Causa Wirtschaftsbund Vorarlberg: Affäre mit weitreichenden Folgen

Sie mündete bisher nicht nur in Ermittlungen wegen Korruption und Abgabenhinterziehung gegen prominente ÖVP-Mitglieder, darunter Landeshauptmann Markus Wallner selbst, sondern auch zu Bestrebungen um mehr Transparenz. So führte die Affäre zu einem neuen, scharfen Parteienförderungsgesetz. Eine U-Ausschuss-Reform im Landtag fuhr sich dagegen fest.
Inseratenpraktiken im Fokus
Die von der Opposition schon seit 2010 wiederholt beanstandeten Inseratenpraktiken des Vorarlberger Wirtschaftsbundes mit seinem großteils aus Anzeigen bestehenden Mitgliedermagazin "Vorarlberger Wirtschaft" gerieten im Zuge einer Ende März 2022 bekannt gewordenen Steuerprüfung des Wirtschaftsbundes in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Wirtschaftsbund brachte, mit der Finanzprüfung konfrontiert, Selbstanzeige ein. Im Zentrum der Affäre standen in der Folge nicht nur die Inserate, sondern auch Geldflüsse des Vereins Wirtschaftsbund an die Mutterpartei ÖVP in Höhe von rund 100.000 Euro jährlich und deren steuerrechtliche Einstufung. Weiters wurde offenbar, dass Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler Anteile an einer Kommunikationsberatungsfirma besaß, die Inserate für Publikationen der Wirtschaftskammer verkaufte. Später zeigte sich zudem Kesslers Vorgänger Walter Natter selbst wegen Abgabenhinterziehung an.
Rücktritte und Aufarbeitung im Wirtschaftsbund
Infolge des immer größer werdenden Drucks der Öffentlichkeit traten im März 2022 Kessler und Wirtschaftsbundobmann Hans Peter Metzler, zugleich Wirtschaftskammerpräsident, zurück. Landeshauptmann Wallner versuchte, ein weiteres Hochkochen mit der Einstellung der "Vorarlberger Wirtschaft" und mit dem Versprechen einer Neuaufstellung zu kalmieren, eine Personalunion von Wirtschaftskammerpräsident und Wirtschaftsbundobmann werde es nicht mehr geben. Die Opposition forderte umfassende Aufklärung.
Ex-Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser übernahm am 11. April interimistisch den Wirtschaftsbund und leitete eine externe Prüfung ein, die im Juli 2022 einen statutengemäßen, aber "generösen Umgang in der Geschäftsgebarung des Vereins" feststellte. Ende 2021 verfügte der Wirtschaftsbund demnach über ein Vermögen von 6,8 Mio. Euro. Den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung wies der Wirtschaftsbund abermals zurück. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass der Wirtschaftsbund über Inserate Gelder vom Land, Landesunternehmen und der Wirtschaftskammer erhalten hatte und für Veranstaltungen des Wirtschaftslandesrats bezahlte. Über Inserate in der "Vorarlberger Wirtschaft" flossen seit 2012 mindestens 385.000 Euro öffentliches Geld an den Wirtschaftsbund, am meisten im Landtagswahlkampfjahr 2019.
Opposition stellte Misstrauensantrag gegen Wallner
Einen Höhepunkt erreichte die Affäre, als Landeshauptmann Wallner infolge eines "VN"-Berichts selbst endgültig ins Kreuzfeuer geriet: Ein anonymer Wirtschaftstreibender beschuldigte ihn darin, politisches Wohlwollen gegen Inserate versprochen zu haben, was Wallner vehement abstritt. Die Vorarlberger Oppositionsparteien forderten in der Folge geschlossen seinen Rücktritt und beriefen für den 24. April 2022 einen Sonderlandtag ein, bei dem ein erfolgloser, in Vorarlberg aber seltener Misstrauensantrag gestellt wurde.
Ende April wurden strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Wirtschaftsbund und seine Verantwortlichen bekannt, seit Anfang Mai 2022 war zudem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit Untersuchungen befasst, unter anderem gegen Wallner. Die Affäre erreichte auch den Bund: Im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss in Wien versuchte man bei "Vorarlberg-Tagen", Licht ins Dunkel zu bekommen. Während sich Wallner den Fragen stellte, blieb Kessler krankheitsbedingt fern.
Am 22. Juni 2022 forderten die Turbulenzen vom Landeshauptmann Tribut: Er verabschiedete sich auf ärztlichen Rat in einen zweimonatigen Krankenstand. In der Regierung übernahm für ihn Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink, in der Partei Landesrätin Martina Rüscher.
Ganz aufatmen konnte Wallner aber erst Anfang Juni 2023, als die WKStA die Ermittlungen gegen ihn und Tittler einstellte. Um wen es sich bei seinem Beschuldiger handelte, ist bis heute nicht bekannt. Noch über ein Jahr länger brauchten dagegen die Ermittlungen gegen Rüdisser und weitere drei Verantwortliche im Wirtschaftsbund: Am Montag erhob die WKSta Anklage unter anderem wegen Untreue und Vorteilsannahme bzw. Vorteilszuwendung zur Beeinflussung, weil der Wirtschaftsbund 2013 bis 2019 die Kosten für Weihnachtsfeiern übernommen hatte.
Neues Parteienförderungsgesetz, U-Ausschussreform scheiterte bisher
Die Vorarlberger ÖVP leitete im Versuch, Vertrauen zurückzugewinnen, Statutenänderungen all ihrer Bünde ein, um diese auf Transparenz zu trimmen. Die Steuerprüfung des Wirtschaftsbundes endete mit einer Steuernachzahlung für die Jahre 2016 bis 2021 mit knapp über 770.000 Euro, seit Ende November 2022 gibt es zudem mit Wirtschaftslandesrat Marco Tittler einen neuen Obmann, neuer Direktor wurde Christoph Thoma. Unter seiner Führung gibt der Wirtschaftsbund nun wieder ein Mitgliedermagazin heraus, diesmal ohne Inserate. Der Vorarlberger Seniorenbund musste ebenfalls Steuern nachzahlen und wurde in eine Seniorenbund-Teilorganisation und den Verein "Vorarlberg 50plus" getrennt.
Als Folge der Affäre arbeiteten die Landtagsparteien ein neues, seit 1. Jänner 2023 geltendes Parteienförderungsgesetz aus, das als eines der strengsten Österreichs gilt.
Nichts geworden ist es bisher dagegen mit einer Reform des U-Ausschusses im Landtag, die nach monatelangen Verhandlungen an der Frage des Schiedsgerichts scheiterte. Der ÖVP, über Monate arg angeschlagen, hat die Affäre auf längere Sicht offenbar kaum Schaden zugefügt: Bei der Landtagswahl verlor die Volkspartei zwar 5,23 Prozentpunkte und kam nur mehr auf 38,30 Prozent Stimmenanteil, die Causa Wirtschaftsbund war aber kaum mehr Thema im Wahlkampf.
(APA)
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