"Das ist wirklich bitter" – Ärztinnen entsetzt über geplantes Aus der Dornbirner Geburtshilfe
    Die Empörung ist groß: Innerhalb von nur 24 Stunden haben mehr als 30.000 Menschen die Petition zum Erhalt der Geburtenstation am Krankenhaus Dornbirn unterschrieben. Die Dornbirner Frauenärztin Dr. Angelika Franz hat den Aufruf im Namen des gesamten Ärzteteams gestartet. Im Gespräch mit VOL.AT erklärt sie mit Kollegin und Gynäkologin Dr. Evi Reinstadler, warum die geplante Verlagerung nach Bregenz für sie medizinisch nicht nachvollziehbar ist und warum sie sich von der Politik im Stich gelassen fühlen.
Video: "Nicht nachvollziehbar"
"Bitter"
Für die beiden Ärztinnen ist die Geburtenstation in Dornbirn ein besonderer Ort. "Wir bieten in der Geburtshilfe die maximale Sicherheit und gleichzeitig wird eine schöne, selbstbestimmte Geburt ermöglicht. Die Frau steht im Mittelpunkt", sagt Franz. Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Hebammen, Pflege und Anästhesie sei eng und funktioniere hervorragend – ebenso die Kooperation mit der Geburtshilfe in Bregenz.
Umso unverständlicher sei die plötzliche Entscheidung, die Geburtshilfe samt Gynäkologie und Kinderstation nach Bregenz zu verlegen. "Drei Jahre lang haben wir darauf hingearbeitet, die Abteilungen in Dornbirn zusammenzuführen – und erfahren nun aus den Medien, dass plötzlich das Gegenteil geplant ist", sagt Franz. "Das ist wirklich bitter", ergänzt Reinstadler.
"Wir haben in Dornbirn bereits begonnen, Strukturen zu schaffen"
Aus medizinischer Sicht sei die Entscheidung "nicht nachvollziehbar", betonen beide. Dornbirn sei die geburtenstärkste Klinik Vorarlbergs mit rund 1.300 Geburten jährlich – und verfüge über drei zertifizierte Zentren: das Brustgesundheitszentrum, das Zentrum für gynäkologische Tumoren und das Beckenbodenzentrum.
"In Bregenz gibt es kein einziges zertifiziertes Zentrum. So etwas kann man nicht einfach übersiedeln – man schließt es hier und fängt dort bei null an", erklärt Gynäkologin Reinstadler. Allein beim Beckenbodenzentrum habe der Aufbau 16 Jahre gedauert.
Auch infrastrukturell sei eine Verlagerung kaum machbar. "Weder Bregenz noch Dornbirn könnten in den jetzigen Strukturen 2.500 Geburten jährlich stemmen", so Franz. "Wir haben in Dornbirn aber bereits damit begonnen, Strukturen zu schaffen – Bregenz nicht."
"Weniger Individualität und Zeit für die Wünsche der Frauen"
    Eine Zusammenlegung in Bregenz hätte laut den Ärztinnen gravierende Folgen – nicht nur für Mütter, sondern auch für Kinder und schwerkranke Frauen. "Dornbirn verliert die Geburtshilfe und die Kinderstation. Das heißt, Kinder mit Blinddarmentzündung oder nach einem Unfall können nicht mehr hier behandelt werden", warnt Reinstadler.
Auch in der Geburtshilfe drohten Qualitätsverluste. "Eine Mega-Abteilung mit 2.500 Geburten bedeutet weniger Individualität und weniger Zeit für die Wünsche der Frauen", sagt sie. Die niedrige Kaiserschnittrate in Dornbirn sei in so großen Strukturen kaum zu halten. "Wir sind ein eingespieltes Team – mit Herzblut. Solche Strukturen kann man nicht einfach auflösen."
"Das Land hätte auf Jahre hinaus keine adäquate Versorgung"
Das Beckenbodenzentrum führe jährlich rund 240 Operationen durch und betreue 1.400 Patientinnen. "Wenn das geschlossen wird, bleiben viele Frauen ohne Versorgung", so Reinstadler. Das nächste Zentrum liege in Innsbruck – "für viele keine zumutbare Alternative".
    Auch die onkologischen Zentren seien bedroht. "Hier geht es nicht nur um Operationen und Chemotherapien, sondern auch um psychologische und pflegerische Betreuung", erklärt Franz. "Das alles würde verloren gehen – und das Land hätte auf Jahre hinaus keine adäquate Versorgung."
"Aktuelle Entscheidung scheint rein wirtschaftlich motiviert"
Von der Politik fühlen sich die Ärztinnen übergangen. "Unsere Botschaft ist klar: Bitte überdenken Sie die Pläne", sagt Franz. "Wir wünschen uns Mut zum Gespräch, echte Einbindung derjenigen, die die medizinische Versorgung sichern."
Das oft zitierte Argument der "Bündelung medizinischer Kompetenzen" halten sie für vorgeschoben. "Diese Bündelung leben wir längst – in gemeinsamen Fortbildungen, OP-Planungen und Ausbildungen", so Franz. "Die aktuelle Entscheidung scheint rein wirtschaftlich motiviert."
"Ein klares Nein der Bevölkerung"
Am Mittwoch wollen Reinstadler und Franz die Petition persönlich an Landesrätin Rüscher, Landeshauptmann Wallner und Bürgermeister Fäßler übergeben – einen Tag vor der geplanten Pressekonferenz des Landes. "Wir möchten den Verantwortlichen die Chance geben, wirklich hinzuschauen", sagt Franz.
Über 44.000 Menschen hätten bereits unterschrieben – ein deutliches Signal, das Mut mache. "Es ist eine Bestätigung unserer Arbeit und ein klares Nein der Bevölkerung zu dieser Entscheidung", sagt Franz. "Wir sehen uns jetzt als Sprachrohr – für unsere Patientinnen, unsere Mitarbeitenden und den Standort Dornbirn."
(VOL.AT)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren:  Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.