer russischen Einflussnahme auf die Europawahlen nicht.
Neu ist die Sorge insbesondere vor einer russischen Einflussnahme auf die Europawahlen nicht. ©Canva (Sujet)
Die Gefahr von Fake News und Desinformation bei den Europawahlen 2024 bereitet den Österreichern Sorgen, obwohl die EU heute besser gegen diese Bedrohungen gerüstet ist als noch vor fünf Jahren.
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Die Gefahr, dass die Europawahlen 2024 durch Fake News manipuliert werden, wird von Experten als groß eingeschätzt. Nichtsdestotrotz ist die EU gegen Desinformation heute besser gerüstet als noch vor fünf Jahren.

Die Strategien russischer Internettrolle werden seit Jahren systematisch aufgedeckt. Dazu kommen neue technische Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz (KI/AI), sowie der Krieg in Nahost und weitere Krisenherde, die Desinformation potenziell anheizen.

EU besser gerüstet gegen Desinformation, aber Risiko bleibt

Es gebe die "relativ gute Nachricht, dass wir die massive Beeinflussung" wie noch bei der US-Wahl 2016, als es zu einer massiven russischen Einflussnahme zugunsten Donald Trumps auf den Wahlkampf kam, "in dieser Form zumindest nicht mehr sehen. Das heißt aber nicht, dass die Gefahr gebannt ist", sagte Lutz Güllner, Leiter der Abteilung für Strategische Kommunikation im Auswärtigen Dienst der EU, kürzlich bei einer Diskussion der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

Neu ist die Sorge insbesondere vor einer russischen Einflussnahme auf die Europawahlen also nicht. Vor der EU-Wahl 2019 versuchte die EU-Kommission im Kampf gegen gezielte Falschinformationen noch Facebook, Google und Twitter über einen Verhaltenskodex dazu zu bewegen, dass politische Werbung gekennzeichnet wird.

Fake News: "Digital Services Act" soll Internet zähmen

Mittlerweile ist ein weiter gehendes Gesetz dazu in Arbeit, aber noch nicht fertig: Die EU-Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung ist noch immer Gegenstand von Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen. Bezahlte Anzeigen im Netz sollten dann als solche gekennzeichnet werden. Ein Missbrauch der Nutzerdaten soll nach dem Willen der EU-Abgeordneten zusätzlich durch das Verbot von Microtargeting sichergestellt werden - eine Konsequenz aus dem Datenschutz-Skandal um Cambridge Analytica rund um Facebook. Das heißt, es dürften nur noch personenbezogene Daten genutzt werden, die ausdrücklich für politische Online-Werbung zur Verfügung gestellt wurden.

In Kraft ist seit August für die großen Plattformen das EU-Gesetz über digitale Dienste - der "Digital Services Act" (DSA). Der DSA sieht mehr Transparenz für Algorithmen und empfindliche Strafen für die Plattformen vor, wenn Hass und Hetze im Netz nicht gelöscht werden. Eine erste Zwischenbilanz der EU-Kommission zur Anwendung des DSA soll demnächst veröffentlicht werden.

In Hinblick auf die Europawahl versichert Güllner: "Wir bereiten uns vor." Ziel seiner Abteilung ist es, Fake News umfassend aufzudecken, Bewusstsein zu schaffen und auf Desinformation, etwa durch direktes Entlarven der Falschnachricht ("Debunking"), reagieren zu können. Dafür müsse die EU in diesen Bereich immer weiter investieren. Letztlich sei dies eine gesellschaftliche Aufgabe, die nicht durch Regierungen alleine zu lösen wäre.

Russlands Desinformationskampagnen werden regelmäßig aufgedeckt

Vor allem Russlands Desinformationskampagnen im Kontext des Kriegs in der Ukraine werden vom Europäischen Auswärtigen Dienst über die Internetseite EUvsDisinfo.eu regelmäßig öffentlich gemacht. Russische Propagandasender wie Sputnik TV, RT (früher Russia Today) wurden von der EU unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine 2022 verboten. Eine mit Russland und dem Kreml verbundene Praxis ist das Kopieren von Medien-Websites, auf der dann Falschnachrichten so verbreitet würden, als ob sie von glaubwürdigen Medien kämen. Geklont werden etwa der "Guardian" oder der "Spiegel", Inhalte werden verändert und dann massiv geteilt.

Güllner warnt jedoch: "Desinformation ist nicht nur ein Problem der Sozialen Medien." Auch Thinktanks und Nicht-Regierungsorganisationen seien Ziel von Desinformationskampagnen, vermeintliche Info-Plattformen würden gegründet, "um so viel Lautstärke wie möglich zu bekommen". 2022 stellte das Europaparlament auf Grundlage von Arbeiten eines Sonderausschusses zur Einflussnahme aus dem Ausland (INGE) fest, dass "Beweise dafür vorliegen, dass böswillige oder autoritäre ausländische staatliche und nicht-staatliche Akteure, wie Russland, China und andere, durch die Manipulation von Informationen und andere Einmischungstaktiken in demokratische Prozesse in der EU eingreifen".

Der Desinformationsanalyst Dietmar Pichler sieht die Europawahl als "große Herausforderung, angefeuert durch den Krieg in der Ukraine". So seien die Sanktionen gegen Russland ein europäisches Thema, und Russland versuche über die rechten Parteien Einfluss zu nehmen. "Es wird noch schlimmer", so Pichler. In den USA sei die Ukraine-Hilfe mittlerweile ein großes Streitthema, man sehe bereits Desinformation von Influencern in den Vereinigten Staaten. Gerade die EU-Wahl und der russische Angriffskrieg in der Ukraine seien komplexe Themen, wo "ein Übermaß an Desinformation mit einem Informationsmangel kollidiert", so der Experte.

KI birgt ebenfalls große Gefahr von Falsch- und Desinformationen

Für die Europawahl im Juni zu spät kommen voraussichtlich die Bemühungen der EU, Künstliche Intelligenz umfassend über einen europäischen AI-Act (KI-Gesetz) zu regulieren. Die EU-Kommission will, dass Texte oder Bilder gekennzeichnet werden, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz generiert wurden. "Eine der größten Sorgen ist sicherlich die katalysierende Wirkung, die generative KI auf die massenhafte Verbreitung von Falsch- und Desinformationen haben kann, sei es in Bild- oder Textform", sagt der deutsche Philosoph und KI-Ethiker Benjamin Lange gegenüber EUvsDisinfo. "Es gibt auch eine gute Nachricht: Mit der Zunahme unserer technischen Möglichkeiten nehmen auch unsere Fähigkeiten zur Erkennung von Desinformationen durch KI zu, wie beispielsweise bei der Erkennung von Deepfakes."

Ziel der Desinformation ist nicht nur die Verbreitung von Falschmeldungen, sondern auch, das Vertrauen in die Demokratie zu zersetzen. Die häufigsten Narrative, die auf die Beeinflussung von Wahlen zielen, sind den EU-Experten zufolge: "Die Wahlen sind gestohlen/vorentschieden"; "Wählen macht keinen Unterschied"; "Die politischen und wirtschaftlichen Eliten kontrollieren alles"; "Demokratien sind scheinheilig".

Mehrheit der Österreicher befürchtet bei EU-Wahl Beeinflussung durch Fake News

72 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher befürchten laut einer ÖGfE-Umfrage vom September, dass bei der Europawahl im nächsten Jahr Fake News und Desinformation eine Rolle spielen werden. 30 Prozent sehen diese Gefahr "auf jeden Fall", 42 Prozent "eher schon". Knapp ein Fünftel teilt hingegen nicht die Sorge vor einer Beeinflussung der Wahl durch Fake News und Desinformation.

Laut einer Eurobarometer-Umfrage von 2022 zeigten sich in Österreich 70 Prozent der Befragten zuversichtlich, dass sie Desinformation als solche erkennen können. Damit schätzen sich die Österreicher besser ein als der europäische Durchschnitt. Dass sie Fake News auch tatsächlich ausgesetzt sind, glauben in Österreich 8 Prozent (sehr oft) bzw. 16 Prozent (oft) - das ist besser als der EU-Durchschnitt. Am meisten sehen sich die Bürgerinnen und Bürger in Bulgarien, Ungarn, Rumänien und Zypern durch Falschnachrichten beeinflusst, am wenigsten Niederländer, Dänen und Deutsche.

(APA/Red)

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