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Jurist über Schutzzone in Frastanz: "Die Auslegung des Baugesetzes ist Pfusch"

©Für Gerhard Kofler ist die Handhabung der Seveso-Verordnung im Falle der Frastanzer Errichtung der Schutzzone schwer zu hinterfragen.
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Für den betroffenen Anrainer Gerhard Kofler bedeutet das Verhalten von Gemeinde und Land "de facto ein Bauverbot und Zwangsenteignung". Der Jurist kritisiert das Baugesetz scharf, Bauwerber Feldmann erwägt Rückzug.
V+: Alptraum für Häuslebauer

Die VOL.AT-Berichterstattung über den verzweifelten Versuch des jungen Frastanzers Manuel Feldmann, auf seinem Grundstück in der Nähe eines Flüssiggaslagers sein Eigenheim zu errichten, sorgt weiter für Gesprächsstoff.

Gerhard Kofler, dessen Frau ebenfalls Grundbesitzerin in der Schutzzone rund um den Betrieb in Frastanz ist, übt scharfe Kritik an der Verordnung und Interpretation des Vorarlberger Baugesetzes in besagtem Fall. Der Jurist hat sich in seiner Pension intensiv mit dem Fall auseinandergesetzt.

"Verordnung entbehrt jeglicher Grundlage und ist gesetzwidrig"

Besonders sauer stößt dem 66-Jährigen auf, dass die Seveso-III-Verordnung, die als EU-Grundlage für eine Baubewilligung in der Nähe sensibler Bereiche herangezogen wird, im Vorarlberger Baugesetz unterschiedlich ausgelegt werde – im Vergleich zu anderen österreichischen Bundesländern. Dabei ist ihm vor allem Paragraf 8, insbesondere Absatz 4, ein Dorn im Auge.

Gerhard Kofler zugast bei VOL.AT.

Baugesetz Land Vorarlberg: § 8) Immissionsschutz

"(4) Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen im Gefährdungsbereich eines auf dem Grundstück des Nachbarn rechtmäßig bestehenden Seveso-Betriebes dürfen überdies keinen Verwendungszweck haben, der unter Berücksichtigung dieses Seveso-Betriebes die bestehende Gefährdung im Falle eines schweren Unfalls vergrößert oder die Begrenzung der Folgen eines solchen Unfalls erschwert. Zu diesem Zweck ist ein angemessener Schutzabstand einzuhalten oder es muss sonst, insbesondere durch bauliche oder organisatorische Vorkehrungen, gewährleistet sein, dass die Gefahr nicht vergrößert oder die Folgenbegrenzung nicht erschwert wird."

"Während in anderen Bundesländern meist von 'Risiko' oder individueller Beurteilung und 'Risikoeinschätzung' die Rede ist, geht man in der Vorarlberger Verordnung bereits klar von 'Gefährdung' und 'Gefahr' aus. Schon allein durch diese Wendung wird transportiert, dass hier de facto ein Bauverbot herrscht, was einer Zwangsenteignung gleichkommt", kritisiert Gerhard Kofler die Vorarlberger Variante des Baugesetzes im VOL.AT-Gespräch.

ähnlichen Situationen verglichen.

"Ich halte dieses Gesetz für Pfusch. Denn die EU-Verordnung und auch bereits Urteile des EuGH in Zusammenhang mit der Seveso-III-Richtlinie empfehlen den Behörden, im Einzelfall abzuwägen und zu entscheiden, ob es zu einer signifikanten 'Gefährdung' kommen würde, wenn man im Nahbereich solcher Betriebe bauen würde. Hier ist aber beispielsweise die Rede von einem Baumarkt mit hoher Frequenz an Besuchern. Und nicht wie im Fall von Manuel, in dem es um Eigenheim für ihn selbst geht", führt der Jurist und ehemalige Zollbeamte weiter aus.

"Gesetz darf so nicht angewendet und muss überarbeitet werden!"

"Wenn eine Vorschrift sich als EU-widrig erweist, zudem ist sie meiner Meinung nach auch noch verfassungswidrig, sind nach EuGH die nationalen Gerichte und Behörden verpflichtet, diese notfalls auch unangewendet zu lassen. Gerade in Manuels Fall fordere ich, dass dieser meiner Meinung nach gesetzeswidrige Passus im Baugesetz nicht mehr angewendet wird und das Gesetz schnellstmöglich angepasst wird", fordert der 66-Jährige von den Verantwortlichen. Zu alledem erfolgte die Ausweisung der Schutzzone im Flächenwidmungsplan ohne jede gesetzliche Grundlage, so der Jurist.

Manuel Feldmann kämpft seit vier Jahren um eine Baubewilligun und steht kurz vor der Aufgabe.

Manuel Feldmann erwägt Rückzug: "Mir fehlt inzwischen die Zeit und die Kraft, um weiterzumachen"

Währenddessen zeigt sich Manuel Feldmann, dessen Traum vom Eigenheim auf dem eigenen, ehemals elterlichen Grundstück sich seit vier Jahren in einen albtraumhaften Kampf mit den Behörden verwandelt hat, niedergeschlagen. "Ich stehe kurz davor, alles hinzuwerfen und das Projekt abzubrechen. Auch wenn ich bereits über 70.000 Euro investiert habe, bleibt mir nicht die Zeit, auf Gerichte, Urteile oder ein Einlenken der Behörden zu warten. Zumal die Baukosten aktuelle explodieren. Der Volksanwalt, mit dem ich in Kontakt bin, gibt mir recht, sieht aber keine schnell umsetzbare Lösung für mich, wenn die Verantwortlichen nicht einlenken", informiert der 33-Jährige auf VOL.AT-Anfrage. "Mir fehlt inzwischen einfach die Zeit und die Kraft, um weiterzumachen. Es bleibt aber ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen, wie hier mit jungen Vorarlberger Grundeigentümern umgegangen wird."

(VOL.AT)

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