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K2-Skandal: "Es muss eine Bestrafung geben!"

Bergsteigerlegende Hans Kammerlander fand klare Worte und forderte Konsequenzen für das Verhalten der Beteiligten, die einfach über den Verletzten gestiegen waren.
Bergsteigerlegende Hans Kammerlander fand klare Worte und forderte Konsequenzen für das Verhalten der Beteiligten, die einfach über den Verletzten gestiegen waren. ©AFP/APA
Im August erschütterte ein Skandal die internationale Bergsteiger-Community: Bei der Besteigung des K2 kam der unerfahrene pakistanische Bergführer Mohammed Hassan ums Leben.
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Videoaufnahmen zeigten, wie mehrere Bergsteiger einfach über den Mann stiegen - Rettungsaktion wurde keine eingeleitet. Der Vorfall war nun auch Thema bei "Sport und Talk aus dem Hangar-7" auf ServusTV, wo Zeugen und weitere erfahrene Bergsteiger, unter anderem Hans Kammerlander, Sabrina Filzmoser und Willi Steindl, diskutierten.

Während die Norwegerin Kristin Harila ihre umstrittene Gipfelsammlung auf allen 14 Achttausendern innerhalb von 92 Tagen vollendete, kam der pakistanische Hochträger Mohammad Hassan ums Leben. Schockierende Videoaufnahmen zeigten, wie Dutzende Bergsteiger den sterbenden Bergführer ignorierten und über ihn hinwegstiegen.

Bei "Sport und Talk aus dem Hangar-7" auf ServusTV diskutierten nun Hans Kammerlander, Sabrina Filzmoser, Willi Steindl, Lukas Furtenbach, Georg Bachler, Hans-Peter Stauber, Heli Putz, Lukas Wörle unter der Moderation von Christian Brugger über die Geschehnisse.

"Um die Menschen aufzuwecken"

Regisseur Hans-Peter Stauber wollte eigentlich nur eine Jubiläumsdokumentation zum K2 machen, am Ende schockierten die Aufnahmen die Welt: "Wir wollten eine Dokumentation anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Erstbesteigung machen. Er ist einer der gefährlichsten Berge, der zweithöchste. Er ist durchzogen von Mythen, Lügen und einem Mordversuch. Zu Beginn der Drehaufnahmen wussten wir nicht, dass wir in eine Tragödie hineinstolpern. Dadurch haben wir die Dokumentation nicht nächstes Jahr, sondern sofort veröffentlicht. [...] Ich glaube, das ist es wert, so eine Dokumentation auszustrahlen, um die Menschen aufzuwecken.“

Augenzeugen berichteten

Willi Steindl, ehemaliger Rennfahrer und ÖVP-Politiker aus Tirol, der die Vorfälle am K2 öffentlich gemacht hatte, erzählte vom Tag des Vorfalls. Er sei bereits mit „keinem guten Gefühl gestartet". Die Wetterlage sei schlecht gewesen: "Es war zu viel Schnee. Es gab Lawinengefahr. Wir wollten schauen, was los sind und ich bin froh, dass wir umgedreht haben.“ Sabrina Filzmoser, die zu der Zeit ebenfalls am K2 war, blieb gleich im Camp: „Wir hatten schlechtes Wetter in der Vorbereitung. Also wusste ich, dass es nicht möglich war. Ich habe mich in meinem Schlafsack wohlgefühlt.“

"Ihn in die Spur zu bringen, wäre kein Problem gewesen."

Bergsteigerlegende Hans Kammerlander (66) zeigte sich schockiert über die Ereignisse - auch über die Fahrlässigkeit des Vorgehens: „Es ist der steilste und schwierigste Achttausender. Ich habe ihn als einen gefährlichen Berg kennengelernt. Es ist ein Fehler, Menschen auf diesen Berg bei so einem Wetter hochzulassen. Das Gehen mit Steigeisen, da schau ich lieber weg. Das passt überhaupt nicht. Da muss man die Hochträger ausbilden, was in Pakistan nicht der Fall ist. Das ist ein unkoordiniertes Rudel, das geht überhaupt nicht.“ Außerdem hätte nichts dagegen gesprochen, Hassan Mohammad zu helfen: „Das Gelände, in dem er abgestürzt ist, hat mit schwer nichts zu tun. Das ist nur ein Schneehang und kein Überhang. Ihn in die Spur zu bringen, wäre kein Problem gewesen. In der Hinsicht waren sicher nicht die richtigen Leute an der Stelle.“

Extrembergsteiger Lukas Furtenbach glaubt zudem, dass anderen in derselben Situation geholfen worden wäre: „Es ist Spekulation, aber ich behaupte schon, dass es bei einem Kunden oder berühmten Sherpa zumindest einen Versuch gegeben hätte, zu helfen. Bei dem Verunfallten hätte es keine Benefits gegeben.“

"Koste es, was es wolle“

Regisseur Hans-Peter Stauber sah die Verantwortung dabei vor allem bei Bergsteigerin Kristin Harila: „Ich war nicht dabei, habe es nur aus den Bildern gesehen. Der Gipfel von Kristin Harilas Rekordjagd war ihr so viel wichtiger, als das Retten des Hassan Mohammad. Sie wurde von ihren nepalesischen Sherpas hinaufgeführt. Hätte sie versucht, ihm zu helfen, wäre sie ein Star gewesen. Nicht nachdem sie versucht hat, den 14. Achttausender zu besteigen.“ Auch Sabrina Filzmoser sieht die Rekordjagd der Bergsteigerin kritisch: „Ich kenne Kristin Harila zu wenig, um zu urteilen. Aber es schien so, als würde der Rekord gebrochen werden, koste es was es wolle.“

"Wenn jemand an einem Verletzten vorbeigeht, muss es eine Bestrafung geben."

Kammerlander verlangte Konsequenzen aus den Geschehnissen: „Die erste Gruppe, die hinauf ist, um einen Rekord aufzustellen. Das ist schon krass. Die nepalesischen Sherpa sind gute Leute in der Höhe. Wenn jemand an so einem Verletzten vorbei nach oben geht, muss es eine Bestrafung geben. Zumindest, dass man nicht mehr an solchen Expeditionen teilnehmen darf. Wie bei einem Fußballfan im Stadion, der Stadionverbot bekommt. Da muss man sich schämen."

Willi Steindl verurteilte das Vorgehen ebenfalls und übte scharfe Kritik: „Am Tag danach traf ich Leute von ihrem Team. Wir waren Nachbarn, haben uns gut verstanden. Sie hatten eine Party, auch Feuerwerke abgeschossen. Dann im Zelt haben wir solche Aufnahmen aus Zufall gesehen und da wurde mir richtig schlecht. Ich muss Hans vollkommen Recht geben. Ich bin nicht der Profibergsteiger, aber war super vorbereitet und wusste, was zu tun ist. Die Leute, die raufgingen, das ist eine Krankheit. Das sind Influencer, die ihrem Publikum zeigen wollen, was sie erleben. Sie verursachen den Stau und haben auf dem Berg nichts zu suchen. Andere kommen dahinter nicht weiter.“

"Es ist klar, dass man helfen muss."

Lukas Wörle erzählte in der Diskussionsrunde auch davon, wie er selbst einem Höhenträger geholfen habe, dem es entsprechend schlecht gegangen sei: „Ich habe hinter dem Berg einen pakistanischen Höhenträger gesehen - neben ihm Erbrochenes. Und da wusste ich, dass ich helfen muss. Es war sehr schwer, habe Hilfe angefordert. Ich habe dann die Rückmeldung bekommen, dass ich ihn liegen lassen soll. Als er nicht mehr die Leistung bringen konnte, haben sie ihn dort gelassen. Er hätte es sicher nicht geschafft, hatte irrationales Verhalten, sich die Handschuhe ausgezogen und die Brille abgelegt."

Für Wörle sei aber klar gewesen, dass er helfen muss: "Ich wäre selbst von mir schockiert, hätte ich da Entscheidungsschwierigkeiten, was mir wichtiger ist. Als Bergsteiger und Alpinist ist es klar, dass es nicht schnell Hilfe gibt und dass man helfen muss. Ich war bis zu dem Zeitpunkt der Meinung, dass jeder in dieser Situation so handeln würde.“

Zu Kristin Harilas Rekordjagd hat er gemischte Gefühle: „Ich habe größten Respekt davor, 14 Achttausender in sechs Monaten zu besteigen. Aus sportlicher Sicht finde ich es fragwürdig.“

Problem Massentourismus?

Vor allem der Tourismus und die steigende Anzahl an Personen an Bergen, wie dem K2, sorgten außerdem für Diskussionsstoff. Georg Bachler sieht vor allem eine grundsätzlich negative Entwicklung beim Bergsteigen: „Die Dinge haben sich entwickelt. Klassische Expeditionen haben sich überholt. Es wurde eine touristische Bewegung, die aus finanziellen Gründen ihren Weg geht. Es sind hohe Berge und die gehen aufgrund der Lebenswürdigkeit ihren Weg. Viele gehen rauf und können es nicht. Dann passieren Dinge. Man müsste hier viel strenger und klarer sein, um das zu unterstützen.“

Der Massentourismus sorgt auch für jede Menge Müll auf dem K2. (Quelle: AFP)

Hans Kammerlander übte vor allem Kritik an übermäßigen Tourismus - und Lukas Furtenbach, der Expeditionen anbietet: „Muss man für jeden diese Achttausender präparieren, wie ihr es macht? Das sind Durchschnittswanderer und die nehmt ihr mit. Den Luxus, den ihr bietet, ist zu viel. Da hört der Alpinismus auf.“

Furtenbach verteidigte sein Business aber vehement: „In den Alpen findet das noch extremer statt. Dort wird es toleriert, wenn Menschen an der Hand genommen werden und im Tal in Luxushotels sind. In dem Moment, in dem wir es ins Himalayagebiet verlegen, ist es verwerflich. Wo legen wir da die Grenze? Das konnte mir noch niemand sagen.“

Die ungewisse Zukunft des Höhenbergsteigens

"Es sind einfach zu viele Menschen. Stundenlange Staus in der Kälte sind ein Wahnsinn. Es wurde ein riesiges Geschäft. Das ist für die armen Staaten ein wichtiges Einkommen. Es ist ein Riesenrad geworden. Das zu bremsen, wird schwer sein", meinte Hans Kammerlander.

Sabrina Filzmoser war hingegen optimistischer: „Ich glaube nicht, dass das so schwierig ist. Pakistan hat viel Potenzial. Denen wird nicht die Chance gegeben. Sie haben nicht die Ausbildung, um es an Touristen weiterzugeben. In Nepal funktioniert das besser. Menschen werden nach Österreich geholt, um ihnen Sachen zu lernen. So muss das in Pakistan auch funktionieren."

Auch Lukas Furtenbach plädierte für Verbesserungen: „Bei Reglement und Regulierung sehe ich das nötige Vorgehen. Es gehören Mindeststandards her. Das fehlt in weiten Strecken.“

"... damit Menschen nicht sterben müssen."

Willi Steindl erzählte in der Sendung zudem von seinem Besuch bei der hinterbliebenen Familie Hassans: „Als wir das erste Mal dort waren, waren wir geschockt. Wir haben ein tragisches Bild gesehen. Mein ganzes Bargeld habe ich sofort dort gelassen. Westliche Bergsteiger müssen da hinschauen und unterstützen. Es liegt in unserer Verantwortung. Die Frau hat erzählt, dass er da raufging, um den Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. Ich war schockiert, dass wir das einzige Team waren, welches vor Ort war. Durch ein Fundraising ist es uns gelungen, da zuhause noch mehr zu machen.“

Mohammed Hassan soll den gefährlichen Aufstieg gemacht haben, um seinen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. (Quelle: AP)

Hans-Peter Stauber erklärte zudem, dass Steindl und er bestrebt seien, den Leuten vor Ort Ausbildungen zu ermöglichen: „Wir wollen die Familie und das Umfeld unterstützen. Wir haben dann gesagt, dass wir einen Freigegenstand wie Alpinismus initiieren. Damit die Leute dort vor Ort eine Grundausbildung bekommen, damit Menschen nicht so unerfahren wie Hassan Mohammad sterben müssen. Wenn uns das gelingt, dort zu helfen, dann haben wir Großes bewegt.“

(VOL.AT)

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