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Hundebox-Fall: Prozess um Schmerzengeld-Klage in Krems fortgesetzt

Opferanwälte fordern 150.000 Euro und Haftung für künftige Schäden vom Land Niederösterreich.
Opferanwälte fordern 150.000 Euro und Haftung für künftige Schäden vom Land Niederösterreich. ©APA
Im Fall um einen nunmehr 15-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gequält worden sein soll, ist am Dienstag in Krems der Zivilprozess um Schmerzengeld für den Buben fortgesetzt worden.

Mehrere Zeugen waren am Wort. Die Opferanwälte fordern 150.000 Euro und die Haftung für künftige Schäden vom Land Niederösterreich, das die Vorwürfe aber zurückweist.

Die zivilrechtliche Klage hatte Opferanwalt Timo Ruisinger im November des Vorjahres beim Landesgericht Krems eingebracht. Der Gesamtstreitwert beträgt 180.000 Euro, zu 150.000 Euro Schmerzengeld kommen 30.000 Euro an Feststellungsinteresse für die zukünftigen Schäden. Rechtlich gestützt ist die Klage auf das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Land ist demnach der Träger der Kinder- und Jugendhilfe.

Sozialarbeiter "nicht adäquat reagiert"

Kernpunkt der Klage ist das Vorgehen zweier Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya, die mit dem Fall befasst waren. Deren Handeln und Unterlassen sei dem Land als Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuzurechnen, argumentieren die Opfervertreter Ruisinger und Heinrich Nagl. Das Sozialarbeiter-Duo habe nicht adäquat reagiert. "Es gab eine Vielzahl an Hinweisen, dass die Kindesmutter dem Wohl des Klägers schadet und diesem dadurch körperliche und psychische Schäden zugefügt wurden", heißt es in der Klage.

Zwei Meldungen, bevor der Bub ins Koma fiel

Verbunden mit zwei Gefährdungsmeldungen - verfasst von der Schule und einem Landesklinikum - hatte es seitens der Kinder- und Jugendhilfe am 28. Oktober und am 18. November 2022 (vier Tage, bevor der Bub ins Koma fiel) jeweils unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn gegeben. Zunächst waren beide Sozialarbeiter an Ort und Stelle gewesen, beim zweiten Termin erschien der federführende Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya alleine. Geortet wurden von ihm zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme angenommen. Der schlechte medizinische Zustand des Buben sei jedoch auch für Laien erkennbar gewesen, betonte Ruisinger.

Fremdunterbringung von Minderjährigen sei letztes Mittel

Das Land Niederösterreich, rechtlich vertreten durch Martin Führer von der Rechtsanwaltskanzlei Urbanek, Lind, Schmied, Reisch, ortete hingegen "keinerlei Sorgfaltswidrigkeit". "Sämtliche gesetzlichen Pflichten" seien "vollumfänglich eingehalten" worden, wurde in der Klagebeantwortung festgehalten. Ein Eingriff in die Elternrechte dürfe "nur unter besonders strengen Voraussetzungen erfolgen", eine "Fremdunterbringung des Minderjährigen" sei sozusagen letztes Mittel und wäre unter den gegebenen Umständen "nicht zulässig gewesen".

Gegen die beiden Sozialarbeiter war wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs auch strafrechtlich ermittelt worden. Im März erfolgte aber die rechtskräftige Einstellung dieses Verfahrens.

Vater: Bub war "richtig verschlossen"

Der seit Jahren getrennt von der Kindesmutter lebende Vater gab am Dienstag im Zeugenstand an, den Buben vor dem lebensbedrohlichen Vorfall letztmals im Mai 2022 gesehen zu haben. Da sei sein Sohn "noch wohlgenährt" gewesen, er habe keine Verletzungen wahrgenommen. "Gesagt hat er damals meistens gar nichts", der Bub sei "richtig verschlossen" gewesen. Keinen Informationsfluss habe es seitens der Kinder- und Jugendhilfe in Richtung des 39-Jährigen gegeben, obwohl dieser ebenso wie die Mutter berechtigt zur Obsorge war. Vielmehr habe er sich selbst bei der Behörde gemeldet - kurz vor der Einlieferung des Buben ins Spital, so der Waldviertler. Grund war eine davor ergangene Information der Schule. Nunmehr lebt der 15-Jährige bei seinem Vater.

Sohn geschlagen, gefesselt, geknebelt und in Hundebox eingesperrt

Die ursprüngliche Causa selbst sorgte über die Landesgrenzen hinweg für Aufsehen. Die nun 35-jährige Mutter soll ihren Sohn geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Am 22. November 2022 hatte sich das unterernährte Kind in akut lebensbedrohlichem Zustand befunden. Der damals Zwölfjährige überlebte wegen des Einschreitens einer Sozialarbeiterin, die der Familie aufgrund einer Beratung bekannt war. Als Komplizin der Kindsmutter soll eine damalige Freundin der Waldviertlerin fungiert haben.

Kind hatte im Klinikum 26,8 Grad Körpertemperatur

Letztlich wurde der Bub in die Klinik Donaustadt nach Wien transportiert. Ein behandelnder Kinderarzt schilderte als Zeuge, dass der Bursche Verletzungen und diverse Blutergüsse gehabt habe. Bei der Aufnahme im Klinikum betrug die Körpertemperatur lediglich 26,8 Grad.

20 Jahre Haft für die Mutter

Für die Mutter und deren Freundin gab es bereits rechtliche Konsequenzen. Die 35-Jährige hatte in einem Geschworenenprozess Ende Februar 2024 wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung 20 Jahre Haft erhalten. Ihre ehemalige Freundin fasste wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin 14 Jahre aus. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen. Die Urteile sind rechtskräftig.

(APA)

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