"Gefährdet Mütter und Kinder": Was Eltern über die Schließung der Geburtenstation in Dornbirn denken
Die Entscheidung des Landes, die Geburtenstation in Dornbirn zu schließen und mit Bregenz zusammenzulegen, trifft viele Eltern mitten ins Herz. Für sie geht es nicht um Zahlen, Baupläne und politische Deals – es geht um Minuten, um Sicherheit und um das Gefühl, ernst genommen zu werden. VOL.AT hat dazu mit betroffenen Vorarlberger Müttern und Eltern gesprochen.
"Dann sind wir vielleicht nur eine Akte, die schnell abgefertigt werden muss"
Jasmin Heinzle (29) und Hannes Heinzle (30) aus Lustenau sind vor acht Wochen Eltern von Zwillingen geworden. Ihre Kinder kamen in Dornbirn zur Welt – mitten hinein in die Aufregung um die Spitalsreform. Als sie von der fixen Zusammenlegung gehört haben, war ihr erster Reflex: Ungläubigkeit.
"Ich habe das zuerst gar nicht glauben können", sagt Jasmin. "Man hat doch erst vor zwei, drei Jahren alles modernisiert und Geld hineingesteckt, so schöne Kreißsäle gebaut – und jetzt will man das alles schon wieder verlegen."
Gerade in der Zeit rund um die Frühgeburt ihrer Zwillinge war die Neonatologie in Dornbirn voll – jedes Bett sei belegt gewesen, auch die Betten auf der Station, auf der die Mamas mit ihren Babys sein können. "Wenn man sieht, wie voll es jetzt schon ist, fragt man sich, wie das dann alles in Bregenz aufgefangen werden soll", sagt Jasmin. Sie kann sich nicht vorstellen, dass die Kapazitäten von Dornbirn und Bregenz einfach so in einem Haus untergebracht werden können, "ohne dass die Qualität darunter leidet".
Hat das Pflegepersonal noch Zeit?
Was die junge Familie besonders beschäftigt, ist die Frage nach der Zeit, die das Personal künftig noch für Eltern haben wird. In Dornbirn wurden ihnen in der ersten Zeit nach der Geburt nicht nur medizinische Fragen beantwortet – ihnen wurde gezeigt, wie man badet, Babymassagen macht, mit Bauchschmerzen umgeht, das Tragetuch bindet, gestillt wird.
"Sie haben sich immer Zeit genommen für uns, egal wie viel los war", erzählt Jasmin. Die Angst ist groß, dass diese Qualität in einem überfüllten Großstandort verloren geht: "Dann sind wir vielleicht nur noch eine Akte in einem Bett, die schnell abgefertigt werden muss", ergänzt Hannes.
"Das gefährdet Mütter und Kinder"
Sehr deutlich wird auch Ella Saringer, 33, aus Lingenau, Mutter von zwei Kindern. "Ich war wirklich bestürzt, als ich gehört habe, dass das die Pläne sind", erzählt sie. Die Petition gegen die Schließung habe sie sofort unterschrieben und ihr Umfeld aktiv zum Mitmachen motiviert.
Sie kennt das Personal, die Abläufe, das eingespielte Team in Dornbirn – und genau das macht die Entscheidung für sie so unverständlich. "Ich kenne die Menschen, ich weiß, wie sie arbeiten, was für einen tollen Job sie machen", sagt sie. Für sie ist klar: "Das gefährdet Mütter und Kinder. Und das ist einfach unsere Zukunft. Kinder sind unsere Zukunft."
Als Bregenzerwälderin kennt sie die Diskussion um die "15 Minuten Unterschied" nur zu gut. Manche winken ab, der Unterschied zwischen der Entfernung Bregenz und Dornbirn sei doch nicht so groß. Ella widerspricht: "Es kommt darauf an, wie weit du mit der Wehe bist. Da machen 15 Minuten sehr wohl Unterschied." Viele Eltern aus dem Bregenzerwald würden Dornbirn wählen, weil der Weg kürzer ist.
Was Ella besonders kritisch sieht, ist der politische Stil. Sie beschreibt ein Gefühl, übergangen zu werden: "Was ich ganz kritisch finde, ist, dass die Landesregierung einfach sagt: Wir haben Pläne, wir machen das – und fertig."
Selbst wenn Bevölkerung und Personal laut "Stopp" rufen, Fakten auf den Tisch legen und begründete Gegenargumente bringen, habe sie das Gefühl, dass das einfach ignoriert werde. Für Ella ist das ein demokratiepolitisches Problem: "Wir leben in einer Demokratie. Da sollten wir als Bevölkerung mitreden."
"Bei meiner Geburt wäre es nach Bregenz zu spät gewesen"
Dass die Geburtenstation in Dornbirn nun verschwinden soll, macht Annika Moosbrugger, 28, aus Andelsbuch wütend und traurig zugleich. Als Mutter von zwei Kindern, darunter ein Frühchen, versteht sie nicht, wie man eine Entscheidung treffen könne, "bei der man das Gefühl hat, dass Mütter und Kinder einfach nicht berücksichtigt werden".
Gerade im Bregenzerwald sorgt die geplante Zusammenlegung für Unruhe. Dornbirn ist für viele Gemeinden die erste Anlaufstelle. Annika erzählt: "Ich kenne eigentlich niemanden bei uns, der bei der Geburt nicht nach Dornbirn gefahren ist."
"Wenn sie schon zusammenlegen, wäre Dornbirn für mich logischer gewesen"
Eine differenzierte Sicht bringt Ismeta Primorac, 42, aus Hohenems ein, Mama von drei Kindern. "In den drei Krankenhäusern ist meistens Personalmangel. Daher ist so eine Zusammenlegung eigentlich schon sehr schlau und ich finde das gut", sagt sie. Sie ist überzeugt: "Ich bin mir sicher, dass es danach besser läuft."
Für sie ist dennoch eines unverständlich: der Standort. "Wenn sie schon zusammenlegen, wäre Dornbirn aufgrund der vielen Investitionen in den letzten Jahren für mich logischer gewesen", erklärt sie.
"Noch einmal überlegen, ob das wirklich Sinn macht"
Zwischen Fassungslosigkeit und Sorge, zwischen Verständnis für den Personalmangel und Unverständnis für den gewählten Weg: Die Stimmen der Eltern zeichnen ein klares Bild. Sie fühlen sich übergangen, sorgen sich um die nächsten Generationen – und wünschen sich, dass diejenigen, die über Kilometer, Minuten und Kapazitäten entscheiden, einmal in der Haut eines Vaters oder einer Mutter in den Wehen stecken würden.
Viele hoffen noch immer, dass es sich die Entscheidungsträger "noch einmal überlegen, ob das wirklich Sinn macht", wie es Anna Moosbrugger abschließend formuliert.
Video: Eltern schlagen Alarm wegen Spitalszusammenlegung
(VOL.AT)
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